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Nationalbankpräsident Rohatinski zur Wirtschaftslage

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Berichte Kroatien
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch Kroatien massiv getroffen. Im Vorjahr verzeichnete das kroatische Bruttoinlandsprodukt einen Rückgang von fast sechs Prozent. Und für heuer, für das entscheidende Jahre der EU-Beitrittsverhandlungen, rechnen Wirtschaftsexperten bestenfalls mit einer Stagnation der Wirtschaft oder sogar mit einem neuerlichen Rückgang um mehr als zwei Prozent. Über die Ursachen dieser Krise und über die Maßnahmen, die Kroatiens Regierung treffen muss oder müsste, hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Zagreb mit Zeljko Rohatinski, dem Präsidenten der kroatischen Nationalbank gesprochen; hier sein Bericht:

In Kroatien hat die Krise die jahrelang verschleppten Strukturreformen und die in vielen Sektoren mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit der kroatischen Wirtschaft schonungslos offengelegt. Dazu zählt die Tatsache, dass der Anteil der Exportwirtschaft ohne den Dienstleistungssektor nur bei etwa einem Viertel der gesamten Wertschöpfung liegt. Kroatien lebte einigermaßen gut vom Tourismus und den ausländischen Direktinvestitionen, die sich 2009 jedoch auf etwa 1,7 Milliarden Euro halbiert haben. Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand wird immer schlechter, die Banken vergeben kaum Kredite, und die kroatische Exportwirtschaft ist zu schwach, um Wachstumsmotor sein zu können. Darin sieht auch der Präsident der kroatischen Nationalbank, Zeljko Rohatinski, eines der grundlegenden Probleme, die Kroatien lösen muss:

„Der Anteil der Exportwirtschaft in Kroatien an der gesamten Wirtschaft ist noch immer deutlich kleiner als in vergleichbaren Ländern selbst wenn man den Dienstleistungssektor einbezieht. Das ist das grundlegende Strukturproblem der kroatischen Wirtschaft. Im Jahre 2009 kam es zu einem beträchtlichen Rückgang der Exporte um etwa 17 Prozent im realen Sektor; das war einer der Schlüsselfaktoren für den Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,8 Prozent im Jahre 2009.“

Doch eine konkurrenzfähige, starke Exportwirtschaft lasse sich nicht über Nacht aufbauen, so unumgänglich notwendig sie für das kleine Kroatien auch sei, betont Rohatinski. Für sein Land hat der Nationalbankpräsident noch eine weitere schlechte Nachricht parat. Zeljko Rohatinski:

„Tatsache ist, dass die Erholung in der Euro-Zone langsamer von statten gehen wird als das früher erwartet wurde. Somit können wir nicht erwarten, dass die Nachfrage nach kroatischen Waren ausreichend stark sein wird, um eine wirtschaftliche Ausweitung bereits im Jahre 2010 zu ermöglichen. Andererseits wird das die bestehenden negativen Tendenzen nicht vertiefen. Daher rechnen wir, dass 2010 vor allem ein Jahr der Stagnation sein wird.“

Rohatinski geht davon aus, dass die Auslandsverschuldung Kroatiens von 93 Prozent heuer auf 100 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung steigen wird. Das sei finanzierbar, doch müsse die Regierung endlich die Ausgaben senken und schmerzliche Strukturreformen durchführen; Zeljko Rohatinski:

„Unter den gegeben Bedingungen ist es nötig, das Budgetdefizit zu verringern, aber nicht durch eine Erhöhung der Steuern, sondern durch eine Verringerung der Ausgaben. Diese Ausgaben können gesenkt werden, ohne rezessive Effekte zu haben. Natürlich setzt die Senkung der Ausgaben bestimmte Strukturreformen und Gesetzesänderungen voraus, die bisher die Grundlage für diese Budgetausgaben waren. Das sind natürlich politisch sensible Fragen, und es ist an der Regierung, das politische Risiko zu bewerten, dass diese Reformen in sich tragen könnten.“

Zu diesen Reformen zählen der Kampf gegen die Korruption und vor allem der Abbau der Bürokratie und eine effizientere Verwaltung. Über diese Probleme klagen seit Jahren ausländische Investoren, ohne dass es zu spürbaren Verbesserungen gekommen wäre. Kroatien hat 4,4 Millionen Einwohner; jeder 11. Kroate arbeitet im öffentlichen Sektor, in Slowenien sind es um ein Drittel weniger, in Deutschland um die Hälfte, listete jüngst eine kroatische Tageszeitung auf. Hinzu kommen enorme Ausgaben etwa für Soziales und Gesundheit. Acht Prozent der Wirtschaftsleistung fließen in Kroatien in den Sektor Gesundheit; trotzdem sind viele Spitäler vielfach hoch verschuldet, und genießen einen nur mäßigen Ruf. Die Reformkraft der kroatischen Regierung will Zeljko Rohatinski nicht eindeutig bewertet; überzeugt ist er jedoch, dass Kroatien die EU-Beitrittsverhandlungen wie geplant heuer abschließen kann.

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