Interview mit Boris Vujcic
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Kleine Zeitung
Berichte Kroatien
KL: Welche Reformen muss die neue Regierung vordringlich durchführen?
BV: „Wir haben Klein- und Mittelbetriebe befragt, was Ihnen die Arbeit am stärksten erschwert. Mehr als 90 Prozent nannten folgende Probleme: die Überregulierung, die große Zahl an Vorschriften, ihre Widersprüchlichkeit und ihre häufige Änderung. Somit geht es um eine effizientere Staatsverwaltung, um die Beseitigung unnötiger Vorschriften, um das Wirtschaftsklima durch schnellere Verfahren, durch raschere Baugenehmigungen, zu verbessern. Diese Probleme bestehen seit Jahren; daran zeigt sich auch ein Grundproblem der kroatischen Wirtschaft – das ist das relativ niedrige Wachstum der Arbeitsproduktivität, die von 2002 bis 2013 weniger stark gewachsen ist als in anderen Staaten Südosteuropas.“
KL: Grund für den zarten Wirtschaftsaufschwung des Vorjahres waren auch gute internationale Rahmenbedingungen; ein gutes Zeitfenster für Reformen, aber wohl kein Ruhekissen …
BV: „Wegen der politischen Lage in der Umgebung erwarten wir wieder eine sehr gute Tourismussaison; der Ölpreis sinkt weiter. Außerdem können wir weiter mit einer extensiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und der kroatischen Nationalbank rechnen, wodurch die Zinsen niedrig bleiben werden. All das dauert nicht ewig, daher muss man diese günstige Lage nutzen, um das Wachstum zu erhöhen, damit es nicht wieder zu einem Schock für die Wirtschaft kommt, sollten sich diese Rahmenbedingungen ändern.“
KL: 44 Milliarden Euro beträgt die gesamte Verschuldung des Landes; dass sind etwa 85 Prozent der Wirtschaftsleistung; wieviel muss der Staat heuer zurückzahlen, kann er das?
BV: „Heuer müssen 8,3 Milliarden Euro Schulden beglichen werden, die Zinsen nicht eingerechnet. Davon betreffen nur 12 Prozent Staatsschulden, auf die Banken entfallen 20 Prozent, während die Hälfte vor allem Betriebe begleichen müssen. 2016 ist somit ein Jahr wo der Staat einen Handelsspielraum für budgetäre Anpassungen hat, damit der Staat 2017 und 2018 die Schulden leichter begleichen kann, die in diesen beiden Jahren deutlich höher sind.“
Kl: Die NB will die Kreditnachfrage stärken; warum ist sie so schwach, obwohl doch die Liquidität in Kroatien weit größer ist als in vielen anderen Staaten der EU?
BV: „Klein- und Mittelbetriebe haben Probleme, sich zusätzlich zu verschulden, weil sie nicht genügend Kapital haben, während der Wert ihrer Sicherheiten gefallen ist. Dafür muss man einen Ersatz finden; dabei können EU-Strukturfonds eine gute Rolle spielen, die man für Garantien für einen Teil der Verluste von Kleinbetrieben nutzen kann. Wenn das gelingt, wird die Kreditvergabe in diesem Sektor stark steigen, der einen Schlüssel für die Wiederbelebung der Wirtschaft und für neue Arbeitsplätze bildet. Dieses Ziel können wir gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank erreichen, und das werden wir in den kommenden drei Monaten versuchen.“
KL: 80 Prozent der Schulden und Kredite in Kroatien werden in Fremdwährungen gehalten, vor allem in Euro. Wann kann Kroatien so weit sein, um dem Euro beizutreten?
BV: „Der Wendepunkt bei der öffentlichen Verschuldung ist 2017 oder 2018 erreichbar, ohne dass es außerordentlich große budgetärer Anpassungen bedarf. Da sprechen wir von 1,5 Prozent zusätzlicher Anpassungen, was weniger ist als andere Länder der EU durchgeführt haben. Danach kann man dann über den Beitritt zum Kurs-Mechanismus sprechen, dem man mindestens zwei Jahre angehören muss, ehe die EU-Kommission darüber entscheidet, ob man die Maastrichter Kriterien erfüllt. Objektiv gesehen, kann somit Kroatien der Eurozone nicht vor Beginn der 20iger Jahres dieses Jahrhunderts beitreten. Doch das muss das Ziel sein, daher ist es sehr wichtig, dass die Regierung so rasch wie möglich einen Konvergenz-Plan ausarbeitet und klar zeigt, wohin die Reise geht.“