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Kroatien vor dem politischen Erdrutsch

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Berichte Kroatien
In Kroatien wird morgen das Parlament neu gewählt. Mehr als 300 Parteien und Listen mit mehr als 4.300 Kandidaten bewerben sich um die 151 Mandate im kroatischen Parlament. Entscheidend ist jedoch nur der Zweikampf zwischen der konservativen Ministerpräsidentin Jadranka Kosor und ihrer Partei HDZ und der Mitte-Links-Koalition unter Führung des Sozialdemokraten Zoran Milanovic. Während umfragen Milanovic die absolute Mehrheit voraussagen, muss Kosor mit einem politischen Absturz rechnen. Über die Gründe für die Wende berichtet aus Kroatien unser Balkan Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Hahnenschrei ist derzeit ein gutes politisches Symbol für die Lage in Kroatien. Denn Kikeriki heißt auf Kroatisch Kukuriku – und so heißt die Mitte-Links-Koalition, die die nächste Regierung stellen wird. Denn der Koalitionspakt wurde in einem Restaurant bei Rijeka geschlossen, das den Namen Kukuriku trägt, und so taufte ein Journalist das Vier-Parteien-Bündnis Kukuriku-Koalition. Zu ihr gehört die liberale Volkspartei HNS, die mit Vesna Pusic auch die Außenministerin stellen wird. Pusic war bisher Vorsitzende des EU-Ausschusses im Parlament und hat große außenpolitische Erfahrung. Bewusst ist sie sich aber auch der enormen Probleme, die in Kroatien zu meistern sind. Vesna Pusic:

„Das Durchschnittsalter des Pensionisten ist 54 Jahre. Das ist eine wirtschaftliche aber auch eine außerordentliche soziale Frage, weil man Leute zwischen 30, 40 und 50 Jahren in die Pension gedrängt hat, obwohl sie noch vieles arbeiten können. Hier müssen wir jedem die Chance geben, dass er einen Arbeitsplatz findet; denn derzeit haben wir nur etwas mehr als 50 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung auch tatsächlich im Erwerbsleben.“

Noch schlimmer als Demographie und Sozialstruktur sind die wirtschaftlichen Kennzahlen. Die Arbeitslosigkeit liegt in Kroatien mit seinen 4,3 Millionen Einwohnern bei mehr als 11 Prozent, die Wirtschaft stagniert, das Durchschnittseinkommen liegt unter 700 Euro, 800.000 Kroaten gelten als arm, und die ausländischen Direktinvestitionen sanken heure auf unter 500 Millionen Euro, das ist der tiefste Stand seit sieben Jahren. Doch aus Angst vor den Wählern vermied es die Kukuriku-Koalition, ein klares Bild der Krise zu zeichnen und plakatierte stattdessen: „Mit drei Gehältern im Plus, und nicht im Minus am Konto, dass es zum Weinen ist“ oder „Statt hoher Arbeitslosigkeit hohes Wirtschaftswachstum“ Und auch Spitzenkandidat Zoran Milanovic verkündete eher Gemeinplätze:

„Sparen heißt, vernünftig zu sein, und so viel auszugeben, wie man hat; doch gleichzeitig darf man die Nachfrage nicht abwürgen, denn das führt weiter in die Rezession; das ist sehr kompliziert und dafür gibt es kein klares Rezept, vor uns stehen große Herausforderungen und einige unbekannte Variablen.“

Kaum Variablen enthält der Wahlausgang am Sonntag, denn alle Umfragen sind eindeutig. Im Parlament mit seinen 151 Abgeordneten kann die Kukuriku-Koalition mit 79 Sitzen und damit mit der absoluten Mehrheit rechnen. Die HDZ unter Jadranka Kosor kommt nur noch auf 42 bis 45 Sitze, das entspricht dem Ergebnis beim politischen Absturz im Jänner 2000 nach dem Tod von Staatsgründer Franjo Tudjman. Den Erfolg des EU-Beitritts überdeckten Wirtschaftskrise und Skandal-Chronik mit Ivo Sanader in der Hauptrolle. Der Prozess gegen ihn wegen illegaler Provisionsannahme erinnert die Kroaten regelmäßig an die Beziehung zwischen Korruption und HDZ, gegen die im Wahlkampf auch noch ein Verfahren wegen Schwarzgeldkonten eingeleitet wurde. Dankbarkeit ist keine politische Kategorie, und so wird es auch Jadranka Kosor niemand danken, dass sie es war, die mit dem Kampf gegen Korruption wirklich ernst gemacht hat in Kroatien. Fraglich ist daher, ob sie politisch überleben, und nach der morgigen Wahl in der HDZ noch ein Hahn nach ihr krähen wird.

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