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Der Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien

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Seit dem Zerfall des alten Jugoslawien im Jahre 1991 ist die Seegrenze zwischen Kroatien und Slowenien ungeklärt. Umstritten ist die Abgrenzung der Territorialgewässer in der Bucht von Piran. aber auch um die Landgrenze an der Mur. Dieser Streit gipfelte darin, dass Slowenien seit Dezember etwa ein Drittel aller Kapitel blockiert, über die Kroatien mit der EU zu verhandeln hat. Slowenien wirft Kroatien vor, Dokumente an Brüssel geschickt zu haben, die den Grenzstreit präjudizieren. Diese Blockade belastet immer stärker das Verhältnis zwischen beiden Staaten, die im Jugoslawien-Krieg noch gemeinsame Sache gegen Serbien machten. Nun soll sollen aber drei Vermittler der EU einen Ausweg aus dieser Sackgasse finden. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz ist in Kroatien und Slowenien den Wurzeln des Grenzstreits in der Bucht von Piran nachgegangen und hat folgenden Beitrag für das Europajournal gestaltet.

Die Buch von Piran bietet einen malerischen Anblick. Auf slowenischer Seite liegen die Städte Portoroz und Piran. Bereits die Namen deuten auf die italienische Prägung hin; und der berühmteste Sohn von Prian ist denn auch der Komponist und Violinvirtuose Giuseppe Tartini; 1692 geboren, steht sein Denkmal noch heute im Zentrum von Piran. Der Stadt gegenüber auf der kroatischen Seite, liegen die Gemeinden Savudrija und Kastel. Die in der Bucht ebenfalls umstrittene Landgrenze bildet das Flüsschen Dragonja. Es trennt auch die Grenzstationen, bei denen die Kontrollen routinemäßig ablaufen. Auffällig ist aber das Wohnhaus rechts der kroatischen Grenzstation, und zwar wegen der slowenischen Fahne und einer Aufschrift, die unter dem Dach angebracht sind; geschrieben steht: „Auch hier ist Slowenien.“ Eigentümer des Hauses ist Josko Joras; der Slowene führt seit Jahren einen bürokratischen Kleinkrieg mit den kroatischen Behörden:

"Nach dem ersten Mal als sie mich verhaftet haben auf slowenischem Boden war ich 17 Tage im Hungerstreik in Pula; dort war ich in Haft weil ich die slowenische Fahne aufgehängt habe, und hier habe ich 23 Tage gestreikt."

Mit dem zweiten Hungerstreikt erzwang Joras das Recht, einen selbst angelegten Gehweg zu seinem Haus benutzen zu dürfen, der parallel zum kroatischen Grenzposten verläuft. Josko Joras in von kleinem Wuchs; einige Jahre hatte er in Deutschland ein Gasthaus, nun leitet er in Piran ein Invalidenheim und züchtet Pferde. Der 58-jährige Joras wirft Kroatien vor, sich 113 Hektar in der Bucht von Piran widerrechtlich angeeignet zu haben.

Diesen Vorwurf bestreitet Kroatien entschieden; doch die Wurzeln des Streits reichen nicht nur bis 1991 sondern bis zum Zweiten Weltkrieg zurück. Nach dem Krieg verlor Italien den Großteil Istriens sofort, während die Frage der „Freien Zone von Triest“ offen blieb. Sie umfasste zwei Teile; Zone A bildete Triest mit dem Hinterland; sie war unter westlicher Kontrolle. Zone B bildeten der Hafen Koper, die Bucht von Piran und das Hinterland. Diese Zone B war in der Hand Jugoslawiens und blieb es auch nach der endgültigen Regelung zwischen Italien und Jugoslawien im Jahre 1975. Mehr als 30 Jahre später ist in Slowenien das Gefühl noch weit verbreitet, dass der Kroate Tito die Stadt Triest leichtfertig verspielt hat; doch das ist nicht das einzige Ressentiment gegenüber Kroatien, erläutert in Laibach der Historiker Bozo Repe:

„Das Problem dass die Slowenen heute sehen liegt darin, dass die etwa 150.000 Einwohner, die auf der italienischen Seite verblieben, Slowenen waren; im Gegensatz dazu fiel die Mehrheit der Gebiete, die Jugoslawien zugeschlagen wurden an Kroatien; dort lebten 145.000 Italiener, die dann mehrheitlich auswanderten. Hier sehen die slowenischen Politiker eine moralische Schuld Kroatiens, die bei der Grenzregelung berücksichtigt werden muss.“

Die Seegrenze war in Jugoslawien zwischen Slowenien und Kroatien nicht definiert, weil das nicht nötig war; doch auch die Landgrenze sei amtlich, etwa durch das Parlament Jugoslawiens, nie festgelegt worden, sagt Bozo Repe. In Laibach listet denn auch das kleine „Institut für den 25.Juni“, benannt nach dem Datum der Unabhängigkeit Sloweniens, alle umstrittenen Punkte der Grenze akribisch auf. Sein Leiter, Marjan Podobnik, beansprucht im Grunde auch die kroatischen Gemeinden Savudrija und Kastel in der Bucht von Piran für Slowenien. Diesen Anspruch begründet Podobnik so:

„Seit dem 13. Jahrhundert waren die Gemeinden Kastel und Savudrija Teil von Piran; daher gab es keine Probleme mit dem Meer, weil die Gemeinde Piran die gesamte Bucht umfasste. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Abspaltung von Kastel und Savudrija und zum Anschluss an die kroatische Gemeinde Buje. Auf der Basis dieses umstrittenen und international ungültigen Aktes fordert Kroatien nun einen Teil der Bucht von Piran. Nach internationalem Recht hat jedes Territorium auch einen Teil des Meeres; das ist wahr. Doch man kann nicht auf der Grundlage eines Territoriums, das man auf ungesetzliche Weise bekommen hat, auch noch das Meer fordern.“

In diesem Sinne beanspruchte das slowenische Parlament bereits 1993 die ausschließlich Kontrolle über die Bucht. Hinzu kommen Forderungen nach einer direkten territorialen Verbindung zum offenen Meer und nach einem Epi-Kontinentalsockel; dadurch sollen Ansprüche auf mögliche Rohstoffe in der Adria untermauert werden. Kroatien ist für eine Teilung in der Mitte der Bucht. Unter Hinweis auf die Internationale Seerechtskonvention werden auch andere Ansprüche verworfen. Diesen Standpunkt erläutert in Zagreb der ehemalige Richter am Internationalen Seegerichtshof in Hamburg, Budislav Vukas, so:

„Die Slowenen können keinen Epi-Kontinentalsockel haben; ein derartiger Sockel existiert nur als Fortsetzung der Territorialgewässer, weil nur diese Gewässer Teil des Staatsgebietes sind. Darauf beruhen die rechtlichen Regeln; doch die Fortsetzung der slowenischen Territorialgewässer ginge in Richtung Venedig und Triest. So ist ihre Küste, und daran kann man nichts ändern.“

Diese Meinung teilt der slowenische Seerechtsexperte an der Universität in Laibach, Milan Brglez; geographisch sei Slowenien kein normaler Seeanrainerstaat; Brglez verwirft auch die Forderungen nach der totalen Kontrolle über die Bucht von Piran:

„Es ist unmöglich, dass man auf kroatischer Seite ins Wasser steigt und dann in Slowenien ist. Realistisch wäre, dass der größere Teil der Bucht slowenisch wäre; das müsste eine dritte Partei festlegen, weil sich beide Seiten nicht einigen konnten. Die bisher einzige erzielte Vereinbarung, sah eine Teilung von 80 zu 20 zugunsten Sloweniens vor. Sie hat Kroatien jedoch nicht ratifiziert. Das wäre eine vernünftige Lösung der ganzen Sache gewesen.“

Doch die Vernunft hatte bisher keine Chance. Zu den vernünftigen Stimmen zählt in Kroatien der Philosoph, Zarko Puhovski; er ist dafür, dass Slowenien den Großteil der Bucht erhält; gleichzeitig warnt Zarko Puhovski vor den Folgen überzogener Forderungen:

„Man kann nicht erwarten, dass Kroatien hier das Meer aufgibt, weil das keine Regierung tun kann, weil dort Menschen leben. Sie würden ein derartiges Verhalten als völligen Verrat empfinden; das würde zu einer derartigen Welle eines neuen Nationalismus führen, vom dem sich Kroatien in den kommenden 20 Jahren nicht auf anständige Weise verabschieden könnte. Daher ist eine Lösung nötig, in der beide Länder etwas gewinnen und verlieren.“

Diese Lösung sollen nun drei Vermittler der EU finden; ihr Mandat ist aber noch nicht geklärt, weil beide Staaten noch keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Slowenien hat rechtlich die schlechteren Karten und ist daher für eine politische Lösung, während Kroatien ein Urteil durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag anstrebt. Die beste Lösung wäre gewesen, dass sich Slowenien und Kroatien darauf einigen, dass alle der EU vorgelegten Dokumente den Grenzstreit nicht präjudizieren; somit wäre Kroatien der EU beigetreten, ohne den Streit zu lösen; doch diese Chance haben Laibach, Zagreb und Brüssel leider vertan.

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