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Die kroatische Kirche und der Papst

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Berichte Kroatien
Es gibt wohl nur wenige Länder die ein Papst binnen weniger als 20 Jahren so oft besucht hat wie Kroatien. Drei Mal war Papst Johannes Paul II in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik und am ersten Juni-Wochenende wird nun auch sein Nachfolger, Benedikt XVI, Kroatien besuchen. Höhepunkt des Besuches wird die Heilige Messe auf der Pferderennbahn in Agram am Sonntag sein. 85 Prozent der Bevölkerung Kroatiens sind Katholiken, und der binnen zwei Jahren vorgesehene Beitritt Kroatiens zur EU wird auch das katholische Element in Europa stärken. Die Beitrittsverhandlungen mit Brüssel stehen vor dem Abschluss, und interessant wird daher auch sein, ob sich der Papst zur EU-Perspektive äußern wird. Nach Umfragen sind etwa 40 Prozent der Kroaten gegen die EU und auch im Klerus herrscht eine beträchtliche EU-Skepsis. Über die Bedeutung des bevorstehenden Papstbesuches und über die Lage der katholischen Kirchen in Kroatien hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz den folgenden Beitrag für die Praxis gestaltet:

Als Antemurale Christianitatis - als Bollwerk der Christenheit bezeichnete Papst Leo X. die Kroaten im Jahre 1519, weil sie gegen die Ausbreitung des Islam in Europa Widerstand leisteten. Knapp 500 Jahre später weist dieses Bollwerk doch einige Risse auf, allerdings nicht wegen des Islam. Weit schwieriger zu bewältigen sind aus der Sicht der katholischen Kirche Säkularisierung und Wirtschaftskrise; jeder Fünfte ist arbeitslos und das Vertrauen in die konservative Regierung ist gering. Ihr größter Erfolg ist der bevorstehende Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen, doch die EU-Skepsis ist groß. Papst Benedikt XVI kommt somit in einer für Kroatien entscheidenden und schwierigen Zeit; der Vatikan ist für den EU-Beitritt Kroatiens und das kann mäßigend auf die lokale Kirche wirken, wie der Professor für Philosophie an der Universität Agram, Zarko Puhovski betont:

„Der Besuch ist wichtig wegen des katholischen Klerus, der mehrfach sehr klar den Standpunkt vertreten hat, wir wollen die EU nicht, wenn sie vor dem Haager Tribunal unsere Generäle verurteilen; wir wollen nicht auf den Knien in die EU und auch nicht, wenn sie uns unsere Souveränität und Identität nehmen. Zwar weiß ich nicht, was Europa mit unserer Identität anfangen sollte und warum sie so wichtig sein sollte. Doch der Besuch des Papstes ist für den inneren Zusammenhalt und für die zivile Kultur innerhalb der Kirche sehr wichtig, nicht aber für Kroatien als Staat, weil die EU-Beitrittsverhandlungen bereits erledigt wurden.“

Ein klares Bekenntnis der Kirche zur EU ist jedenfalls nicht zu erwarten, betont in Agram der Chefredakteur der katholischen Wochenzeitung, Stimme des Konzils, der Geistliche Ivan Miklenic:

„Was die EU betrifft, so steht die Kirche auf dem Standpunkt, dass jeder Bürger nach seinem Gewissen entscheiden muss. Als Kirche werden wir keinesfalls ein Ja oder ein Nein empfehlen, sondern sagen: überlege und wähle das, was Du für das Bessere hältst!“

Die Angst vor Identitätsverlust und vor der Aufweichung der Ehe zählen zu den Gründen auch kirchlicher EU-Skepsis. Hinzu kommt die massive Kritik am Haager Tribunal. Die hohen Haftstrafen gegen zwei kroatische Generäle wegen der Vertreibung der serbischen Zivilbevölkerung wirkten Mitte April wie ein Schock. Schließlich wurden nicht nur Generäle, sondern auch der verstorbene Staatsgründer Franjo Tudjman verurteilt, und zwar wegen der Teilnahme an einem sogenannten gemeinsamen kriminellen Unternehmen im Jahre 1995 bei der Rückeroberung serbisch besetzter Gebiete. Dieses Urteil kommentiert Ivan Miklenic so:

„Eine siegreiche Armee hat sich bisher nie vor einem internationalen Gericht verantworten müssen. Das ist der erste Präzedenzfall; der zweite ist die Erfindung des gemeinsamen verbrecherischen Unternehmens, das im Völkerrecht nicht vorkommt und nicht ein Mal im Statut des Haager Tribunals existiert. Mit dieser Straftat kann man jeden anklagen, wenn man will, einfach jeden Soldaten. Das ist ein derart schrecklicher Präzedenzfall, wenn das zur Praxis wird, dann weiß ich nicht, wer noch unschuldig sein kann auf dieser Welt.“

In der dalmatischen Küstenstadt Split sitzt einer der wenigen Geistlichen, der diese Meinung auch öffentlich nicht teilt. Es ist dies der 75-jährige Don Ivan Grubisic; er gilt als Intellektueller und Linksabweichler in der Amtskirche; ihr wirft er nicht nur mangelnde Ökumene, sondern auch vor, sich der eigenen Vergangenheit zu wenig zu stellen. Don Ivan Grubisic:

Die Kirche hat ein Gebet für die Generäle vor dem Urteil organisiert, weil sie davon überzeugt war, dass alle freigelassen werden. Als sie nicht freigelassen wurden, war die internationale Gemeinschaft schuld. Also man will die eigene Schuld, das eigene Verbrechen nicht zugeben, damit man die angebliche Glaubwürdigkeit nicht verliert. Jede Glaubensgemeinschaft, hier sehe ich auch Hindernisse für die Ökumene, hält ihre Standpunkte für absolut wahr, und andere versieht sie mit einem Fragezeichen. Deswegen ist es schwierig zur Ökumene zu kommen, weil man das Minimum der gemeinsamen Werte nicht akzeptiert. Hier sehe ich keine Bereitschaft, weder bei den kleineren Glaubensgemeinschaften noch bei der katholischen Kirche.

Keine Hoffnungen verbindet Grubisic mit dem Papstbesuch:

„Vom Besuch von Benedikt XIV erwarte ich mir nichts. Sein Vorgänger Karol Wojtyla war drei Mal in Kroatien und hier geht alles immer mehr bergab. Selbst wenn Gott vom Himmel herabsteigen sollte wird er nichts ändern können, wenn wir in Kroatien nicht unsere Denkweise ändern.“

Bei seinen Gottesdiensten hat der streitbare Priester an Sonntagen großen Zulauf. … Als wir beim ihm in Split sind, stehen bei der 11 Uhr Messe auch sechs Taufen auf dem Programm. Kroatien hat eine niedrige Geburtenrate und auf einen Pensionisten kommt beinahe bereits ein Erwerbstätiger. Trotzdem steht die Kirche der künstlichen Befruchtung sehr kritisch gegenüber und das wiederum kritisiert Grubisic:

„Die Kirche hat Fehler gemacht, was die künstliche Befruchtung betrifft. Die Kirche vertritt immer noch den Standpunkt, dass das naturwidrig und unmoralisch ist, und sie ist dagegen. In Kroatien werden 4000 Kinder durch künstliche Befruchtung geboren: Die größte Freude einer Familie ist es, ein Kind zu bekommen; man hat Recht dazu, wenn es natürlich nicht geht, zu einer wissenschaftlichen Methode zu greifen.“

Noch kennt die katholische Kirche keinen Priestermangel und der Statistik nach ist Kroatien ein katholisches Land. Doch Angaben über die Zahl der regelmäßigen Kirchgeher sind nicht zu bekommen. Dazu sagt der Professor für Philosophie, Zarko Puhovski:

„Nominell sind 85 Prozent Katholiken. Doch die Realität zeigt sich daran, wie sich die Menschen im Krieg oder bei der Privatisierung benommen haben. “Du sollst nicht stehlen!“ ist eines der zehn Gebote, doch das hat die vielen Katholiken nicht beeinflusst, die mit gleicher Freude gestohlen haben wie frühere Kommunisten. Anders gesagt – ich glaube das der Unterschied zwischen Gläubigen und Taufscheinkatholiken dramatisch ist, doch das wahre Ausmaß kennen nur die Priester, und die schweigen.“

Enorm ist die Teilnahme am Religionsunterricht; in höheren Klassen soll auch sozialer und kirchlicher Druck im Spiel sein, doch der Vorwurf ließ sich nicht beweisen. Mit dem Ergebnis selbst ist die Kirche jedoch nicht wirklich zufrieden; das bestätigt der Chefredakteur der Kirchenzeitung, „Stimme des Konzils“, Ivan Miklenic:

„Wir können nicht sagen, dass dieser Unterricht wirklich Gläubige hervorbringt. Uns wird daher immer bewusster, dass wir wieder an der Katechese in den Pfarren arbeiten müssen, damit Menschen den Glauben auch praktizieren, beten, zur Messe gehen und auch karitativ tätig sind.“

Das Konkordat sowie andere Gesetze gewähren der Katholischen Kirche auch in finanzieller Hinsicht durchaus eine privilegierte Stellung, obwohl die Rückgabe von Kircheneigentum noch nicht abgeschlossen ist, das in kommunistischer Zeit beschlagnahmt wurde. Diese Zeit wirke bis heute noch nach, und einzelne Pfarren müssten noch immer viel zu große Einzugsgebiete abdecken, sagt Ivan Miklenic:

„Wir haben Pfarren mit 30.000 Gläubigen. Da ist es klar, dass wird dort nie auf ein Verhältnis von 5.000 Gläubigen zu einem Geistlichen kommen können. Doch wir werden versuchen, dort wenigstens zwei Pfarren zu bilden, und viele wurden so geschaffen.“

Mit fast 35 Millionen Euro finanziert der Staat die katholische Kirche in diesem Jahr. Und jüngst vereinbarten Ministerpräsidentin Jadranka Kosor und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Marin Srakic, dass der Staat auch die Personalkosten in katholischen Privatschulen übernimmt. Spätestens im März stehen Wahlen bevor; die Regierung muss enttäuschte konservative Stammwähler zurückholen; eine erfolgreiche Tourismussaison und der Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit der EU sollen ebenso zu dieser politischen Trendwende beitragen wie auch der Papst, der am Samstag in Kroatien erwartet wird.

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