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Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten Ivo Josipovic

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Berichte Kroatien
In Kroatien findet am Sonntag die Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten statt. Klarer Favorit ist der sozialdemokratische Oppositionspolitiker Ivo Josipovic. In Umfragen führt er mit mehr als zehn Prozentpunkten vor dem Agramer Bürgermeister Milan Bandic, der als unabhängiger Kandidat antritt. Josipovic zentrales Wahlkampfmotto lautet „Gerechtigkeit für Kroatien“. In diesem Sinne hat er sich vor allem den Kampf gegen Korruption und Kriminalität auf die Fahnen geheftet. Im Wahlkampf begleitet hat Ivo Josipovic unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, der auch das folgende Interview mit dem sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten geführt hat:

Der grauhaarige, mittelgroße Brillenträger Ivo Josipovic vermittelt dem Betrachter einen fast phlegmatischen Eindruck. Selbst im Wahlkampf spricht er mit sehr ruhiger Stimme; große Gesten und Emotionen sind seine Sache nicht. Beeindruckend ist der Lebenslauf des 1957 in Zagreb geborenen Josipovic; Kompositionsausbildung an der Musikakademie, Jus-Studium in Zagreb, Universitätsprofessor für Internationales Strafrecht; der Kampf für Rechtsstaat und gegen Korruption sind seine zentralen Anliegen. Das betrifft auch den laufenden Wahlkampf; die Wählerlisten sind sehr veraltet, und das Gesetz über die Finanzierung des Wahlkampfs enthält nicht ein Mal eine Strafbestimmung. Daher verspricht Ivo Josipovic:

„Als Präsident werde ich darauf bestehen, dass diese Probleme gelöst werden. Die Wählerlisten sind veraltet und sie ermöglichen Wahlbetrug; natürlich müssen auch die Parteienfinanzierung und die Finanzierung der Kampagne für die Präsidentenwahl reformiert werden. Auch in diesem Wahlkampf hatten wir Fälle, wo Kandidaten viel mehr Geld ausgaben als sie in ihren Berichten angegeben haben. Diese Verstöße kann man nur beseitigen, wenn es ernsthafte Strafen dafür gibt.“

Beschränkte Zuständigkeiten hat der kroatische Präsident auf dem Gebiet der Außenpolitik. Bessere Beziehungen zu den Nachbarn und der Beitritt zur EU sollen daher Josipovics Schwerpunkte sein. Zu den Hürden, die dabei noch zu nehmen sind, sagt Ivo Josipovic:

„Die größten Herausforderungen sind die Reform des Justizwesens und der Verwaltung sowie die Menschenrechte. Hier gibt es noch Fragen aus dem Krieg, wie den Wiederaufbau und die Rückkehr. Das ist am dringendsten; doch wir haben auch das Grenz-Problem mit Slowenien. Kroatien hat einen Vertrag akzeptiert, der vielleicht nicht der beste ist, was die territoriale Integrität betrifft; trotzdem ist das ein Weg, das Problem zu lösen, damit Kroatien ohne diese Hypothek der EU beitreten kann.“

Im Parlament in Zagreb stimmte Ivo Josipovic gegen die Schiedsgerichtsvereinbarung mit Slowenien, die den Grenzstreit entschärfte und die EU-Beitrittsverhandlungen wieder in Gang brachte. Im Falle seiner Wahl werde er den Vertrag achten, betont Ivo Josipovic:

„Ich muss diesen Vertrag achten, das Parlament hat ihn ratifiziert und als internationaler Vertrag steht er in Kroatien sogar über der einfachen Gesetzgebung. Doch als Präsident werde ich mich gemeinsam mit der Regierung bemühen, dass Kroatien auf bestmöglichste Weise und durch die besten Experten vor dem Schiedsgericht vertreten ist. Daher hoffe ich, dass die Gefahr eines ungerechten und unvorteilhaften Spruchs für Kroatien vermindert wird.“

Josipovic war einer der Autoren jener Klage, mit der Kroatien im Jahre 1999 Serbien vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Völkermordes belangt hat. Serbien antwortete jüngst mit einer Gegenklage, befürwortet aber einen außergerichtlichen Vergleich. Diese Möglichkeit schließt auch Ivo Josipovic nicht aus:

„Die Klage entstand zu einer Zeit als in Serbien nicht der Wille vorhanden war, einige wichtige Probleme zu lösen; dazu zählen das Schicksal der Vermissten und die Rückgabe erbeuteter Kulturgüter sowie die Bestrafung von Kriegsverbrechern. Seit damals ist viel Zeit vergangen, und die Dinge haben sich zum Besseren gewendet. Serbien und Kroatien arbeiten bei der Klärung des Schicksals der Vermissten und der Verfolgung von Kriegsverbrechern zusammen. Für mich ist die Klage kein Selbstzweck; wenn die Überzeugung entsteht, dass die gerechten Forderungen Kroatiens ohne Gericht schneller, billiger und besser gelöst werden können, warum sollte es dann nicht dazu kommen.“

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