Vor Beginn des Wahlkampfs in Kroatien
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Sechs Jahre lang schrumpfte in Kroatien die Wirtschaft, doch für heuer gibt einen ersten Silberstreifen am Horizont, weil ein Wachstum von einem Prozent vorausgesagt wird. Hinzu kam eine ausgezeichnete Tourismussaison. Mit diesen Daten kann natürlich jede Regierung und somit auch die Mitte-Links-Koalition unter normalen Umständen punkten; doch nun steht auch Kroatien im Banne der Massenwanderung aus den Krisenherden dieser Welt. Zwar ist Kroatien nur Transitland, trotzdem ist die Bewältigung des Massenansturms auch für die Regierung in Agram eine Bewährungsprobe; die Bevölkerung stellt ihr dabei nach Umfragen nach den ersten vier Tagen des Zustroms noch ein gutes Zeugnis aus, betont der Meinungsforscher Srdjan Dumicic:
"Damals haben die Menschen anerkannt, dass die Regierung alles relativ gut organisiert hat. Wichtig war, dass es der Regierung auch gelang zu zeigen, dass diese Menschen durch Kroatien nur durchziehen, und zwar auf organisierte Weise. Dabei haben die Kroaten auch anerkannt, dass es nicht viel besser hätte in einer derart kurzen Zeit organisiert werden können. Damals herrschte auch keine große Angst, obwohl die Leute diese Flüchtlinge nicht bei sich aufnehmen wollten. Zwei Drittel der Befragten war auch der Ansicht, dass Kroatien das Maximum geleistet hat, was möglich war. Nur zehn Prozent meinten, dass Kroatien die Flüchtlinge überhaupt nicht hätte ins Land lassen sollen."
Gleichzeitig sind die Migrationsströme aber auch eine der großen Unbekannten, die den Wahlausgang gerade bei einem knappen Rennen beeinflussen können. Dazu zählt etwa die Frage, was passiert, sollte Ungarn auch seine Grenze zu Kroatien schließen, die derzeit als die Transitroute dient. Dazu sagt Srdjan Dumicic:
"Wenn es der Regierung gelingt, dass Kroatien auch weiter nur als Korridor dient, dann könnte das ein Teil der Wähler so auffassen, dass es der Regierung gelungen ist sich bei einer schweren Aufgabe zu beweisen. Doch wenn die Grenze geschossen wird, und Kroatien zu einem Zentrum der Flüchtlinge oder gar gezwungen wird, die Grenze zu Serbien zu schließen, dann würde die Regierung sicher an Popularität verlieren, unabhängig davon, ob sie schuld an der Lage ist oder nicht. Doch all das ist sehr schwer vorherzusehen."
Dabei ist die Mitte, Ende November stattfindende Wahl auch ohne Flüchtlinge und Migranten für Meinungsforscher eine enorme Herausforderung. Denn im Gegensatz zur Wahl vor vier Jahren gibt es nun vier neue, kleinere politische Gruppen; dazu zählen etwa die grüne Partei Orah, auf Deutsch Nuss, der früheren Umweltministerin Mirella Holy oder die Partei des im März abgewählten Präsidenten Josipovic. All diese vier Gruppen haben Chancen, auf den Einzug ins Parlament, obwohl ihre Umfragewerte gesunken sind, je näher die Entscheidung zwischen Mitte-Links und Nationalkonservativ rückt. Das erklärt der Meinungsforscher Srdjan Dumicic so:
"Die Wahlen rücken näher und ihre Popularität sinkt, und diese Wähler gehen zu einem der beiden Lager. Somit haben wir eine sehr dynamische Entwicklung, und Erfahrungen aus früheren Wahlen helfen da nur sehr wenig. Denn wir haben nun weitere vier Spieler, die es früher nicht gab; und fraglich ist, wie sich die Bürger am Wahltag entscheiden werden. Hinzu kommen auch noch die Fragen der Wählermobilisierung durch die Parteien und Wahlbeteiligung als Faktoren."
In Kroatien könnte somit bis zum Wahlschluss offen bleiben, ob es wieder zu einem Machtwechsel kommen wird oder nicht.