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Krieg der Worte und neue Zäune

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Kleine Zeitung
Berichte Kroatien
Ungarn hat gestern auch an der Grünen Grenze zu Slowenien damit begonnen, Sperren zu errichten. Nach Angaben der ungarischen Nachrichtenagentur MIT begannen Polizisten und Soldaten damit in der Nähe Grenzübergangs Tornyiszentmiklos eine provisorische Sperre errichten, die aus drei übereinander gezogenen Rollen von Stacheldraht besteht, eine an sich noch nicht besonders wirksame Sperre, wie Erfahrungen von der ungarisch-serbischen Grenze zeigen. Wann mit dem Bau eines Zauns auch an der Grenze zu Slowenien tatsächlich begonnen wird, ist noch unklar. Die gesamte ungarisch-slowenische Grenze ist 102 Kilometer lang. Bereits seit Tagen angekündigt ist der Bau eines 41 Kilometer langen Zauns an der kroatischen Grenze. Diese Grenze ist insgesamt 329 Kilometer lang und wird vor allem durch die Flüsse Drau und Mur markiert. Geplant ist zudem ein 70 Kilometer langer Zaun an der insgesamt 448 Kilometer langen rumänisch-ungarischen Grenze.

Groß ist trotzdem der Menschenstrom, der weiterhin nach und über Ungarn nach Österreich kommt. Nach Angaben der ungarischen Polizei kamen vorgestern 10.046 Personen ins Land, das ist ein neuer Rekord. Knapp 100, und damit ein Prozent, kamen über die serbische Grenze nach Ungarn, alle anderen über Kroatien. Zuvor hatte Ungarn am 14. September - einen Tag bevor die verschärften Einwanderungsgesetze in Kraft traten - einen Rekord verzeichnet, als an einem Tag knapp 9.400 Asylsuchende ankamen.

Doch seit damals hat sich die Wanderungsbewegung über die Balkanroute eben geändert, und das spürt insbesondere Kroatien; mehr als 51.000 Menschen haben das Land über die grüne Grenze aus Serbien binnen 10 Tagen nun passiert, und das hat sich auch auf die Beziehungen von Belgrad, Agram und Budapest ausgewirkt. Kroatien sieht in der neuen Route eine gemeinsame Vorgangsweise zwischen Ungarn und Serbien und fordert, dass wieder mehr Personen die Grenzübergänge Horgos1 und 2 passieren. Solange sollen die Beschränkungen des Waren- und Personenverkehrs aufrechtbleiben, die Kroatien an den Grenzübergängen zu Serbien eingeführt hat. Das Ergebnis waren zunächst kilometerlange Schlangen von LKWs, die auf die kroatische Abfertigung warteten. Durchgelassen wurden aber leicht verderbliche Waren. Serbien reagierte auf diese Einschränkungen gestern mit einem Einführverbot für kroatische Waren, worauf Kroatien den Personenverkehr einschränkte. Autos mit serbischen Kennzeichen dürfen nicht passieren, zu Fuß soll diese Regel aber nicht gelten, und gar nicht gilt sie natürlich für die Grenzübergänge zu Bosnien und Herzegowina, die eine Möglichkeit der Umfahrung bieten.

So eindrucksvoll die Bilder vom Stau an den Grenzübergängen sind, so sind die Folgen für die Wirtschaft doch deutlich geringer, wenn auch natürlich schmerhaft für jeden einzelnen betroffenen Betrieb.  Die kroatische Wirtschaftskammer beziffert den Schaden auf eine Million Euro täglich und forderte ein rasches Ende der politisch motivierten Blockaden. Doch nach Angaben der Wirtschaftskammer beträgt das bilaterale Handelsvolumen nicht einmal 1,5 Milliarden Euro. Die Dimensionen zurechtrücken auch die Daten des Wirtschaftsinstituts (EI) in Agram; demnach entfallen nur 5 Prozent der kroatischen Exporte auf Serbien (Importe 2 Prozent); 64 Prozent der Ausfuhren gehen in andere EU-Staaten, (Italien 14, Deutschland und Slowenien 11, Austria 7 Prozent). Keine Informationen gibt es darüber, wie viele Arbeitsplätze in Kroatien von den Blockaden betroffen sind, doch bei einer Arbeitslosenrate von 17 Prozent und einem erstmals seit sechs Jahren zu erwartenden BIP-Wachstum von einem Prozent verärgern die Einschränkungen durch die kroatische Regierung trotzdem viele Unternehmer.

Heftig ist auch der Krieg der Worte; ihn begann Kroatiens sozialdemokratischer Ministerpräsident Zoran Milanovic, der Kroatien als „Adler“ und Serbien als „Fliege“ bezeichnete, während serbische Politiker Milanovic dann „Eule“ und Kroatien einen „gefallenen Adler“ nannten. Noch weniger „charmant“ waren serbische Tageszeitungen, die Kroatien bereits seit Tagen unrichtigerweise der Herzlosigkeit gegenüber Flüchtlingen beschuldigen. Milanovic sei ein „Idiot“ und ein „Irrer“, der die Kroaten in einen „Krieg führe“, titelten gestern serbische Boulevardblätter. Damit kann Milanovic gut leben, denn Mitte November wird in Kroatien das Parlament neu gewählt. Da nutzt ihm möglicherweise der Krieg der Worte mit Serbien, der ansonsten eher dem nationalkonservativen Lager im die HDZ vorbehalten ist. Nach Umfragen liegen beide Blöcke nicht weit auseinander. Doch derzeit sind Umfragen nicht aussagekräftig, weil die Völkerwanderung sowie das Abschneiden von Kleinparteien und die Wahlbeteiligung die großen Unbekannten bis zum Wahltag sein und leiben werden.      

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