Die Eu als massive Herausforderung für die kroatische Wirtschaft
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Berichte Kroatien
In der Nähe von Agram hat die Firma Valipile ihren Sitz. In ihren Brutkästen produziert sie wöchentlich bis zu 250.000 Küken, die genetisch so modifiziert sind, dass sie entweder für die Fleischproduktion oder als Legehennen zum Einsatz kommen. Zwei Drittel der Eier stammen von kroatischen Bauern, der Rest wird importiert. Valipile hat mehr als 100 Mitarbeiter und einen Marktanteil im Kleinhandel von 40 Prozent. Vor der Konkurrenz aus der EU hat der Qualitätsmanager der Firma, Andrej Alilovic, keine Angst:
„Bei den Preisen sind wir konkurrenzfähig, und wir werden am EU-Markt teilnehmen können. Bei der Geflügelproduktion wird sich durch die EU nichts Besonderes ändern; das ist auch in Slowenien nicht passiert, das ebenfalls über eine starke Produktion verfügt.“
Beschränkt sind die Chancen, den freien Warenverkehr in der EU nutzen zu können. Zu gering sei die Produktionskapazität, zu teuer sei das Marketing, erläutert Alilovic. Dieses Problem haben viele gute Mittelbetriebe. Generell gilt, dass die Wirtschaft unter hohen Lohnkosten und der durch die Krise sinkenden Kaufkraft der Kroaten leidet. Hinzu kommt, dass die Produktivität oft viel niedriger ist als in der EU; außerdem fehlt - von einigen Vorzeigeunternehmen abgesehen - eine konkurrenzfähige Exportwirtschaft. Dazu sagt der Chefvolkswirt der Splitska Banka, Zdeslav Santic:
„Die Schwäche zeigt am besten der Anteil der Exporte an der gesamten Wirtschaftsleistung. In der Region ist ihr Anteil nur noch in Albanien geringer als in Kroatien. Daher kann die Krise durch ausländische Nachfrage nicht überwunden werden. Alle Probleme in Kroatien bestehen bereits seit Jahren. Die einzige bedeutende wirtschaftliche Reform der vergangenen 15 Jahre war die Pensionsreform, und auch die wurde nicht völlig durchgezogen, sondern abgebrochen.“
Experten schätzen, dass mittelfristig ein Fünftel der Industriebetriebe werden umstrukturieren müssen oder nicht überleben werden. Ein Fünftel der Exporte entfallen auf Bosnien und Serbien, die der Freihandelszone CEFTA angehören. Sie muss Kroatien nun verlassen und das Zollregime der EU übernehmen. Exporte werden damit teurer; viele Firmen verlagern daher ihre Produktion in CEFTA-Länder; das wird den kroatischen Arbeitsmarkt weiter belasten. Nicht in Sicht seien viele neue Investoren aus der EU, betont Zdeslav Santic:
„Weltweit haben wir einen Überschuss an Produktionskapazitäten; außerdem sind Investoren vorsichtig, wenn es Südosteuropa betrifft. Mittelfristig wird zwar der Zustrom ausländischer Direktinvestitionen steigen, er wird aber unter dem Vor-Krisen-Niveau bleiben. Abhängen wird das vor allem von Privatisierungen etwa im Energie- und Transportsektor.“
Zu den Sorgenkindern zählt auch die Landwirtschaft. Im Durchschnitt sind die Anbauflächen der 100.000 Bauern zu klein, und Experten fehlen, die bei EU-Förderanträgen helfen könnten. Vor dem Beitritt konnte Kroatien nur ein Drittel der EU-Mittel nutzen, weil es an Projekten fehlte. Angesichts leerer Kassen braucht Kroatien den Geldsegen der EU zur Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur, etwa bei der Abfallwirtschaft, um die EU-Umweltstandards fristgerecht zu erfüllen. Für versäumte Reformen wird Kroatien einen hohen Preis zahlen müssen, dem Land steht in der EU ein schmerzlicher Anpassungsprozess bevor.