× Logo Mobil

Lage in Kroatien nach Gotovina und zwei Jahre Sanader

Radio
MiJ
Berichte Kroatien
Bei den Parlamentswahlen in Kroatien vor genau zwei Jahren kehrte die HDZ unter Ivo Sanader wieder an die Macht zurück. Dieser Wahlsieg wurde im Westen zunächst recht kritisch bewertet, galten doch die HDZ und ihr Gründer, der verstorbene Präsident Franjo Tudjman, als sehr nationalistisch. Doch Ministerpräsident Ivo Sanader gelang es, die meisten Vorbehalte zu beseitigen. Im Oktober dieses Jahres begannen schließlich Beitrittsgespräche mit der EU und jüngst konnte mit der Verhaftung von General Ante Gotovina in Spanien auch der letzte offene Fall mit dem Haager Tribunal gelöst werden. Doch damit sind natürlich weder alle historischen oder gar wirtschaftlichen und politischen Probleme Kroatiens auf dem Weg Richtung EU beseitigt. Wie die Lage in Kroatien nach der Verhaftung von Gotovina ist, und was die Regierung Sanader im zweiten Teil ihrer Amtszeit noch vor sich hat, das hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz recherchiert und darüber folgenden Bericht gestaltet:

Wie schwer sich Kroatien auch mit seiner jüngsten Vergangenheit nach wie vor tut, zeigte im staatlichen Fernsehen jüngst die populäre Talkshow „Latinica“, die sich kritisch mit der Ära von Staatsgründer Franjo Tudjman befasste. Redakteure und der Autor der Sendung, Denis Latin, erhielten Morddrohungen, und kurzfristig musste Latin sogar unter Polizeischutz gestellt werden. Noch bedenklicher waren viele Aussagen führender HDZ-Funktionäre im Parlament, die bis zum Vorwurf der Gotteslästerung reichten. Sie veranlassten Staatspräsident Sipte Mesic dazu, der Regierung vorzuwerfen, das Staatsfernsehen kontrollieren zu wollen. Abgesehen vom schwierigen demokratischen Lernprozess dürfte die Verhaftung von General Ante Gotovina in Spanien trotzdem eine historische Zäsur in Kroatien einleiten. Sie könnte sich auch auf die Einstellung zur EU auswirken, betont in Zagreb der Meinungsforscher Milan Bagic:

„Ein guter Teil der Bürger bewerten die EU nicht rational etwa danach, ob es nach dem Beitritt Kroatien besser oder schlechter gehen wird; vielmehr wird die Haltung emotional begründet als Reaktion auf konkrete Ereignisse wie Gotovina und Haager Tribunal oder wie die EU Kroatien behandelt. So mancher Kroate hat den Eindruck, dass EU und internationale Gemeinschaft nicht aufrichtig gegenüber Kroatien sind. Nach der Verhaftung von Gotovina könnte diese Haltung aufhören, dominant zu sein, weil es nun keinen konkreten Grund für großen Druck durch die EU mehr gibt. Die Bewertung der EU könnte rationaler werden und sich darauf konzentrieren, was für Kroatien die EU tatsächlich bedeutet.“

Derzeit wird der EU-Beitritt von etwas mehr als der Hälfte der Kroaten unterstützt; doch rationale Entscheidungsgrundlagen fehlen noch weitgehend, weil zwischen Brüssel und Zagreb erst mit dem so genannten Screening begonnen wurde. Dabei wird der Rechtsbestand der EU mit der Rechtsordnung Kroatiens verglichen. Dieser Prozess hat bei sieben der 35 Kapitel begonnen und soll in den kommenden sechs Monaten weiter beschleunigt werden. Dazu sagt der Leiter der EU-Kommission in Zagreb, Vincent Degert:

„Wir wollen bei etwa 22 Kapiteln das Screening während der österreichischen EU-Präsidentschaft beenden, und Kroatien will in diesem Zeitraum bei acht Kapiteln zu verhandeln beginnen und bei zwei Kapiteln sogar die Verhandlungen abschließen. Während der EU-Präsidentschaft Österreichs haben wir somit viel zu tun.“

Doch die EU unterstützt Kroatien auch dabei, europäische Standards zu erreichen. Vincent Degert:

„Wir arbeiten sehr intensiv mit Kroatien an der Modernisierung der Justiz, am Aufbau von Grenz- und Veterinärkontrollen; die zweite große Herausforderung heißt Verkehr und Umwelt; das sind EU-Prioritäten. Daher investieren wir viel in Kläranlagen, in die Modernisierung der Eisenbahn, wobei dazu auch die Strecke Belgrad – Zagreb zählt.“

Die Regierung von Ministerpräsident Ivo Sanader wird sich somit im zweiten Teil ihrer Amtszeit auf Reformen konzentrieren müssen, die in den Augen vieler Kroaten bisher zu kurz gekommen sind. Dazu sagt in Zagreb der Wirtschaftsexperte Mladen Vedris:

„Die grundlegende Frage ist, wie man die Wirtschaft ankurbeln kann, damit mehr exportiert, mehr Menschen beschäftigt werden und die Konkurrenzfähigkeit steigt. Das sind keine spektakulären Themen, doch schließlich und endlich sind sie die entscheidenden Fragen.“

Diese Knochenarbeit schließt auch eine Reform des gesamten kroatischen Staates mit ein, betont Vedris:

„Die Gerichte müssen effizienter und schneller werden; die öffentliche Verwaltung muss klarer werden, damit man genau weiß, wer hat welche Zuständigkeiten und Vorschriften umzusetzen. Die zweite wichtige Voraussetzung für Wachstum ist die makroökonomische Politik. Das betrifft die Konkurrenzfähigkeit beim Export, die Steuerbelastung, den Wechselkurs. Damit verbunden sind drittens so genannte horizontale Maßnahmen des Wachstums. Kroatien muss seine Investitionen in Ausbildung und Innovation erhöhen und besser einsetzen, das heißt insgesamt moderner werden.“

Diese Modernisierung könnte auch zu einem unverkrampfteren Umgang mit der eigenen Geschichte sowie mit den Nachbarn Serbien und Slowenien führen und damit den Boden für eine Lösung von bilateralen Problemen aufbereiten, die Kroatien auf dem Weg Richtung EU noch bereinigen muss.

Facebook Facebook