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Kroatien hat keine Kapazitäten mehr

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Berichte Kroatien
Abgeerntete Maisfelder etwa zwei Kilometer vor der serbisch-kroatischen Grenze sind nun der Ort, an den serbische Taxis und Busse Syrer und Menschen aus anderen Krisenherden dieser Welt bringen. Eine Familie zahlt etwa 100 Euro für die etwas mehr als eine Stunde dauernde Fahrt von Belgrad zum Grenzort Sid, eine Buskarte kostet 15 Euro. Auf Feldwegen marschieren dann die Kolonnen, junge Männer, Familien mit kleinen Kindern, Syrer, Kurden aus Syrien, Iraker, Menschen aus Afrika passieren die grüne Grenze. Ihr Ziel ist zunächst der kroatische Grenzbahnhof Tovarnik. Der kleine Bahnhof ist völlig überfüllt; es gibt viel zu wenige Toiletten und bei Temperaturen von mehr als 30 Grad ist die Nachfrage nach Wasser besonders groß. Das kroatische Rote Kreuz hat seine Vorratslager völlig aufgebraucht und die Regierung in Agram um zusätzliche Lebensmittel gebeten. Die Stimmung ist gespannt, an der von Polizisten bewachten Absperrung des Bahnhofs fordern vor allem junge Männer einen rascheren Weitertransport. Wegen des Massenansturms werden die Migranten nun nicht mehr in Tovarnik registriert, sondern mit Bussen auf Auffanglager verteilt; weitere zwei hat Kroatien nun bei der Stadt Osijek geöffnet. Das entspannte die Lage in Tovarnik aber nicht wirklich, und eine Gruppe durchbrach am späten Nachmittag die Polizeisperre und machte sich zunächst zu Fuß auf den Weg Richtung Agram, ein an sich sinnloses Unterfangen, denn die kroatische Hauptstadt ist fast 300 Kilometer entfernt. Die kroatische Regierung schickte einen neuen Zug in die Region, der 900 Flüchtlinge ins nahe gelegene Beli Manastir bringen sollte.

In Tovarnik war gestern auch Innenminister Ranko Ostojic; er macht ganz klar. Dass Kroatien keine Kapazitäten mehr hat. Bereit waren 1.800 Plätze, bis gestern 12 Uhr Mittag kamen mehr als 7.300. Zum Vergleich: in den ersten neun Monaten dieses Jahres zählte Kroatien 1.900 illegale Asylwerber. Ostojic betont, dass sich jeder Migrant registrieren lassen müsse, inklusive Fingerabdruck; wer das verweigere gelte als illegaler Einwanderer und nicht als Asylwerber. Trotzdem wird der Zug Richtung Österreich und Deutschland wohl weitergehen. Am frühen Abend hieß es in Agram, etwa zehn Busse mit etwa 600 Personen seien bereits auf dem Weg zur slowenischen Grenze. Nach Angaben des slowenischen Roten Kreuzes kann man bereits in den nächsten zwei Tagen mit dem Eintreffen von etwa 5.000 Menschen rechnen. Die Hilfsorganisation stützt ihre Prognose auf Informationen ihrer kroatischen Kollegen. Das slowenische Rote Kreuz sei auf die 5.000 Flüchtlinge vorbereitet, in den nächsten Tagen werde allerdings zusätzliche Hilfe durch Spenden gebraucht. Diese Prognosedeckt sich auch mit offiziellen Angaben. Der Staatssekretär im Innenministerium, Bostjan Sefic, betonte gestern, dass man sich auf 5.000 bis 7.000 Flüchtlinge vorbereite. "Sollten es mehr sein, werden wir auch sie versorgen", sagte er laut Tageszeitung "Dnevnik". Offizielle Prognosen darüber, wann die Flüchtlinge nach Slowenien kommen könnten, gibt es nicht.

Unklar ist auch, in welchem Ausmaß Slowenien und Kroatien ihre Asylpolitik koordinieren. In Tovarnik sagte Innenminister Ranko Ostojic zwar, er sei in ständigem Kontakt mit dem slowenischen Innenminister, doch diese Formulierung lässt viel Interpretationsspielraum. Mit einem Ende des Menschenstroms rechnet der kroatische Innenminister jedenfalls nicht; er fordert, das auch Serbien, Mazedonien und Griechenland nun Flüchtlinge aufnehmen; zu Griechenland sagt Ostojic: „Menschen kommen weiterhin; daher: Griechenland muss die Pipeline schließen. Wenn sie weiter geöffnet bleibt, ist das eine sehr schlechte Nachricht von ihrer Seite.“ Ob es dazu kommt ist fraglich; sicher ist, dass nun Kroatien der neue Brennpunkt ist, denn nach der Schließung der Grenzen durch Ungarn, kommen auch aus dem dortigen Grenzgebiet zu Serbien immer mehr Migranten nach Kroatien. Mehr als 3.500 Personen sind seit Mittwochabend von Horgos aus zu kroatischen Grenzübergängen transportiert worden.

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