Vor dem Referendum
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Berichte Kroatien
„Sind Sie für die Mitgliedschaft Kroatiens in der EU?“ lautet die Frage auf dem Stimmzettel für das morgige Referendum, wobei darunter dann Ja oder Nein anzukreuzen ist. Bei einer Straßenbefragung in Agram und bei Gesprächen mit Kroaten bekommt man zum Teil bizarre Antworten, und zwar vor allem von EU-Gegnern:
„Sie sind kein richtiger Österreicher. Wären Sie einer, dann hätten Sie gesagt, dass dieses Europa keine Beziehung zum Hirn hat. Schauen Sie doch was passiert, Rumänien, Griechenland, Italien, Spanien, ihnen geben nun die Geld, die etwas haben, uns werden sie auch Geld geben, da ist doch keine Logik dahinter.“
Und ein zweiter Mann ergänzt:
„Sie haben die Neutralität aufgegeben, Österreich ist kein neutrales Land mehr, denn die EU vernichtet die Neutralität.“
Dass in Österreich das Neutralitätsgesetz noch in Kraft ist, davon ließ sich der Kroate nicht überzeugen. Eine 21-jährige Kroatin dagegen sieht für die EU überhaupt keine Zukunft:
„Ich werde teilnehmen und dagegen stimmen, weil die EU zerfällt und viele Mitglieder austreten wollen.“
Rationaler klingt da schon ein Student, der auf die Krise der EU Bezug nimmt:
„Ehrlich, ich glaube nicht, dass die EU uns derzeit allzu viel Gutes bringt. Seien wir doch realistisch – wir jagen einem sinkenden Schiff hinterher. EU, Titanic, Kroatien, da gibt es schöne Verbindungen.“
Dagegen begründen die EU-Befürworter ihr Ja mit wirtschaftlichen Argumenten, mit der Rückkehr Kroatiens nach Europa, aber auch mit der Friedensordnung, die von der EU ausgehe, und die gerade für Kroatien wichtig sei, liege der jüngst Krieg doch erst 15 Jahre zurück. Doch auch EU-Befürworter, wie der Philosoph Zarko Puhovski, sehen die Kampagne für die EU-Volksabstimmung kritisch:
„Inhaltlich zeigt die Kampagne nur eine Seite, weil wir heute in einer Situation sind, dass im Parlament mehr als 99 Prozent der Abgeordneten für den EU-Beitritt sind. In der Gesellschaft liegt dieses Verhältnis bei 55 zu 45 Prozent; so gibt es im politischen Leben keine Vertretung der politischen Positionen, die in der Gesellschaft vorhanden sind. Doch auch in den anderen Staaten, die vor allem nach dem Jahre 2000 der EU beigetreten sind, herrschte fast überall eine derartige einseitige Propaganda-Situation.“
Eine Ablehnung wäre denn auch völlig konträr zur politischen und gesellschaftlichen Elite, denn für den Beitritt ist auch die katholische Kirche. Hinzu kommt, dass die vorwiegend nationalistischen Gegner keine gemeinsame Plattform fanden, und natürlich auch über kein Geld verfügen. Um Skeptiker zu überzeugen, war die neue kroatische Außenministerin Vesna Pusic in den vergangenen zwei Wochen im Dauereinsatz. Sie betonte immer wieder die große finanzielle Unterstützung, die Kroatien für Reformen und Modernisierung aus Brüssel erwarten können. Trotzdem sieht Pusic in der EU viel mehr; und die 58-jährige erinnert auch an das Wendejahr 1989 als die Berliner Mauer fiel; Vesna Pusic:
„Im Jahre 1989 schien es mir, dass Kroatien die EU in zwei drei Schritten erreichen kann. Seit damals sind 23 Jahre vergangen und heute stehen wir an der Schwelle. Für mich bedeutet das die Erfüllung der Verpflichtung meiner Generation gegenüber unserem Land. Das ist das, was wir unseren Nachfahren hinterlassen können, eine – soweit das in der Politik möglich ist - Dauerhaftigkeit politischer Institutionen, die Kroatien in den vergangenen 150 Jahren niemals gehabt hat.“
In diesem Sinn wird ein Ja der Kroaten auch ein weiterer Schritt zur Stabilisierung des Balkan sein, auf dem viele Ländern noch einen steinigen Weg Richtung Stabilität und Frieden vor sich haben.