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Interview mit Staatspräsident Stipe Mesic

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Berichte Kroatien
Am 27. Dezember findet in Kroatien die erste Runde der Präsidentenwahl statt. 12 Kandidaten treten an; klarer Favorit ist der Sozialdemokrat Ivo Josipovic, aber klar ist auch, dass die Entscheidung über den künftigen Präsidenten erst in der zweiten Runde am 10. Jänner fallen wird. Mit der Wahl geht auch die Amtszeit von Staatspräsident Stipe Mesic dem Ende zu. Mesic darf nach seinem zweiten Mandat nicht mehr kandidieren. 10 Jahre war Stipe Mesic Präsident, und in diesen 10 Jahren hat sich Kroatien sehr stark verändert. Über diese Entwicklung und über die Lage am Balkan hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz mit Stipe Mesic in Zagreb gesprochen und den folgenden Beitrag gestaltet:

Stipe Mesic ist der zweite Präsident des unabhängigen Kroatien und Nachfolger von Staatsgründer Franjo Tudjman, der im Dezember 1999 verstorben ist. Tudjman und seine Partei HDZ hatten Kroatien zwar erfolgreich durch den Krieg, durch ihre nationalistische Politik aber auch in die Isolation geführt. Mesics Aufgabe bestand daher darin, gemeinsam mit der neuen Mitte-Links-Regierung diese Isolation zu beenden und die Kräfteverhältnisse in Kroatien zu ordnen. Denn Franjo Tudjman verfügte über eine große Machtfülle. Dazu sagt Stipe Mesic:

„Meine erste Aufgabe war, die Position des Staatspräsidenten neu zu bestimmen; mit anderen Worten, wir wollten die parlamentarische Demokratie in Kroatien durch eine Änderung der Verfassung festigen. Das haben wir sehr schnell erledigt. Die zweite Aufgabe war, Kroatien aus der Isolation zu führen. Das war nur als Rechtsstaat möglich, und wir mussten uns gegenüber Europa und der Welt öffnen. Das geschah in meiner ersten Amtszeit auch durch die Individualisierung der Schuld; das half uns bei der Öffnung gegenüber der Region. Denn für Verbrechen sollten die verantwortlich sein, die sie begangen oder angeordnet hatten.“

Individualisierung der Schuld hieß nichts anderes als die umfassende Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Diese Aufgabe war zunächst nicht leicht, weil die nationalistischen Kräfte noch immer sehr stark waren. Leichter wurde diese Aufgabe erst, als 2004 eine reformierte HDZ an die Macht zurückkehrte, die ebenfalls hinter dieser Zusammenarbeit stand. Im Dezember 2005 konnte mit General Ante Gotovina der letzte mutmaßliche Kriegsverbrecher in Spanien verhaftet werden. Bereits zwei Monate vorher begannen die Beitrittsverhandlungen mit der EU. Diesen Augenblick wertet Mesic als den schönsten in seiner zehnjährigen Amtszeit. Den Abschluss der Verhandlungen erwartet er im kommenden Jahr. Weniger optimistisch sieht Mesic die EU-Perspektive des übrigen ehemaligen Jugoslawien. Vor allem die Stabilität Bosniens werde mit Hilfe aus Belgrad in Frage gestellt, kritisiert Mesic:

„Wir haben den Kroaten in Bosnien die klare Botschaft gesandt: eure Hauptstadt ist Sarajewo und eure Politik müsst ihr in Sarajewo gestalten. Aus Belgrad haben wir diese Botschaft gegenüber den bosnischen Serben noch nicht gehört. Das offizielle Serbien sagt, dass die Einheit Bosniens nicht in Frage steht. Gleichzeitig unterstützt Serbien jedoch kompromisslos den Regierungschef des serbischen Teilstaates; dieser sagt: ich erkenne Bosnien und Herzegowina nicht an, für uns ist Sarajewo nicht die Hauptstadt, und eines Tages werden wir uns abspalten.“

Doch auch der EU wirft Mesic eine inkonsequente Politik gegenüber der Region vor; als Beispiele nennt er Bosnien und den Kosovo; dieser hat im Februar 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, das bisher jede regionale Zusammenarbeit des Kosovo mit anderen Staaten zu erschweren sucht. Stipe Mesic:

„Am meisten schadet der Region, dass die EU in Bosnien und Herzegowina den Vertreter der internationalen Gemeinschaft nicht ausreichend unterstützt; denn Valentin Inzko ist machtlos ohne die Unterstützung jener, die ihn entsandt haben. Dann kann er nur schwer gegen die separatistischen Bestrebungen des Regierungschefs des serbischen Teilstaates ankämpfen. Außerdem ist eine klare Haltung gegenüber Serbien nötig. Serbien muss den Kosovo nicht anerkennen, doch dem Kosovo muss ermöglicht werden, mit der Region zu kommunizieren. Das liegt in unsere aller Interesse.“

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