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Katholische Kirche und EU

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Berichte Kroatien
Am ersten Juli tritt Kroatien als 28. Mitglied der Europäischen Union bei. Damit wird ein Land aufgenommen, im dem sich mehr als 80 Prozent der Bevölkerung zum katholischen Glauben bekennt. Als Antemurale Christianitatis - als Bollwerk der Christenheit bezeichnete Papst Leo X. die Kroaten im Jahre 1519, weil sie gegen die Ausbreitung des Islam in Europa Widerstand leisteten. Knapp 500 Jahre später weist dieses Bollwerk doch einige Risse auf, allerdings nicht wegen des Islam. Weit schwieriger zu bewältigen sind aus der Sicht der katholischen Kirche Säkularisierung und Wirtschaftskrise; hinzukommt, dass die katholische Kirche in Kroatien auch nicht als besonders inniger Anhänger der EU gilt. Über ihre Vorbehalte gegen und ihre Chancen in der EU hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in ZAGREB mit Vertretern der katholischen Kirche gesprochen. Hier sein Bericht:

Anfang Juni 2011 besuchte Papst Benedikt der XVI. Kroatien Knapp vor dem Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen und ein halbes Jahr vor dem Beitrittsreferendum hatte der Besuch große politische Bedeutung. Bereits unmittelbar nach seiner Landung in Agram bewertete Benedikt der XVI den EU-Beitritt Kroatiens positiv und sagte:

"Von Anfang an gehörte Ihre Nation zu Europa und leistet ihm in besonderer Weise einen Beitrag an geistigen und moralischen Werten. Möge Kroatien durch die Kraft seiner reichen Tradition dazu beitragen, dass die EU diesen geistigen und kulturellen Schatz vollends zur Geltung bringt.“

Die Botschaft wurde vom kroatischen Klerus wohl verstanden, der den Weg in die EU schließlich akzeptierte; seine EU-Skepsis hat vielschichtige Gründe. Einer davon war, dass auch Brüssel darauf bestand, kroatischen Generälen vor dem Haager Tribunal den Prozess zu machen, Verfahren, die schließlich alle mit nicht unumstrittenen Freisprüchen endeten. Hinzu kommen Ängste vor Identitätsverlust und der Aushöhlung traditioneller Werte in einem Europa, das immer weniger christliche Züge trägt. Doch die Katholische Kirche sah und sieht auch die positiven Seiten des Beitritts. Dazu sagte der Direktor der katholischen Universität in Agram Zeljko Tanijc:

„Die Kirche war nie gegen die EU, obwohl der Beitritt für einige vielleicht kein Herzensanliegen war. Aber die Kirche insgesamt war nicht dagegen, wobei gewisse Motive möglicherweise falsch waren, weil man in der EU immer eine Abkehr vom Balkan sah. Wir sind am Balkan, so nehmen uns andere war, doch das wollen wir nicht zugeben. Wir sehen uns als Teil Mitteleuropas und des mediterranen Raums, und die EU ist eine Art Rückkehr nach Hause.“

Von der Bischofskonferenz vor mehr als zehn Jahren gegründet zählt die Universität 240 Studenten, bis zu 3.000 sollen es werden. Die große Mehrheit sind Studentinnen, und Zeljko Tanijc sieht natürlich die Vorteile, die die EU seinen Hörerinnen bieten wird. Tanijc verweist darauf, dass Kroatien erst etwas mehr als 20 Jahre ein eigner Staat sei, eine Unabhängigkeit, die auf dem Schlachtfeld erkämpft werden musste. Daher bestünden zweifellos Ängste, dass Brüssel nun die Rolle spielen werde, die früher Belgrad gespielt habe. Zeljko Tanijc:

„Das größte Problem dürfte sein, dass unsere Eliten die EU so dargestellt haben als würden wir vom ehemaligen Jugoslawien nun in die EU kommen, sprich, das nun die EU alles diktiert. Nicht kommuniziert wurde, dass Vieles noch in der nationalen Gesetzgebung bleibt, trotz gewisser Tendenzen in der EU, Kompetenzen stärker an sich zu ziehen. So gab es immer den Eindruck: Brüssel sagt etwas, und das müssen wir nun tun, aber so ist es nicht.“

Auch das Katholische Radio befasste sich natürlich regelmäßig mit dem EU-Beitritt. Der Sender hat eine nationale Frequenz und nach eigenen Angaben etwa 100.000 Hörer. Einmal im Monat waren EU-Experten und Betroffene wie Bauern oder Unternehmer Gast im Studio und die Hörer konnten Fragen stellen. Zu ihren Sorgen und zur Aufklärungsarbeit des Senders im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt sagt Chefredakteur Anto Mikic:

„Wir haben versucht, unseren Hörern klar zu machen, dass viele weltanschauliche Themen wie Bildung, Kultur und Familienrechte nach dem Beitritt in der Zuständigkeit Kroatiens bleiben. Zweitens haben wir vermittelt, dass der weltanschauliche Einfluss nicht an den EU-Grenzen endet, sondern durch Medien und Internet viel stärker verbreitet wird als durch offizielle Kanäle. Daher wird Kroatiens Position besser sein, wenn wir dort mit am Tisch sitzen, wo diese Themen erörtert werden. Wahr ist, dass es viele derartige Ängste gab, doch wahr ist, dass sie auch auf mangelndes Wissen zurückzuführen waren.“

Wie wichtig vielen Kroaten gerade das Thema Familie ist, zeigte jüngst eine Aktion für die Verankerung der Definition der Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Verfassung. Mit Unterstützung aller Kirchen sammelten die Initiatoren binnen zwei Wochen 750.000 Unterschriften. Damit unterschrieb jeder fünfte Wahlberechtigte, und noch heuer wird in Kroatien ein Referendum über dieses Volksbegehren stattfinden. Doch es wäre falsch, wegen dieses Erfolges den Einfluss der Katholischen Kirche zu überschätzen, betont Zeljko Tanijc:

„Der Einfluss der katholischen Kirche ist viel geringer als manche denken, und Kroatien ist viel säkularer als allgemein angenommen. So war es die konservative Partei HDZ, die das Gesetz gegen Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts verabschiedet hat; anderseits stammt unser Gesetz über die Abtreibung aus dem Jahre 1978 und damit aus kommunistischer Zeit. Unser Staatspräsident ist Agnostiker, unser Regierungschef ist Atheist und diesen beiden Gruppen gehört unsere wissenschaftliche Elite an. Es gibt keinen Bereich, wo die Regierung eine konservative Haltung eingenommen hätte. Natürlich gibt es bei uns noch einen traditionellen Katholizismus, der aber mehr traditionell als katholisch ist. Das gilt für die Ehe und andere Werte, die man bewahren will, wie die Kampagne für das Referendum gezeigt hat.“

Fraglich ist daher, in welchem Ausmaß Kroatien tatsächlich ein katholisches Land ist. Zwar gibt es keinen Priestermangel wie in Westeuropa, doch die Zahl der Kinder sinkt und immer mehr junge Menschen leben ohne Trauschein zusammen. Weltanschaulich dient die Kirche der Mitte-Linksregierung als willkommener Reibebaum, denn eine linke Handschrift ist in der Wirtschafts- und Sparpolitik nicht erkennbar. Deswegen kritisieren bekannte kroatische Laien die Regierung aber auch die EU. Zu ihnen zählt Neven Simac, Mitglied der Kommission Justitia et Pax der katholischen Bischofskonferenz:

„Wird der Beitritt Kroatiens die katholische Dimension der EU stärken? Da bin ich mir vor allem deshalb nicht sicher, weil ich sehe, wie sehr die EU, vor allem die Kommission, vor Neoliberalismus und Globalisierung in die Knie gegangen sind. Grund dafür ist, dass alle linke Parteien in Europa das ebenfalls getan haben und zwar unter der Prämisse, es gebe keine Alternative. Doch es gibt sie. Aus unserer Erfahrung mit dem Kommunismus heraus wollen wir nicht, dass unsere Kinder beeinflusst werden durch eine Ideologie des Neoliberalismus, der in Wahrheit ein sehr ärmlicher Materialismus ist. Dadurch wird der Mensch nichts anderes mehr als ein Konsument und Produzent.“

Neven Simac ist einer der Berater der kroatischen Bischöfe in Fragen der EU. Was er sich von der Union als Kroate und Katholik erwartet formuliert Neven Simac so:

„Die EU besteht auf der sozialen Marktwirtschaft. So warten wir alle darauf, dass die EU dieses verrückte Finanzkapital stopp. Noch wichtiger ist für uns Kroaten der Schutz der Arbeitsplätze. Arbeit ist Teil der Würde des Menschen; doch in der EU verschwinden Arbeitsplätze. Das Sozialdumping, das aus Asien kommt und auch auf Kosten der Umwelt erfolgt, muss gestoppt werden. Schließlich hoffen wir, dass das Subsidiaritätsprinzip in der EU beachtet wird, weil viele Kroaten befürchten, dass nun die Souveränität beschränkt wird.

Der 70ig-jährige Neven Simac ist Jurist, hat mehr als 20 Jahre in Frankreich gelebt und war Berater für die Europäische Investitionsbank in Kroatien. Simac sieht daher auch die Chancen, die der EU-Beitritt der katholischen Kirche bietet. Sie wird nun Vollmitglied in der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaften, die ihren Sitz in Brüssel hat. Damit besteht die Möglichkeit, die Entwicklung der EU zu beeinflussen, weil mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nun eine Rechtsgrundlage für einen regelmäßigen Dialog zwischen der EU und den Kirchen besteht.
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