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Kroatien vor der ersten Wahl zum Europaparlament

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Berichte Kroatien
Kroatien wird am 1. Juli als 28. Mitglied der EU beitreten. Damit verbunden sind auch 12 Abgeordnete im Europaparlament. Sie werden bereits am kommenden Sonntag zum ersten Mal in der Geschichte des Balkanlandes gewählt. Der ist enorm; um die 12 Sitze werben 336 Kandidaten auf 28 Listen. Chancen auf den Einzug haben nach Umfragen aber nur drei Wahlwerbende Gruppen; dazu zählen das Bündnis, das die stärkste Regierungspartei, die Sozialdemokraten, mit ihrem liberalen Koalitionspartner HNS und der Pensionistenpartei geschlossen haben, sowie die Liste, die die größte Oppositionspartei, die HDZ mit kleineren Rechtsparteien bildet. Weit geringer als der Andrang an Listen und Kandidaten dürfte jedoch die Wahlbeteiligung sein, berichtet aus Kroatien unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In Kroatien muss man genau hinschauen, um im Straßenbild einen Hinweis auf die Wahlen zum Europaparlament zu entdecken. Nur die zwei großen Lager verwenden Wahlplakate; sie sind dünn gesät, zündenden Parolen fehlen. Die regierende Mitte-Links-Koalition wirbt mit dem Slogan „Mutig nach Europa“ und der Botschaft, dass man im EU-Parlament zuhören und mitgestalten könne. Die konservative Oppositionspartei HDZ plakatiert „Die Kraft des europäischen Kroatien“. Meinungsforscher erwarten am Sonntag eine Beteiligung von nur 20 bis 30 Prozent. Die Kampagne analysiert der Meinungsforscher Milan Bagic so:

„Die Regierungskoalition versucht europäische Werte zu bewerben wie etwa Toleranz. Aber sie vermittelt nur schlecht, was Abgeordnete zum Europaparlament eigentlich tun; so ist das mehr eine ideologische Kampagne. Die HDZ führt einen sehr zurückhaltenden Wahlkampf und kritisiert vor allem die Regierung mit innenpolitischen Argumenten. Auch diese Kampagne befasst sich nicht mit europäischen Themen.“

Für eine Teilnahme wirbt Staatspräsident Ivo Josipovic, etwa bei einer Diskussion mit Jus-Studenten an der Universität von Agram; Ivo Josipovic:

„Wir können mitentscheiden und sind nicht nur mehr Objekt von Beschlüssen. Dabei können wir unsere Interessen in der EU stärken. Daher ist es wichtig zu wählen und zu verstehen, dass wir neben der kroatischen nun unsere europäische Identität aufbauen.“

Als der Präsident fragt, wer nicht wählen wird, zeigen doch gar nicht so wenige Zuhörer auf. Nach fünf Jahren Wirtschaftskrise und bei einer Arbeitslosigkeit von 20 Prozent hat die Masse der Kroaten im Grunde andere Sorgen. Aber auch die EU ist in der Krise; bei einer vorwiegend von älteren Parteimitgliedern besuchten Kundgebung in der Hafenstadt Rijeka geht der sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Milanovic auf diesen Umstand ein; Zoran Milanovic:

"Wir treten diesem Europa in einem Augenblick bei, der möglicherweise der komplizierteste seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist. Was sind unsere Chancen? Wir treten nicht als statistische Fehlerquote bei, obwohl wir nur 4,5 Millionen sind; wir treten als kleiner Staat bei, der weiß, was er sein und werden kann und was nicht. Dazu zählt das Bewusstsein, dass man nach Regeln spielen muss, und dass man sich auch auf den Märkte im Westen behaupten muss."

Fraglich ist, wie gut Kroatien vorbereitet ist, um sich in der EU behaupten zu können? Außenministerin Vesna Pusic urteilt so:

"Verglichen mit anderen EU-Mitgliedern liegt Kroatien mehrheitlich im guten Durchschnitt. Und seit dem Jahre 2004 ist kein Land derart vorbereitet der EU beigetreten wie Kroatien. Das ist nicht unser Verdienst, sondern das ist einfach das Ergebnis der Umstände, die die EU gelehrt haben, einfach viel anspruchsvoller bei ihren Kriterien zu sein."

Anderseits glaubt kaum ein Experte, dass die kroatische Verwaltung in der Lage sein wird, den möglichen Geldsegen aus Brüssel entsprechend abrufen zu können; hinzu kommt die geringe Wettbewerbsfähigkeit vieler Betriebe. Eine erste Bilanz des Beitritts wird vielleicht im Juni 2014 möglich sein, wenn in der ganzen EU das EU-Parlament gewählt wird. Gewählt wird dann wieder auch in Kroatien, so dass den Abgeordneten die nun am Sonntag bestellt werden, eine nur sehr kurze Amtszeit beschieden sein könnte.

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