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Kritische Wirtschaftslage in Kroatien

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Berichte Kroatien
Ende der Woche werden die Beitrittsverhandlungen zwischen Kroatien und der EU wieder aufgenommen. Sie waren wegen des Grenzkonflikts mit Slowenien neun Monate blockiert. In diese neuen Verhandlungen geht Kroatien mit einer Wirtschaft, die von der internationalen Krise gezeichnet ist, die aber auch durch mangelnde Reformen im Land selbst belastet wird. Bereits drei Mal musste die Regierung das Budget in diesem Jahr anpassen, eine Krisensteuer auf alle Einkommen von mehr als 400 Euro einheben und die Mehrwertsteuer um ein Prozent auf 23 Prozent erhöhen. Besorgniserregend ist vor allem die Auslandverschuldung, die mit knapp 40 Milliarden Euro bereits 85 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung erreicht hat. Über die Wirtschaft in Kroatien berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Etwa ein Fünftel der Wirtschaftsleistung entfällt in Kroatien auf den Tourismus. In diesem Wirtschaftszweig ist der befürchtete katastrophale Rückgang um bis zu einem Viertel ausgeblieben. Trotzdem werden die Rekordeinnahmen des Vorjahres von 7,5 Milliarden Euro eindeutig verfehlt werden, erläutert der Tourismusexperte Miroslav Dragicevic:

„Wenn man den Rückgang von sieben bis acht Prozent bei den Übernachten mit den Preisen kombiniert, die ebenfalls um bis zu acht Prozent niedriger waren, dann kommt man auf einen realen Rückgang der Einnahmen in den Hotels von etwa 15 Prozent. Mit den Zahlen bei Privatunterkünften und Campingplätzen verbessert sich zwar die Nächtigungszahl, doch evident sind geringere Ausgaben. Daher gehen wir derzeit davon aus, dass Kroatien bei den Tourismuseinnahmen einen Rückgang zwischen 700 Millionen und einer Milliarden Euro verzeichnen wird.“

Diese Rückgänge haben nicht nur mit der Krise, sondern mit den Strukturproblemen zu tun, die auch die kroatische Tourismuswirtschaft kennzeichnen: zu kurze Saison, zu wenig kleine und mittlere Hotels, ein Preis-Leistungsverhältnis, das oft nicht stimmt und Säumigkeit in der Privatisierung, sind doch noch immer bis zu 25 Prozent der Hotels im Staatsbesitz. Hinzu kommt, dass sich der Tourismus nur auf die Küste erstreckt. Wie unterentwickelt der „Urlaub am Bauernhof“ ist, erläutert in Agram der österreichische Landwirtschaftsattache Christian Brawenz

„Derzeit reden wir in Österreich von etwa 170.000 Gästebetten – in Kroatien von 800 Gästebetten. In Österreich haben wir 15.000 Betriebe, die hier Urlaub am Bauernhof anbieten, in Kroatien liegen wir gerade bei 360. Da ist eine Kluft, die wirklich noch groß ist, und das bei einem Land, das relativ vergleichbar von der Struktur und der Größe ist.“

Auch die Landwirtschaft kennzeichnen in Kroatien massive Strukturprobleme; der ländliche Raum ist überaltert und von der Infrastruktur her unterentwickelt; die Betriebe sind zu klein, 40 Prozent der Fläche liegen brach und auch als Folge des Krieges ist Kroatien noch immer kein Selbstversorger. Doch umfassende Reformen in Krisenzeiten sind besonders schwer, zumal der Regierung einfach das Geld fehlt, um durch Neuverschuldung die Wirtschaft anzukurbeln. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte heuer um fünf Prozent schrumpfen; doch der Aufschwung dürfte auf sich warten lassen, prognostiziert Sandra Svaljek vom Wirtschaftsinstitut in Agram:

„Nach unseren Prognosen wird die Wirtschaftsleistung im Jahre 2010 stagnieren und sich auf dem Niveau dieses Jahres halten. Dagegen wird für viele Staaten in Europa 2010 das Heraustreten aus der Rezession erwartet. Wir erwarten das für Kroatien erst Ende 2010.“

Belastend für die Wirtschaft und den Handlungsspielraum der Regierung wirken unter anderem zwei Faktoren: die hohen Subventionen etwa für Eisenbahnen und Schiffswerften sowie die hohen Sozialausgaben, die alles andere als treffsicher sind. Hinzu kommt die ungünstige demographische Struktur, die Sandra Svaljek so beschreibt:

„Etwa 1, 4 Millionen Kroaten arbeiten und eine Million sind Pensionisten. So entfällt auf 1,4 arbeitende Personen bereits ein Pensionist. Das ist ein sehr niedriges Niveau und de facto nicht haltbar. Nötig ist daher eine Reform des Pensionssystems. Doch das Niveau ist so niedrig, dass es auch noch weitere Reformen braucht.“

Nicht nur bei den EU-Beitrittsverhandlungen, sondern auch bei der Reform des Staates steht die Regierung somit vor enormen Herausforderungen, um den Wirtschaftsstandort Kroatien EU tauglich zu machen.

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