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Kroatien von der Isolation zur Integration

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Am 27. Dezember findet in Kroatien die erste Runde der Präsidentenwahl statt. 12 Kandidaten treten zur ersten Runde, doch klarer Favorit ist der Sozialdemokrat Ivo Josipovic. Mit der Wahl geht auch die Amtszeit von Staatspräsident Stipe Mesic dem Ende zu. Mesic darf nach seinem zweiten Mandat nicht mehr kandidieren. 10 Jahre war Stipe Mesic Präsident, und in diesen 10 Jahren hat sich Kroatien sehr stark verändert. War Kroatien zu Beginn von Mesics erster Amtszeit außenpolitisch isoliert, so ist das Land heuer bereits in die NATO aufgenommen worden. Mesics zweiter Amtszeit endet im Februar nächsten Jahres, und in diesem Jahr hofft Kroatien auch, die Beitrittsverhandlungen mit der EU abschließen zu können. Dieser Entwicklung ist unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz nachgegangen; er hat den folgenden Beitrag über Kroatien von der Isolation zur Integration gestaltet.

Das Staatsbegräbnis von Präsident Franjo Tudjman Anfang Jänner 2000 in Agram war ein Massenereignis. Zehntausende Kroaten gaben ihrem verstorbenen Staatsgründer das letzte Geleit, während USA und EU keine hochrangigen Vertreter entsandt. Denn Tudjman hatte sein Land zwar erfolgreich durch den Krieg, durch seine nationalistische Politik aber auch in die Isolation geführt. Die Gründe für diese Isolation analysiert Tudjmans Nachfolger, der amtierende kroatische Präsident Stipe Mesic rückblickend so:

„Das Problem von Präsident Franjo Tudjman war seine Fehleinschätzung während des Krieges. Tudjman dachte, dass die Welt und Europa eine Teilung Bosniens wünschten, und er war überzeugt, dass Slobodan Milosevic die offene Unterstützung von Ost und West habe, Serbien den größten Teil Bosniens einzuverleiben. Daher sollte sich ein Teil Bosniens auch an Kroatien orientieren. Das waren Fehleinschätzungen, die uns sehr teuer zu stehen kamen. Die Kriege gingen zu Ende, die Welt erlaubte die Teilung Bosniens nicht, doch die Folgen dieser Politik dauerten an, und Kroatien geriet in die Isolation durch Europa.“

Anders als in Serbien ermöglichte Tudjmans Tod in Kroatien einen völlig demokratischen Machtwechsel. Ihrer Führerfigur beraubt verlor die nationalistische Partei HDZ die Parlamentswahl klar und Ende Jänner 2000 wurde der Sozialdemokrat Ivica Racan Chef einer Mitte-Linksregierung. Anfang Februar siegte der linksliberale Politiker Stipe Mesic im zweiten Durchgang der Präsidentenwahl, die Wende in Kroatien war geschafft. Seinen Überraschungssieg verdankte Mesic nach Ansicht des Philosophen Zarko Pukovski damals seiner klaren Rolle als „Anti-Tudjman“; Zarko Puhovski:

„Mesics größter Vorteil war, dass er dem Präsidentenamt ein menschliches Antlitz verliehen und das Amt entmystifiziert hat. Dazu zählt, dass er einer Beschneidung seiner Kompetenzen zugestimmte, die er von Franjo Tudjman ererbt hat, und das ist wahrlich eine Seltenheit für einen Politiker. Außerdem hat Mesic viel offener mit den Medien und auch mit der einfachen Bevölkerung kommuniziert, was noch viel wichtiger ist. Gut kommuniziert hat Mesic auch mit dem Ausland, mit unterschiedlichen parlamentarischen Mehrheiten, und viel hat er auch erreicht bei der Normalisierung mit den Nachfolgerepubliken des ehemaligen kommunistischen Jugoslawien.“

Mesic und Ministerpräsident Ivica Racan gelang es, die Beziehungen zum Haager Tribunal und damit zur Europäischen Union zu verbessern. Beides war alles andere leicht, denn die nationalistischen Kräfte waren zwar politisch geschwächt aber keineswegs verschwunden. Außerdem hatte die Regierung Racan mit einer weitgehend korrumpierten Justiz und einer daniederliegenden Wirtschaft zu kämpfen. Trotzdem gelangen beachtliche Erfolge im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und in der Verbesserung der Infrastruktur. Der rasche Ausbau des Autobahnnetzes ist bis heute das Aushängeschild Kroatiens, das auch für jeden Touristen sichtbar ist. Trotzdem reichte es für den wenig charismatischen Racan Ende 2003 nicht zur Wiederwahl und unter Ivo Sanader kehrte die HDZ an die Macht zurück. Sanader hatte die Partei nach Tudjmans Tod übernommen und binnen vier Jahren zu einer pro-europäischen Kraft geformt. Der Preis dafür war jedoch hoch, wie der Philosph Zarko Puhovski betont:

„Die Welle an Korruptionsfällen, mit denen wir nun konfrontiert sind, ist eine direkte Folge des Versuchs von Ivo Sanader, die HDZ zu zivilisieren. Um aus der HDZ, einer überwiegend primitiv-nationalistischen Partei, eine zivilisierte Partei zu machen, musste Sanader den Leuten etwas geben, die ihn unterstützten. Und er gab ihnen die Möglichkeit zur Korruption. In welchem Ausmaß Sanader das tun musste oder in welchem Ausmaß das das System Sanader war, wird man erst sehen.“

Trotzdem zählt die Transformation der HDZ ebenso zu den bleibenden Verdiensten Sanaders wie die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU im Oktober 2005 und der Beitritt Kroatiens zur NATO im April dieses Jahres. Möglich wurde diese Entwicklung, weil unter Sanader im Dezember 2005 mit General Ante Gotovina der letzte gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher in Spanien verhaftet werden konnte. Doch ebenso wie Stipe Mesic wird Ivo Sanader den EU-Beitritt Kroatiens nur in der politischen Pension erleben. Den Grenzstreit mit Slowenien, der die Verhandlungen mit der EU blockierte, konnte Sanader nicht lösen und im Sommer dieses Jahres er zurück. Diese Lösung gelang seiner Nachfolgerin Jadranka Kosor, die ein schweres Erbe angetreten hat. Denn in seinen fünf Jahren als Ministerpräsident war Ivo Sanader weit wenig erfolgreich im Kampf gegen Korruption und bei der Reform von Justiz, Wirtschaft und Verwaltung. Transparenz und Effizienz sind in Kroatien beinahe noch ein Fremdwort, wie Zorislav Petrovic von Transparency International erläutert:

„Als Steuerzahler kann man die Einsicht in das städtische Budget verlangen, um etwa einsehen zu können, ob die Asphaltierung der eigenen Straße vorgesehen ist. Doch diese Daten bekommt man nur sehr schwer. Ich selbst habe im Jahr 2000 eine Wohnung gekauft. Doch ich habe sechs Jahre warten müssen, bis ich durch das Grundbuchamt einen Auszug über das Eigentum erhalten habe. In dieser Zeit ist es mir nie gelungen, herauszufinden, was eigentlich geschieht, ob ich noch ein Dokument beibringen muss, wo mein Akt liegt.“

Mangelnde Transparenz zeigt sich auch im politischen Leben, wie Zorislav Petrovic von ebenfalls kritisiert:

„Das Gesetz über die Wahlkampffinanzierung für das Amt des Staatspräsidenten hat nur sieben Paragraphen. Berücksichtigt muss man, dass der erste sagt, mit diesem Gesetz wird die Finanzierung der Wahl des Präsidenten geregelt und der siebente Paragraph festlegt, wann das Gesetz in Kraft tritt. Somit gibt es nur fünf inhaltliche Artikel zur Finanzierung, und im Gesetz gibt es nicht ein Mal eine Strafbestimmung für den Fall des Verstoßes.“

Korruption und die grassierende Wirtschaftskrise sind denn auch die beherrschenden Themen des laufenden Präsidentschaftswahlkampfs mit seinen 12 Kandidaten. Auch sie zeigen, dass der Nationalismus als politische Kraft bedeutungslos ist; Unter den fünf aussichtsreichsten Bewerbern ist kein Nationalist; und Franjo Tudjmans Sohn, der ebenfalls antritt, hat nicht ein Mal Chancen auf einen Achtungserfolg. Doch welche Rolle soll der dritte Staatspräsident nach Franjo Tudjman und Stipe Mesic in Kroatien spielen? Dazu sagt der Philosoph Zarko Puhovski:

„Jetzt scheint die Zeit gekommen zu sein, dass das Pendel nicht mehr von einem zum anderen Extrem ausschlägt, sondern sich Richtung Mitte bewegt; somit wird jetzt ein Präsident kommen, der nicht mehr im Banne eines seiner beiden Vorgänger steht, sondern wie ein guter Schiedsrichter in einem Fußballspiel funktioniert. Er soll solange nicht sichtbar sein, solange es nicht zu Störungen im politischen System kommt.“

Am reibungslosen Machtwechsel herrscht jedenfalls kein Zweifel; dazu hat Stipe Mesic als Präsident auch beim zweimaligen Regierungswechsel in Kroatien einen wesentlichen Beitrag geleistet. Und was wird der künftige Altpräsident in seiner Pension tun? Dazu sagt Stipe Mesic:

„Ich werden lebenslang ehemaliger Präsident und in diesem Sinne auch eine öffentliche Person sein.“

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