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Kroatien in der Krise auf der Zielgeraden Richtung EU

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Berichte Kroatien
Gelingt es Kroatien tatsächlich wie erhofft die Beitrittsverhandlungen mit der EU bis Ende Juni abzuschließen? Diese Frage wird in Kroatien immer heftiger diskutiert je näher das ominöse Datum rückt. 28 der 35 Kapitel sind ausverhandelt, doch noch hat die Regierung einige harte Nüsse zu knacken. Aufschluss über die Chancen erwartet sich Agram heute vom Besuch von EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso und von Erweiterungskommissar Stefan Füle. Beide sind in Kroatien als erster Station einer Minitour durch vier Staaten des Balkan. In Agram ist auch unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, der den folgenden Bericht über die Lage in Kroatien und den Stand der Beitrittsgespräche gezeichnet hat:

In den vergangenen Wochen demonstrierten Tausende Menschen gegen die konservative Regierungskoalition unter Jadranka Kosor. Grund dafür war eine allgemeine Unzufriedenheit, die durch die soziale Krise noch verschärft wird. Zwar waren es keine Massen, die auf die Straße gingen, und die Demonstrationen verebben zusehens, doch die Unzufriedenheit bleibt. Diese Proteste richteten sich auch gegen die EU. Dazu sagt in Agram der Philosoph Zarko Puhovski:

„In der EU sieht die radikale Linke das Kartell aller Kartelle und damit eine Ansammlung des Großkapitals. Dagegen sieht die radikale Rechte die EU als Art Staubsauger, der nationale Souveränität, Tradition und Kultur aufsaugt. Mit diesen Demonstrationen wächst die Europhobie, denn ich würde nicht mehr nur von Euroskeptizismus sprechen. Daher kann man ruhig sagen: sollten die Beitrittsverhandlungen nicht Ende Juni abgeschlossen werden, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass man keinen positiven Ausgang des Referendums erwarten kann, und zwar unabhängig vom Termin der Abstimmung.“

Vielleicht ist diese Sicht allzu pessimistisch. Doch viele Kroaten würden bei einem Herbsttermin nicht verstehen, was über die politische Sommerpause noch umgesetzt werden könnte, sollte das Verhandlungsende nicht überhaupt in den Winter rücken. Der magische Begriff dabei lautet „track record“, auf Deutsch etwa Erfolgsbilanz. Denn es geht in Kroatien weniger um neue Gesetze, sondern vor allem um deren Umsetzung, die die EU-Kommission einfordert. Der größte Stolperstein auf dem Weg zum Abschluss bis Ende Juni ist das Kapitel Justiz und Grundgerechte. Das betrifft den Kampf gegen die Korruption auch auf unterer Verwaltungsebene und durch Gerichtsurteile, die Umsetzung der Justizreform, die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal oder die Flüchtlingsrückkehr. Dazu sagt die Vorsitzende des EU-Ausschusses im kroatischen Parlament, Vesna Pusic:

„Was die Lösung der Wohnungs-Probleme der Rückkehrer betrifft, so werden einige Tausend Wohnungen sicher nicht in den nächsten drei oder sechs Monaten gebaut werden können, doch ein Plan dafür muss bestehen, der umgesetzt wird. All diese Dinge sind machbar. Doch am Ende von Verhandlungen sind nicht mehr nur die Kriterien wichtig, sondern auch der politische Beschuss. Somit hängt von uns viel ab, doch vieles hängt auch vom politischen Willen der EU ab.“

Einfluss auf die Willensbildung dürfte auch die Reaktion auf das Urteil gegen General Ante Gotovina vor dem Haager Tribunal haben, das in einer Woche erwartet wird. Angeklagt ist der General wegen Verbrechen an Serben während der Rückeroberung kroatischen Territoriums. Unkluge Reaktionen auf das Urteil, wie immer es ausfällt, könnten Kroatien schaden, das wegen der lange vergeblichen Suche nach Gotovina bereits ein Jahr auf dem Weg Richtung EU verloren hat.

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