Karla Del Ponte am Balkan
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Berichte Kroatien
Mehr Lob als Tadel gab es von Karla Del Ponte nach ihrem Gespräch mit Ministerpräsident Vojislav Kostunica. So bewertete die Chefanklägerin des Haager Tribunals die Kooperation mit Serbien als positiv; Sie verwies darauf, dass Belgrad bei der Übergabe von Dokumenten sowie bei der Entbindung von Zeugen von ihrer Schweigepflicht sehr kooperativ sei und seit Oktober 16 Angeklagte überstellt habe. Enttäuscht zeigte sich Del Ponte, dass noch sechs Fälle offen seien. Besonders erwähnte sie den ehemaligen General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, von dem das Tribunal annimmt, dass er sich in Serbien versteckt. Mladic soll neben Radovan Karadjic für das Massaker an 8.000 Bosnjakern in Srebrenica verantwortlich sein, dass sich im Juli zum zehnten Mal jährte. Del Ponte hatte gehofft, dass Mladic bis zu diesem Jahrestag in den Haag sein werde. Nunmehr hofft die Chefanklägerin, dieses Ziel bis Ende November zu erreichen, ein Zeitpunkt zu dem sich das Kriegsende in Bosnien zum zehnten Mal jährt. Vojislav Kostunica sagte Del Ponte die volle Zusammenarbeit Serbiens mit dem Tribunal zu. Ob Mladic jedoch in Kürze gefasst wird, ist zweifelhaft. Ein massives Druckmittel fehlt dem Tribunal, weil die EU gestern beschlossen hat, mit Serbien noch im Oktober Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen zu beginnen. Zwar ist ein positiver Abschluss dieser Gespräche ohne die Auslieferung von Maldic nicht zu erwarten; doch die Verhandlungen werden ein Jahr dauern, und somit hat Serbien Zeit gewonnen. Diese Atempause fehlt Kroatiens Ministerpräsidenten Ivo Sanader, den Del Ponte heute in Zagreb treffen wird. Wegen des mutmaßlichen Kriegsverbrechers General Ante Gotovina hat die EU bereits zwei Mal den Beginn der Beitrittsgespräche verschoben, weil Del Ponte Zagreb die volle Zusammenarbeit nicht bescheinigt hat. Am Montag steht Kroatien wieder auf der Tagesordnung der EU, und das Tauziehen um die Aufnahme der Gespräche ist noch in vollem Gange. Unterstützt wird Kroatien ausdrücklich von Österreich. Doch die Aufnahme der Verhandlungen wird vor allem von Karla Del Ponte abhängen, die ihre Bewertung heute veröffentlichen dürfte. Jüngst hat sie jedenfalls die katholische Kirche in Kroatien beschuldigt, Gotovina in einem Kloster zu verstecken. Beweise blieb Del Ponte jedoch schuldig. Kroatien hat die Suche nach Gotovina seit Monaten deutlich verstärkt, und in Griechenland wurde ein mutmaßlicher Fluchthelfer Gotovinas gefasst. Sollte Del Pontes Bericht zu Kroatien nicht klar positiv ausfallen, ist zu erwarten, dass die EU Zagreb neuerlich die kalte Schulter zeigt. In Kroatien dürfte dann der bereits große Widerstand gegen die EU weiter wachsen, vor allem sollte Brüssel gleichzeitig den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beschließen.