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Vor dem politischen Sturm und der Wende

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Berichte Kroatien
Wenn Kosor daher am 9. Dezember in Brüssel den Beitrittsvertrag unterschreibt, wird sie politisch in Kroatien bereits Geschichte sein. Im 151 Sitze zählenden Parlament dürfte sie nur mehr auf 42 Mandate kommen; 45 könnten es noch werden, wenn die drei Sitze der Auslandskroaten auch dieses Mal an die HDZ gehen. Ob 42 oder 45 ist nicht völlig ohne Belang. Zum einen geht es darum, dass die HDZ mit jedem Mandat mehr auch die Chancen der künftigen Mitte-Links-Regierung schmälert, die für eine Verfassungsänderung nötige Zwei-Drittel-Mehrheit leichter zustande zu bringen. Zweitens geht es auch um das politische Schicksal von Jadranka Kosor. 42 Sitze bedeuteten ein schlechteres Ergebnis als beim Absturz der HDZ im Jänner 2000 nach dem Tod von Staatsgründer Franjo Tudjman. Ob sich Kosor nach einer derartigen Niederlage halten kann, ist offen. Die HDZ braucht jedenfalls eine politische Neuorientierung, doch hinter Kosor sind keine charismatischen Politiker in Sicht, dem derzeit eine Erneuerung der konservativen Partei zugetraut wird.

Für den bevorstehenden Absturz der HDZ gibt es Zwei Gründe, Krise und Korruption. Die Arbeitslosigkeit liegt in Kroatien mit seinen 4,3 Millionen Einwohnern bei mehr als 11, Prozent, die Wirtschaft stagniert, das Durchschnittseinkommen liegt unter 5.400 Kuno (unter 700 Euro), 800.000 Kroaten gelten als Arm, und die ausländischen Direktinvestitionen sanken heure auf unter 500 Millionen Euro, das ist der tiefste Stand seit sieben Jahren. Ein wesentlicher Grund für die Krise sind nicht erfolgte Strukturreformen in Zeiten guter Konjunktur, in der Ivo Sanader Ministerpräsident war. Sanader ist auch das personifizierte Symbol für die Korruption. Sein Prozess vor dem Kreisgericht in Agram flimmert zwei Mal wöchentlich über die Fernsehschirme und erinnert die Kroaten so regelmäßig an die korrupten Praktiken der HDZ, gegen die im Wahlkampf auch noch Anklage wegen Schwarzgeldkonten erhoben wurde. Mit dieser Erblast hat Ministerpräsidentin Jadranka Kosor keine Chance. Ihr Erfolg, die Beitrittsverhandlungen mit der EU abgeschlossen zu haben, wird völlig durch Korruption und Krise überschattet.

Verdrängt wird auch, dass Kosor es war, die nach dem völlig unerwarteten Abgang von Ivo Sanader im Sommer 2009, mit dem Kampf gegen die Korruption wirklich ernst machte und auch Schlüsselgesetze zur Justiz durchbrachte, die eine unabhängige Gerichtsbarkeit erst ermöglichte. Hinzu kommt auch ein neues Gesetz über die Parteienfinanzierung, das die Nutzung illegaler Spenden im Wahlkampf deutlich erschwert hat, und das auch für viele Staaten der EU beispielgebend sein könnte. Wie viel allerdings noch zu tun bleibt, zeigen gerade auch die Wahlen. In Kroatien gibt es knapp 4,1 Millionen Wähler aber nur 4,3 Millionen Einwohner. Wären beide Zahlen richtig, so hätte das Land nur 200.000 Personen, die jünger als 18 Jahre und daher nicht wahlberechtigt sind. Nach der heuer durchgeführten Volkszählung, schätzt das Statistische Zentralamt jedoch, dass fast jeder fünfte Kroate unter 18 ist. Somit klafft zwischen Wählerlisten und Volkszählung eine Lücke von etwa einer halben Millionen Personen. Das Problem ist nicht neu und hängt mit einem schlechten Meldegesetz zusammen, dass Auslandskroaten (vor allem aus Bosnien und Serbien) gestattet, in Kroatien gemeldet zu sein, ohne dort auch zu wohnen.

Ob nach der Wahl politisch nach Jadranka Kosor noch ein Hahn wird krähen, ist somit fraglich. Trotzdem ist der Hahnenschrei derzeit in Kroatien auch das Symbol des Sieges und der Wende. Denn Kikeriki heißt auf Kroatisch Kukuriku – und so heißt auch die Mitte-Links-Koalition, die die nächste Regierung in Kroatien stellen wird. Denn der Koalitionspakt wurde in einem Restaurant bei Rijeka geschlossen, das den Namen Kukuriku trägt, und so taufte ein Journalist das Vier-Parteien-Bündnis Kukuriku-Koalition. Nach Umfragen kann das Vier-Parteien-Bündnis mit 79 Sitzen und damit mit der absoluten Mehrheit rechnen.

Geführt wird die Koalition vom Sozialdemokraten Zoran Milanovic. Der 45-jährige gilt selbst vielen seiner Mitstreiter als arrogant und wenig kommunikativ, dafür aber als anständig, wobei in der Opposition auch nicht allzu große Versuchungen abzuwehren sind. Im Wahlkampf vermied die Koalition klare Aussage zu den unvermeidbar schmerzlichen Reformen und plakatierte stattdessen etwa: „Besser die blaue Adria als der blaue Brief.“ Die neue Regierung wird jedenfalls rasch handeln müssen; zunächst stehen die Ratifizierung des Beitrittsvertrages und dann voraussichtlich im Februar das EU-Referendum bevor. Gleichzeit müssen umfassende Reformen (Gesundheit, Pension, besseres Investitionsklima, Arbeitsmarkt) glaubhaft begonnen werden, um das Vertrauen der Finanzmärkte einigermaßen wieder herzustellen. Zoran Milanovic sagte im Wahlkampf zwar, der Internationalen Währungsfonds sei keine „Hexe“, die man fürchte müsse, bezeichnete aber einen Gang zum IWF als „Kapitulation“; sie könnte der einzige Weg werden, um eine weitere Herabstufung durch Ratingagenturen zu verhindern, die Kredite für Kroatien kaum mehr erschwinglich werden ließe.

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