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Montgomery kritisiert Haager Tribunal

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Berichte Kroatien
Jahrelang galt das Haager Tribunal als unantastbare Institution. Kritik kam vor allem von serbischer Seite und das wurde oft als reine Unterstützung für mutmaßliche Kriegsverbrecher gewertet. Doch nun mehrt sich auch die Kritik durch Juristen und Diplomaten aus westlichen Staaten, etwa an zu langer Verfahrensdauer oder an drastischen Änderungen von verhängten Strafen zwischen den Instanzen. Zu diesen Kritikern zählt auch der ehemalige amerikanische Botschafter William Montgomery, der jüngst seine Erinnerungen veröffentlichte, die bisher allerdings nur in kroatischer Sprache vorliegen. Mit William Montgomery hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Agram über das Haager Tribunal gesprochen; hier sein Bericht:

Der 64-jährige William Montgomery blickt auf eine lange Balkan-Erfahrung zurück. 1975 war er zum ersten Mal als Diplomat in Belgrad. Jahrzehnte später diente er den USA als Botschafter in Kroatien und nach dem Sturz von Slobodan Milosevic im Oktober 2000 als Botschafter in Serbien. Im Februar 2004 endete seine diplomatische Kariere. In den Jahren in Belgrad hatte er massiven Druck auszuüben, um die Zusammenarbeit zwischen Serbien und dem Haager Tribunal voranzutreiben. Dabei erlebte Montgomery die damalige Chefanklägerin des Tribunals, Karla Del Ponte, hautnah mit. Die Art ihres Auftretens und ihrer medialen Präsenz habe dem Tribunal am Balkan und seinen Zielen geschadet, betont William Montgomery:

„Wäre sie überhaupt nie in die Region gekommen, wäre das für jeden besser gewesen; es wäre leichter gewesen, die Regierungen dazu zu bringen, mit dem Tribunal zusammen zu arbeiten, es hätte weniger Nationalismus in diesen Ländern gegeben und unser Job wäre viel einfacher gewesen. Denn jedes Mal wenn sie kam, machte sie es viel schwerer, irgendjemanden an das Tribunal auszuliefern und steigerte nur nationalistische Spannungen.

Diese Meinung teilten weitere zwei US-Botschafter; gemeinsam versuchten sie daher die Wiederbestellung Del Pontes als Chefanklägerin zu verhindern. Warm das nicht gelang, erläutert Montgomery so:

„Das scheiterte, weil gerade zu dieser Zeit, die USA mit der UNO in der Frage des Irak beschäftigt waren. Darauf konzentrierte sich die gesamte Energie der Regierung. Die Realität ist, als die Wiederwahl von Karla Del Ponte anstand, signalisierte die EU ziemlich schnell, dass sie damit kein Problem habe; hätten sich die USA dem widersetzt, hätte es in der EU einige Probleme hervorgerufen aber auch innerhalb der UNO. Das brauchten wir damals aber nicht, entschied unser Außenminister. Daher akzeptierte er unsere Empfehlung nicht. Das war für ihn völlig untypisch, weil er für die Unterstützung seiner Leute vor Ort bekannt war.“

Kritik übt der ehemalige US-Diplomat aber auch an den Verfahren selbst; William Montgomery:

„Das Grundproblem ist, dass das Tribunal auf seinen Platz in der Geschichte schaut. Es blickte auf das Tribunal von Nürnberg, das sehr schnell war, und in späteren Jahren auch kritisiert wurde, weil die Prozesse vielleicht nicht so fair waren, wie sie hätten sein sollen usw. Das wollte das Haager Tribunal auf jeden Fall vermeiden. Doch wenn ein Prozess fünf Jahre dauert, dann ist etwas nicht in Ordnung. Wenn jemand drei oder vier Jahre im Gefängnis sitzt, ohne dass das Hauptverfahren stattfindet und darauf warten muss, dass die Anklage den Fall vorbereitet, dann gibt es ein Problem. Das ist ein Problem dieser Verfahrensordnung, die weder in ihrem Land noch in meinem besteht, doch beim Tribunal dauernd auftaucht.“

Außerdem habe das Tribunal die meisten Anklagen leider nicht bereits in der Ära von Slobodan Milosevic sondern erst erhoben, als in Serben bereits eine demokratische Regierung an der Macht war. Und auch dann seien die Anklagen nicht auf ein Mal, sondern nur schrittweise veröffentlicht worden. Das habe die Angst bei Militär und Polizei verstärkt und die Arbeit der Regierung erschwert. Die generelle Bewertung der Erfolge des Tribunals durch William Montgomery fällt jedenfalls ernüchtern aus:

„Einer der Hauptgründe für die Schaffung des Haager Tribunals war, die Aussöhnung am Balkan voranzutreiben. An diesem Ziel ist es aus meiner Perspektive völlig gescheitert. Keiner in Kroatien glaubt, dass das Tribunal fair und unparteiisch ist; keiner glaubt das in Serbien; vielleicht gibt es einige in Bosnien oder im Kosovo, das weiß ich nicht. Doch es erreicht nicht das, was angeordnet war.“

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