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Kroatien kommt nicht aus der Krise und es droht ein Defizitverfahren der EU

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Berichte Kroatien
Kroatien ist noch nicht einmal ein halbes Jahr Mitglied der EU, doch schon muss Brüssel dem 28. EU-Land mit einem Defizitverfahren drohen. Der Grund: Kroatien kommt einfach nicht aus der Krise. Seit fast fünf Jahren schrumpft die Wirtschaft, und die EU-Prognose für die Jahre 2014 und 2015 geht von einem EU-Defizit von mehr als 60 Prozent aus. Ein höheres Defizit haben in der EU nur noch Zypern und Slowenien. Negativ ist im Falle Kroatiens auch der Ausblick für die Staatsverschuldung, die in den kommenden beiden Jahren deutlich über 60 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung liegen soll. In Agram ist unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz den Ursachen der Krise nachgegangen; hier sein Bericht:

Seit fast zwei Jahren ist nun eine Mitte-Links-Regierung unter dem Sozialdemokraten Zoran Milanovic im Amt; abgelöst hat sie eine konservative Koalition unter Führung der HDZ, die nach vielen Korruptionsaffären vom Wähler in die Opposition geschickt wurde. Viel geändert hat sich durch den Machtwechsel nicht; zwar versucht die Regierung die Schattenwirtschaft besser zu bekämpfen und die Steuermoral zu erhöhen, doch fast jeder fünfte Kroate ist arbeitslos und die Investitionen sind nach dem EU-Beitritt sogar noch gesunken. Daher spricht Maruska Vizek vom Wirtschaftsinstitut in Agram von einer negativen Kontinuität, die die politische Lage in Kroatien prägt:

„Es setzt sich dieselbe Verhaltensweise fort; sprich – die Verantwortung für den Zustand der Wirtschaft und für Strukturreformen wird abgelehnt, weil die Regierung fürchtet an Popularität zu verlieren. So will auch kein Minister klare Einschnitte bei den Ausgaben in seinem Ressort durchführen. Daher gibt es schließlich und endlich auch keine Verbesserung der Wirtschaftslage.“

Doch auch ohne Reformen ist die Zustimmung zur Regierung nun auf den tiefsten Stand seit den Wahlen gesunken. Trotzdem fehlt offenbar der Wille zur Reform staatsnaher Betriebe. Ihre mangelnde Effizienz schildert der Chefvolkswirt der Splitska Banka, Zdeslav Santic, an einem Beispiel:

„Man hat verglichen, wie viele Personen pro Kilometer bei der Straßenbaugesellschaft beschäftigt sind. Herauskam, dass in Kroatien drei Mal mehr Personen beschäftigt sind als bei denselben Unternehmen in Österreich und Slowenien. Das zeigt klar die Ineffizienz. Ähnlich dürfte es bei den anderen Staatsbetrieben sein.“

Ineffizient und wohl auch noch ausreichend korrupt ist auch die lokale Verwaltung. So verloren nach vier Jahren Prozessdauer nun fünf Gemeinden einen Rechtsstreit mit zwei österreichischen Firmen und müssen 10 Millionen Euro Entschädigung zahlen – für eine regionale Müllentsorgungsanlage, die nie gebaut wurde, weil die Baugenehmigung nicht zeitgerecht erteilt wurde. Das ist ein Beispiel für den Reformstau, den Maruska Vizek so beschreibt:

„Die Regierung muss das tun, was sie nicht tun will: dazu zählt die Reform der Verwaltung, wo wir Städte und Gemeinden haben und jede hat irgendeine Zuständigkeit, die dann Investitionen bremst; die Regierung müssten den Markteintritt von Firmen ebenso erleichtert wie das Konkursverfahren. In Kroatien fehlt vielfach Konkurrenz auf dem Markt, weil es Monopole oder Oligopole gibt. Unter diesen Bedingungen können wir als kleines Land nicht erwarten, attraktiv für ausländische Direktinvestitionen zu sein.“

Doch trotz Krise und drohendem EU-Defizitverfahren, sieht Vizek unter dieser Regierung kaum mehr eine Chance für ein Licht am Ende des Tunnels; Maruska Vizek:

„Ich erwarte überhaupt keine ernsthaften Reformen mehr; wenn sie in den ersten beiden Jahren nicht erfolgten, dann ist es aus der politischen Perspektive der Regierung auch nicht opportun, jetzt mit ernsthafteren Reformen zu beginnen. Das ist natürlich sehr besorgniserregend, aber so ist es.“

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