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Haager Urteil gegen kroatische Generäle

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Kleine Zeitung
Berichte Kroatien


„Ein letztes „Vater unser“ sprachen die etwa Eintausend Demonstranten am Ban Jelasic Platz in Agram bevor das Urteil gegen die drei Generäle vor dem Haager Tribunal verkündet wurde. Versammelten hatten sich Veteranen, aber auch ältere Frauen, Jugendliche und Nationalisten, die die Verkündung des Urteils gegen die drei Generäle vor dem Haager Tribunal auf der aufgestellten Videoleinwand verfolgen wollten. Doch das Gebet der Demonstranten blieb weitgehend wirkungslos; denn nur einen der drei Angeklagten General Ivan Cermak, sprachen die Richter frei.

Mit Entrüstung, Fassungslosigkeit und Tränen reagierten die Demonstranten auf die hohen Haftstraßen für die anderen beiden Angeklagten. Ante Gotovina erhielt 24 und Mladen Markac 18 Jahre. Das Urteil erster Instanz ist noch nicht rechtskräftig. Die Anklage hate für Gotovina 27 und für Markac 23 Jahre gefordert. Beide Generäle fand das Tribunal für schuldig, die Verantwortung für ungesetzliche Angriffe, Mord, Vertreibung, Plünderung in den ehemals mehrheitlich von Serben bewohnten Gebieten (Krajina) zu tragen und nichts gegen derartige Straftaten unternommen zu haben. Ereigent haben sich diese Verbrechen zwischen Juli und September 1995 während der Rückeroberung serbisch besetzter Gebiete durch die kroatischen Streitkräfte. Besonders schwer wiegt die Verurteilung wegen der Teilnahme an einem Verbrecherischen Unternehmen, das von Staatsgründer Franjo Tudjman ausgegangen sei. Sein Ziel sei nicht nur die Befreiung serbisch besetzter Gebiete sondern auch die Vertreibung der serbischen Volksgruppe gewesen, so die Haager Richter. Etwa 200.000 Serben flohen damals, die Zwangsumsiedlung von wenigstens 20.000 wurde in dem Urteilsspruch ausdrücklich erwähnt.

Dass Verbrechen auch in einem Verteidigungskrieg möglich sind, ist für viele Kroaten nach wie völlig unakzeptabel. Nur ein Vertreter einer kroatischen NGO betonnte nach dem Urteil, dass dass nun die Verbrechen während der Operation „Sturm“ im Jahre 1995 nicht mehr infrage gestellt werden könnten. Geschockt reagierte die kroatische Führung. Sie bezeichnete die Wertung des Urteils als völlig unannehmbar für Kroatien. Gehofft wird auf eine andere Bewertung durch die zweite Instanz, denn Gotovina und Markac werden zweifellos berufen. Bis dahin wollen Ministerpräsidentin Jadranka Kosor und Staatspräsident Ivo Josipovic auch im Ausland aktiv werden. Josipovic stellte sich auch vor die Veteranen und sagte:

„Ich bin überzeugt, dass es bei der Verteidigung Kroatiens kein gemeinsames verbrecherisches Unternehmen gab. Vor allem bedeutet diese These nicht, dass alle Angehörigen der kroatischen Streitkräfte und der Polizei an einem verbrecherischen Unternehmen teilnahmen und dass alle Verbrecher sind.“

Auf die Verteranen, die sich am Ban Jelasic Platz versammelten, wird das kaum Eindruck machen. Auf Transparenten bezeichneten sie Josipovic, Kosor und Co. als Verräter und das Haager Tribunal wurde als proserbische Verschwörung des Westens gewertet. Die antiwestliche Stimmung und der Euroskeptizismus dürften in Kroatien nun noch stärker werden. Fahnen gegen die EU wurden viele geschwenkt, und das wenige Monate vor dem Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen und weniger als ein Jahr vor dem kroatischen Referendum über den EU-Beitritt.

Doch nicht nur der beträchtliche Widerstand gegen die EU wiegt in Kroatien, das in einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise steckt, sehr schwer. Hinzu kommt, dass nun wohl auch eine Neuinterpretation der eigenen Geschichte beginnen wird müssen. Wohin die Reise geht, zeigten die serbischen Reaktionen. In Belgrad wurde das Urteil begrüßt, weil nun niemand mehr die „ethnischen Säuberungen“ während des Krieges durch die kroatischen Streitkräfte in Frage stellen könne. Trotzdem gehören gerade die serbisch-kroatischen Beziehungen eigentlich zu den wenigen Lichtblicken am Balkan. Staatspräsident Boris Tadic und Ministerpräsident Jadranka Kosor können auch menschlich miteinander; Tadic hat die kroatische Heldenstadt Vukovar besucht, die monatelang von serbischen Verbänden beschossen wurde und in deren Umgebung 200 kroatische Kriegsgefangene ermordet wurden. Beide Politiker wollen die Frage der Flüchtlinge lösen, wobei eine Geberkonferenz im Herbst konkrete Schritte für die Lösung der Wohnungsfrage setzen soll. Trotzdem bleibt natürlich die Vergangenheit eine Belastung, denn für die Serben ist der Beginn der Operation Anfang August „Sturm“ jedes Jahr ein Grund zu einem Trauergottesdienst, während in Kroatien Sieg und Befreiung gefeiert werden. Der Weg zur Aussöhnung ist eben noch weit – allerdings nicht nur am Balkan. So dauerte es 90 Jahre ehe eine deutsche Bundeskanzlerin nach Paris zu einer Gedenkfeier aus Anlass des Endes des Ersten Weltkrieges eingeladen wurde.

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