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650.000 Unterschriften und doch kein Referendum

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Berichte Kroatien
Am vergangenen Sonntag haben die Kroaten in einem ersten von einer Bürgerinitiative erzwungenen Referendum für die Verankerung der Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau gestimmt. Diese Initiative spaltete die kroatische Gesellschaft massiv. Noch haben sich die Gemüter kaum beruhigt, hat schon die nächste Bürgerinitiative nach eigenen Angaben mehr als 650.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung gesammelt; ihr Ziel ist es, die Rechte nationaler Minderheiten auf zweisprachige Aufschriften und den amtlichen Gebrauch der Muttersprache massiv einzuschränken. Über die Hintergründe dieser Initiative und die Chancen, dass ein derartiges Referendum überhaupt ausgeschrieben wird, berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Initiative zur Einschränkung der Minderheitenrechte tragen vor allem Organisationen kroatischer Kriegsveteranen. Ihre Unterschriftensammlung geht auf den Versuch der Mitte-Links-Regierung zurück, in der Stadt Vukovar vor einigen Monaten den Gebrauch kyrillischer Aufschriften für die serbische Volksgruppe und damit das Gesetz über nationale Minderheiten durchzusetzen. Vukovar wurde im Krieg von der Jugoslawischen Volksarmee nicht nur massiv zerstört, sondern serbische Milizen ermordeten auch etwa 200 kroatische Gefangene. Vukovar gilt als Heldenstadt in Kroatien, hat aber große soziale Probleme, und ist ein besonders sensibles Thema. Die kyrillischen Aufschriften führten zu Massenprotesten der Veteranen, die diese Tafeln zerstörten und begannen, Unterschriften für ein Referendum zu sammeln. Gefordert wird, dass Minderheitenrechte nur dort gelten, wo eine Volksgruppe die Hälfte der Einwohner stellt, also gar keine Minderheit mehr ist. Obwohl die Verfassung derzeit keine Einschränkung für Referenden enthält, ist es de facto auszuschließen, dass die Kroaten über das Begehren abstimmen werden. Dazu sagt in Agram Außenministerin Vesna Pusic:

"Ein derartiges Referendum kann aus vielen Gründen nicht stattfinden. Dazu zählt, dass wir im EU-Beitrittsvertrag die Verpflichtung unterschrieben haben, das Verfassungsgesetz über nationale Minderheiten weiter zu vertiefen und anzuwenden. Das war ein wesentlicher Punkt, damit wir schließlich EU-Mitglied werden konnten. Somit geht es um unsere internationalen Verpflichtungen aber auch um EU-Standards, die wir einhalten müssen. All das zeigt auch, warum dieses Europa so wichtig ist."

De facto würde das Begehren der Veteranen dazu führen, dass Italiener, Tschechen und Ungarn alle Minderheitenrechte verlieren müssten, denn die 50-Prozent-Quote erfüllen nur die Serben in einigen Gemeinden. Mitte-Links-Regierung und größte konservative Oppositionspartei sind daher gegen das Referendum; umstritten ist, wie es verhindert werden soll. Der korrekte Weg bestünde darin, dass das Parlament den Verfassungsgerichtshof beauftrag, die Referendumsfrage zu prüfen. Das hat der sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Milanovic bisher aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Ausgearbeitet werden derzeit eine Änderung von Verfassung und Referendumsgesetz, um Volksabstimmungen künftig zu erschweren und thematisch einzuschränken. Ob eine rückwirkende Anwendung möglich ist, ist ebenfalls umstritten. Sicher ist, dass die Regierung in Vukovar noch viel Überzeugungsarbeit wird leisten müssen, um kyrillische Aufschriften durchzusetzen, obwohl das Gesetz über nationale Minderheiten ohnehin sehr restriktiv ist. Ein Anspruch auf Aufschriften besteht nur, wenn ein Drittel der Bevölkerung einer Minderheit angehört und die Umsetzung ihrer Rechte nicht das Zusammenleben mit der Mehrheit beeinträchtigt. Das betrifft vor allem die Serben in Vukovar; denn im Falle anderer Volksgruppen gibt es zweisprachige Aufschriften auch dort wo diese Quote nicht erfüllt wird.

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