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Kroatischer Präsident Stipe Mesic zum Grenzstreit mit Slowenien

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Berichte Kroatien
Der kroatische Präsident Stipe Mesic warnt davor, dass der Grenzstreit mit Kroatien zunehmend auch das Verhältnis zwischen beiden Völkern belastet. Im Exklusiv-Interview mit der ORF befürchtet Mesic auch, dass die Haltung Sloweniens zu einer deutlichen Verzögerung der EU-Erweiterung und damit der Stabilisierung des ganzen Balkan führen können. Der Streit zwischen Slowenien und Kroatien um die Festlegung der Grenze in der Bucht von Piran und um die Landgrenze an der Mur macht derzeit jedenfalls einen ziemlich verfahrenen Eindruck. Verhandlungen zwischen den Außenministern beider Staaten in Brüssel unter Vermittlung der EU wurden gestern auf unbestimmte Zeit verschoben. Grund dafür war, dass Kroatien noch nicht auf den jüngsten Vermittlungsvorschlag der EU geantwortet hat, über dessen Inhalt der Öffentlichkeit nichts bekannt ist. Bekannt sind dagegen die Streitpositionen. Slowenien beharrt auf der gesamten Kontrolle über die Bucht von Piran und über einen Anteil am Kontinentalsockel in der Adria. Kroatien ist dagegen für eine Grenzziehung in der Mitte der Bucht und für ein internationales Schiedsgericht. Aus Zagreb berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Der kroatische Präsident Stipe Mesic wirft Slowenien de facto vor, Brüssel beim EU-Beitritt hinters Licht geführt zu haben. So habe Slowenien erklärt, alle Grenzfragen mit seinen Nachbarn seien geklärt, obwohl die Grenze zu Kroatien eine offene Frage gewesen sei. Auf die Frage, ob es daher ein Fehler von EU und NATO gewesen sei, Slowenien ohne Lösung des Streits aufzunehmen, antwortet Stipe Mesic ausweichend:

"Sie haben einfach Slowenien vertraut, dass Slowenien alle bilateralen Fragen gelöst hat, und auf dieser Basis wurde Slowenien in die EU aufgenommen."

Der Grenzstreit sei an sich jedenfalls eine zwischenstaatliche Frage; sie müsse auf der Basis internationalen Rechts durch ein Schiedsgericht gelöst werden, fordert Präsident Mesic:

"Das ist ein Streit über Fakten und Tatsachen; doch Fakten kann nur ein Gericht bestätigen. Die Grenze können daher nicht Politiker zeichnen; hätten sie es vermocht, hätten die kroatischen und slowenischen Politiker die Grenze gezeichnet. Doch sie konnten es nicht, und daher können es auch nicht Politiker aus irgendeiner anderen Ebene. Die Grenzfrage muss ein Gericht lösen. Die Frage der Fischerei und des Zugangs zum offenen Meer ist durch internationale Konventionen geregelt; mit einen Vertrag können wir nur noch das Recht Sloweniens auf einen Zugang zum offenen Meer bestätigen."

Doch gerade auf ein Schiedsgericht will sich Slowenien bisher nicht einlassen, weil es rechtlich offensichtlich die schlechteren Karten hat. Daher ist es für eine politische Lösung, während Kroatien einer Vermittlung sehr reserviert gegenübersteht; das gilt auch für den früheren finnischen Präsidenten Marti Ahtisaari, der im Auftrag der EU vermitteln soll. Wer, wie und wann die Grenze festlegt, ist aber offen; sicher ist, dass der Streit immer mehr die Beziehungen zwischen beiden Völkern belastet und die EU-Erweiterung insgesamt in Frage zu stellen beginnt. Daher sagt Stipe Mesic:

"Das Problem besteht darin, dass ein Konflikt zwischen politischen Eliten übertragen werden kann in einen Konflikt zwischen Bürgern, und das ist nicht gut. Daher handelt es sich nicht mehr nur um eine Frage zwischen Kroatien und Slowenien. Vielmehr geht es darum, dass Slowenien ein europäischen Jahrtausend-Unternehmen stoppt; das ist die europäische Einigung; denn Slowenien stoppt nicht nur Kroatien, sondern ganz Südosteuropa wegen einer bilateralen Frage. Das muss die EU berücksichtigen; sie darf nicht einem Mitglied entgegen kommen, wenn es offensichtlich nicht im Recht ist."

Kroatien kämpfe um die Gleichheit aller Staaten, und um die Anwendung internationalen Rechts im Streitfall. Slowenien spiele jedenfalls mit seinem Verhalten den EU-Staaten in die Hände, die überhaupt gegen eine Erweiterung seien; von einem Erweiterungsstopp und seinen Folgen warnt Mesic ausdrücklich:

"Es gibt Staaten, die noch nicht verstehen, dass dieses Jahrtausendprojekt diese Generation abschließen muss. In der Geschichte ist oft versucht worden, Europa mit Gewalt zu vereinigen; doch dieses Mal soll das auf der Basis von Interessen geschehen; daher ist es nicht gut, dass ein oder mehrere EU-Mitglieder dieses Unternehmen aufhalten; denn ein vereinigtes Europa mit offenen Grenzen wird der größte Faktor des Friedens in der Welt sein."

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