Lage der Journalisten in Südosteuropa
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Berichte Kroatien
Ivo Pukanic und sein Marketingchef sind nicht die einzigen Todesopfer, die Journalisten in Südosteuropa zu beklagen haben. So wurden in den vergangenen 15 Jahren im Kosovo ein Journalist und in Serbien drei Journalisten ermordet. Hinzu kommen tätliche Angriffe in Kroatien und Griechenland sowie Morddrohungen in Serbien, Bosnien, Mazedonien und im Kosovo. All diese Vorfälle registriert die in Wien ansässige SEEMO; diese Organisation arbeitet mit Medien in Südosteuropa zusammen und unterstützt auch die Ausbildung der Journalisten. Die Lage der Journalisten in dieser Region beschreibt SEEMO-Generalsekretär Oliver Vujovic so:
"Seitens des Staates gibt es viel weniger Druck, aber der Druck durch die Geschäftswelt, der so genannten Balkan-Mafia oder wie man das nennen will, von denen ist der Druck stärker geworden, oder von gewissen anonymen Strukturen, die in Verbindung mit Politik oder Wirtschaft stehen."
Somit ist festzustellen, dass langsam aber sicher die Demokratisierung Früchte trägt; trotzdem haben Anschläge wie auf Ivo Pukanic natürlich Folgen, denn sie erhöhen das Gefühl der Unsicherheit. Was das für die Medien in Kroatien bedeutet, schildert die kroatische Journalistin Tatjana Acimovic so:
"Alle investigativen Journalisten, vor allem jene, die sich mit den Themen OK und Mafia befassen, sind meiner Meinung nach nun vorsichtiger. Weniger vorsichtig werden sie wieder werden, wenn Justiz und Polizei uns noch stärkere Informationen zukommen lassen, dass sie die Dinge unter Kontrolle haben."
Diesen Beweis sind die Ermittler bisher schuldig geblieben, denn der Mordfall ist noch nicht aufgeklärt. Trotzdem sind die Alltagsprobleme der Journalisten am Balkan andere; zu ihnen zählt etwa der frei Zugang zu Informationen, obwohl praktisch in allen Staaten dieser Zugang gesetzlich verbrieft ist. Dazu sagt Oliver Vujovic von SEEMO:
"Die Realität ist, die Gesetze sind da, die Praxis ist leider anders; es ist oft sehr abhängig von den Bürokraten, die in den Behörden sitzen, wie sie reagieren, ob sie reagieren. Natürlich kann man versuchen, seine Rechte zu erhalten oder seine Information zu bekommen, aber es ist leider in der Praxis in vielen Ländern Südosteuropas, ein besonderes Beispiel ist Serbien, noch immer so, dass einfach der Weg zur Information sehr langsam ist, und das von den Institutionen oft Informationen geheim gehalten werden, die eigentlich veröffentlicht sein müssten."
Zu wünschen lässt aber auch vielfach die Qualität der Journalisten selbst, ein Problem, das nicht auf Journalisten des Balkan beschränkt ist. Oft entsprechen sie dem Klischee des Allgemeingebildeten, der von allem nichts weiß, und trotzdem apodiktisch darüber schreibt. Hinzu kommt, dass die Ausbildung oft sehr theorielastig ist. Dazu sagt Rade Veljanovski, Professor für Journalistik an der Universität Belgrad:
"Wenn wir die Zahl der theoretischen Gegenstände mit jenen vergleichen, die sich mit Medien und Journalismus befassen, so ist das Verhältnis 60 zu 40 zugunsten der Theorie. Wenn wir aber die Unterrichtsstunden hernehmen, dann umfasst die Theorie etwa 80 Prozent und nur 20 Prozent sind praktische Arbeit."
In die praktische Ausbildung investiert nun auch die deutsche WAZ-Mediengruppe, die in Südosteuropa einer der größten Eigentümer von Zeitung ist. So sollen etwa in Mazedonien 30 UNI-Absolventen im kommenden Jahr eine umfassende Schulung in den WAZ-eigenen Medien erhalten. Die Ausbildung wird sich dabei nicht nur auf Printmedien beschränken, erläutert Srdjan Kerim, der bei der WAZ für dieses Programm zuständig ist:
"Die Zukunft liegt darin, dass wir die Journalisten so ausbilden, dass sie auch mit Internet in Kombination und Rundfunk und Fernsehen arbeiten können, so dass wir eine Art All-Round-Journalisten ausbilden, der sich in mehreren Bereichen bewähren kann. Die Zeitungen werden sich immer mehr Analysen statt Informationen in der Sache zu bringen und dem Leser anzubieten, und deswegen ist auch diese Ausbildung wichtig."
Wichtig sind bessere professionelle Standards aber nicht nur für die WAZ, sondern auch für den Balkan insgesamt. Denn seriösere Journalisten werden hoffentlich auch objektiver über ihre Nachbarn berichten, mit denen vor knapp 15 Jahren nicht nur ein Krieg der Worte geführt wurde. So wurde die Berichte serbischer und kroatischer Medien über das jeweilige Nachbarland bereits deutlich professioneller, ein Fortschritt, der bei der Berichterstattung der Medien des Kosovo und Serbiens leider noch lange auf sich warten lassen wird.