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Debatte um Massengräber in Kroatien entbrannt

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Berichte Kroatien
Nach Slowenien ist nunmehr auch in Kroatien ein Massengrab aus der Zeit unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entdeckt worden. Das Grab mit den Überresten von bis zu 4.500 Menschen liegt nordwestlich von Zagreb, direkt an der Grenze zu Slowenien. Enthüllt hat die Existenz des Massengrabes die kroatischen Menschenrechtsorganisation „Helsinki Komitee“. Ein weiteres Massengrab wird im Grenzgebiet zu Ungarn in der Nähe der Stadt Cakovec vermutet; dort sollen bis zu 2.500 Leichen verscharrt sein. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat mit dem „Helsinki Komitee“ den Ort eines mutmaßlichen Massengrabes besucht, hier sein Bericht:

Kljuc Brdovecki ist eine Siedlung direkt an der Grenze zu Slowenien; Schützengräben, die die Deutsche Wehrmacht hier errichte, nutzen Partisanen zwischen Mitte und Ende Mai 1945 als Massengräber. Bauern fanden auf den Feldern Knochen, die das Helsinki Komitee für Menschenrechte in Agram nun der Staatsanwaltschaft vorgelegt hat. Stellvertretender Vorsitzender des Komitees ist der Journalist Iwan Zvonimir Cicak; er hat Dokumente und Zeugenaussagen zusammengetragen, die darauf hinweisen, dass in dem Massengrab Soldaten der Wehrmacht, des faschistischen Ustasa-Regimes und viele Zivilisten verscharrt sind. Vor allem die Soldaten mussten sich offensichtlich vor ihrer Erschießung ausziehen, weil die Uniformen weiter verwendet wurden; daraus ergebe sich eine Schätzung über die Zahl der Opfer, erläutert Iwan Zvonimir Cicak:

„Die Schneiderin, die die Uniformen gesammelt hat, zählte 4.500 Uniformen; diese Information haben wir von Zeugen bekommen; ob das wahr ist oder nicht, muss man feststellen. Leider herrscht unter den Bewohnern vor Ort noch immer Angst; doch das, was sie trotz ihrer Angst erzählen, die all die Jahre herrschte, ist erschreckend.“

Während in Slowenien eine Historiker-Kommission einen umfassenden Bericht über die etwa 600 Massengräber vorgelegt hat und auch Exhumierungen erfolgten, steht dieser Prozess in Kroatien erst am Beginn. Dazu sagt Cicak:

„Nach Angaben von Innenminister Tomislav Karamarko sind in Kroatien 840 Gräberstellen mit mehr als fünf Toten registriert. Auf dem Gebiet der Gemeinde Agram allein gibt es 50 Örtlichkeiten mit Gräbern; ich habe auch das Datum und die Zahl der Ermordeten. Doch bis jetzt sind in Kroatien nur 24 Örtlichkeiten aufgearbeitet worden. Wiederum erfüllt die Regierung ihre Pflicht nicht; genauso war es vor 15 Jahren als sich während oder nach der Offensive „Sturm“ Verbrechen ereigneten. Das ist die gleiche Geisteshaltung, nur mit unterschiedlichem Vorzeichen.“

Denn Kroatien ist nach wie vor gespalten entlang der Linie Jasenovac – Bleiburg. Das Konzentrationslager Jasenovac gilt als Symbol für die Greueltaten des Ustasa-Regimes im Zweiten Weltkrieg, die Kärntner Gemeinde Bleiburg als Symbol für die Massenmorde, die kommunistische Partisanen unmittelbar nach dem Krieg auch an vielen Kroaten verübten. Daran beteiligt war der serbische Partisanen-Major Simo Dubajic; gegen den heute 85-jährigen ermittelt nun die kroatische Justiz; dabei hat Dubajic bereits vor 19 Jahren in einem Zeitungsinterview in Belgrad bekannt, in den Höhlen des Gotscheer Hornwaldes in Slowenien, die Liquidierung von 30.000 Slowenen und Kroaten geleitet zu haben. In einem Fernsehinterview schilderte Dubajic den Ablauf des Massakers:

„Der Kurier kam zurück und sagte, sie sind ermordet; dann kam die zweite Gruppe dran zwischen 300 und 500; sie wurden ermordet und erschlagen; am Abend war es vorbei. Dann haben wir Sprengstoff hineingeworfen, damit keiner herauskommt.“

Mitte Mai 1945 war Simo Dubajic auch in Klagenfurt und Unterkärnten. Dort übernahm er von den Briten 10.000 Gefangene, die die Partisanen beim Rückzug mit nach Jugoslawien nahmen. Verschleppt wurden nach Angaben österreichischer Historiker aus Kärnten 260 und aus der Steiermark 150 Personen. In vielen Fällen ist ihr Schicksal noch offen; doch nun sind die Archive in Slowenien, Kroatien und Serbien zugänglich und eine Klärung könnte möglich sein.

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