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Wahlkampf zwischen falschen Zahlen und Sexismus

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Berichte Kroatien
In Kroatien wird am Sonntag das Parlament neu gewählt. Mehr als 300 Parteien und Listen mit mehr als 4.300 Kandidaten bewerben sich um die 151 Mandate im kroatischen Parlament. Nach allen Umfragen steht der regierenden konservativen Partei HDZ unter Jadranka Kosor eine klare Niederlage bevor. Denn den erreichten Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen überschatten Wirtschaftskrise und Korruption. Neuer Ministerpräsident dürfte Zoran Milanovic werden; der 45-jährige Sozialdemokrat führt eine vier Parteien-Koalition, deren Aufgabe auch die Ordnung der Wählerlisten sein dürfte, die in Kroatien durchaus Anlass zum Zweifel daran geben, wie geordnet dieser Staat ist. Aus Kroatien berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In Kroatien gibt es knapp 4,1 Millionen Wähler aber nur 4,3 Millionen Einwohner. Wären beide Zahlen richtig, so hätte das Land nur 200.000 Personen, die jünger als 18 Jahre und daher nicht wahlberechtigt sind. Nach der heuer durchgeführten Volkszählung, schätzt das Statistische Zentralamt jedoch, dass fast jeder fünfte Kroate unter 18 ist. Somit klafft zwischen Wählerlisten und Volkszählung eine Lücke von etwa einer halben Millionen Personen. Das Problem ist nicht neu und hängt mit einem schlechten Meldegesetz zusammen. Seine Folgen erläutert Dragan Zelic von der Nicht-Regierungsorganisation GONG, die in Kroatien Wahlen überwacht:

„Wir haben vor allem kroatische Staatsbürger aus Bosnien und Herzegowina, die in Kroatien gemeldet sind, aber hier nicht mehr leben. Gleiches gilt für kroatische Staatsbürger, die nun in Serbien leben. Sie scheinen automatisch im kroatischen Melderegister auf. Das schafft natürlich Möglichkeiten zur Wahlmanipulation. Daher muss das Meldegesetz geändert werden. Es darf nur mehr einen Wohnsitz geben, und dann werden auch die Wählerverzeichnisse in Ordnung kommen.“

GONG ist jedoch nicht die einzige Nicht-Regierungs-Organisation in Kroatien, die mit Regierung und Parteien unzufrieden ist. Kritik kommt auch von der Frauen-Organisation CESI; sie verweist darauf, dass die meisten Kandidatenlisten die Frauenquote von 40 Prozent nicht erfüllen, die im Gesetz über die Gleichberechtigung vorgeschrieben ist. Im Parlament dürfte daher wieder nur etwa jeder vierte Abgeordnete eine Frau sein, obwohl doch Jadranka Kosor die Regierungspartei HDZ führt. Dazu sagt Tajana Broz, von CESI:

„Vor vier Jahren wurde im Wahlprogramm der HDZ nur vom Kindergelt nach der Geburt gesprochen, und das Wort Frau kam überhaupt nur ein Mal vor. Im aktuellen Wahlprogramm werden die Diskriminierung zu ersten Mal anerkannt und die Gleichberechtigung als grundlegender Wert der Gesellschaft eingeführt. Hier gibt es also kleine Fortschritte, doch trotz Jadranka Kosor ist die Partei männlich dominiert, vor allem auf lokaler Ebene.“

CESI prämierte im Wahlkampf auch wieder die sexistischste Aussage eines Politikers. Der Preis ging an den stellvertretenden Parlamentspräsidenten Vladimir Seks von der HDZ; einer sozialdemokratischen Oppositionspolitikerin, die gerne im Fitnessklub turnt, entgegnete Seks:

„Sie wollen über Moral sprechen – wo ist denn ihr Mann, etwa im Gefängnis? Mir werden sie nichts über Moral erzählen! Verhalten Sie sich anständig, ebenso wie beim Striptease-Tanz um die Stange.“

Bei der Wahl selbst dürfte die HDZ nicht genügend Wähler bei der Stange halten können, um an der Macht zu bleiben. Zugute halten muss man Jadranka Kosor jedoch, dass sie mit dem Kampf gegen die Korruption wirklich ernst gemacht hat – und zwar auch durch ein neues Gesetz über die Parteienfinanzierung, das die Nutzung illegaler Spenden im Wahlkampf deutlich erschwert hat, und das auch für viele Staaten der EU beispielgebend sein könnte.

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