Nikolic entschuldigt sich für serbische Verbrechen in Bosnien
Zeitung
Kleine Zeitung
Berichte Kroatien
„Ich knie und bitte um Verzeihung für Serbien wegen der Verbrechen in Srebrenica, und ich entschuldige mich für alle Verbrechen, die im Namen unseres Volkes einzelne begangen haben.“
Das gesamte Interview will der Sender erst am 7. Mai ausstrahlen. Daher ist derzeit nicht bekannt, was Nikolic noch alles zu Bosnien und Herzegowina gesagt hat. Viele seiner Aussagen zu Bosnien aber auch zu Kroatien oder zum Haager Tribunal lauteten in dem knappen Jahr seiner Amtszeit jedenfalls ganz anders. So sprach Nikolic bisher stets nur von „schweren Verbrechen“ in Srebrenica, die Bewertung als Völkermord lehnt er nach wie vor ab. Auch im Interview mit dem bosnischen Sender blieb Nikolic dieser Linie treu und erklärte: „Alles was sich in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien ereignete, trägt die Charakteristik Völkermord.“
Noch viel zweifelhafter und auf noch viel größeren Widerstand stießen seine Aussagen beim Besuch von Milorad Dodik, dem starken Mann der bosnischen Serben, in Belgrad. Dieses Treffen wertete Nikolic als einen Gespräch der zwei verantwortungsvollsten Personen der zwei serbischen Staaten“. Damit stellte Nikolic de facto die staatliche Integrität von Bosnien und Herzegowina in Frage, wo Serben, Bosniaken und Kroaten noch immer nicht im Stande sind, einen lebensfähigen Staat zu schaffen, der eine wirkliche EU-Perspektive hat. Auf diese Aussage reagiertem bosniakische Politiker mit massiven Protesten; beim Besuch des drei Personen zählenden bosnischen Staatspräsidiums vor wenigen Tagen in Belgrad fehlte das kroatische Mitglied. Trotzdem kann gerade dieses Treffen als eine weitere Kehrtwende in der langen Karriere des ehemaligen Ultranationalisten Tomislav Nikolic angesehen werden. Denn immerhin kam auch das bosniakische Mitglied des Staatspräsidiums, Bakir Iztebegovic, der Sohn des bosnischen Staatsgründers Alija Izetbegovic. Und Nikolic schlug bei dieser Gelegenheit diplomatische Töne an; Er wünsche dem Land Stabilität und Sicherheit, die bestmögliche wirtschaftliche Entwicklung, und die Ereignisse des 20. Jahrhunderts dürften sich nicht wiederholen, sagte der serbische Präsident.
Mit all diesen Aussagen und auch mit seiner Entschuldigung für Srebrenica schließt Nikolic nun an die Politik seines Vorgängers Boris Tadic an. Dazu zählt, dass Nikolic nun auch bereit ist, die Gedenkstätte für Srebrenica zu besuchen. Tadic war dort bereits im Jahre 2005 und in seiner Amtszeit verabschiedete das serbische Parlament auch eine Resolution, in der der Völkermord in Srebrenica indirekt anerkannt wurde. In Tadics Amtszeit fielen auch die Verhaftungen der früheren bosnischen Serben-Führer Radovan Karadzic und General Ratko Mladic. Beide müssen sich vor dem Haager Tribunal wegen Srebrenica und anderer Kriegsverbrechen in Bosnien verantworten, beide sind Personen, die Nikolic vor einigen Jahren noch als serbische Helden bezeichnete..
Nikolic hat mit seiner Entschuldigung somit kein staatspolitisches aber sehr wohl persönliches, politisches Neuland betreten. Der Zeitpunkt für diesen Sprung über den eigenen Schatten ist keineswegs zufällig gewählt. In Brüssel hat Serbien jüngst eine erste Vereinbarung zur Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo akzeptiert. Das war eine entscheidende Vorbedingung, damit das Balkan-Land im Juni eine Datum für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen bekommen kann. Doch vor allem in Deutschland, wo der Bundestag zustimmen muss, besteht noch erheblicher Widerstand, und zwar nicht zuletzt gegen Nikolic und seine Aussagen zu Srebrenica. Politologen in Belgrad werteten die Entschuldigung somit als ein Signal Nikolics gegenüber Deutschland. Hinzu kommt, dass nur wenige Stunden nach dieser Entschuldigung EU-Erweiterungskommissar Stefan Fule nach Belgrad kam. Auf dem Programm standen Treffen mit Nikolic, mit Ministerpräsident Ivica Dacic und Alexander Vucic, dem Vorsitzenden der stärksten Regierungspartei SNS. Somit ist klar, dass Nikolic mit seiner neuen Aussage zu Srebrenica Stolpersteine auf dem Weg Serbiens Richtung EU aus dem Weg räumen wollte.