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Kroatien Wirtschaft, Reformen und Herausforderungen

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Berichte Kroatien
Teil1:

Mitte März hat die EU die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien verschoben, weil der Fall des mutmaßlichen Kriegsverbrechers General Ante Gotovina noch nicht gelöst ist. Seither hat sich Kroatien sehr bemüht, das Haager Tribunal und die EU zu überzeugen, dass es auch bei diesem letzten noch offenen Fall voll mit dem Tribunal zusammenarbeitet. Ob dieses Bemühen nun im Herbst durch die Aufnahme von Beitrittsgesprächen belohnt wird, ist offen. Sicher ist aber, dass die Regierung in Zagreb noch viele und weit schwierigere innenpolitische Reformenaufgaben zu lösen hat, um Kroatien reif für die EU zu machen. Das gilt auch für den Tourismus in Kroatien, der heuer einem neuen Rekordjahr entgegen sieht. Über diese Aufgaben hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Fachleuten in Kroatien gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

In Kroatien entfallen 20 Prozent der Wirtschaftsleistung auf den Fremdenverkehr. Daran haben Österreicher als Gäste aber auch als Investoren großen Anteil. So finanziert die Hypo-Alpe-Adria-Bank etwa Projekte im Wert von mehr als 170 Millionen Euro. Erhöht wird dadurch die Qualität des Angebots, denn mehr als 50 Prozent aller Hotels liegen noch in der Drei-Sterne-Kategorie; hält der Boom an, werden nach Angaben des Tourismusministeriums in Zagreb binnen fünf Jahren zusätzlich 50.000 Betten hoher Qualität benötig. Größtes Unternehmen ist die Valamar-Holding, an der österreichische Investoren beteiligt sind. Sie verfügt über 17.000 Betten und über Campingplätze für 25.000 Gäste. Die Holding bekämpft daher einen Gesetzesentwurf, mit dem Kroatien, die Frage des Eigentums an touristischen Flächen regeln will. Dazu sagt Georg Eltz von der Valamar-Gruppe:

„ Die Hotelbetriebe haben in der Privatisierung die Anlagen selbst und die zuordenbaren Grundstücke in aller Regel ins Eigenkapital überschrieben bekommen. Strittig sind die anderen Grundstücke, im Falle eines Campingplatzes also die totale Fläche, aber auch um die Hotels herum, Sportanlagen, Parks und Parkplätze. Unserer Rechtsauffassung nach sind sie eigentlich im Zuge des Privatisierungsprozesses in das Eigentum des Hotelunternehmens übergegangen. Nach Rechtsauffassung des kroatischen Staates sind diese Ländereien wahlweise Eigentum der Gemeinden oder auch des kroatischen Privatisierungsfonds, da hat man sich noch nicht so recht geeinigt; und es geht jetzt also nicht nur darum, dass man uns jetzt noch ein Mal eine Entschädigung für diese Nutzung dieser Flächen abverlangen möchte, sondern in manchen Fällen geht es tatsächlich darum, die Flächen wegzunehmen.“

Diesen Vorwurf weist das Tourismusministerium zurück. Die Hotelbetriebe müssten für diese Flächen zwar bezahlen, würden aber ein Vorrecht auf die zu erteilenden Konzessionen erhalten. Nicht bestritt wird in Zagreb jedoch, dass es Bestimmungen gibt, die Betrieben das Leben in Kroatien nicht gerade erleichtern. Eine beschreibt der Salzburger Wilfried Holleis, der in Rovinj und Opatija zwei Hotels besitzt:

„In Österreich ist es so, dass pro Hotel eine Konzession erwirkt werden muss, und man zahlt dann halt einen kleinen Beitrag. In Kroatien wird gerechnet pro Fernseher und man kommt dann auf astronomische Summen, und wir zahlen also hier in Miramar bei 100 Zimmern 1.700 Euro pro Monat an Rundfunk- und TV-Gebühr.“

Holleis führt seit fünf Jahren einen juristischen Grabenkrieg gegen die kroatische Tabakfabrik, die ihm das Eigentum an seinem Hotel in Rovinj streitig macht. Doch das ist nicht das einzige Problem, wie Holleis betont:

„Wir bemühen uns selber seit Jahren, einen Golfplatz in Istrien zu errichten, aber in einem Land, wo es noch schwierig ist im Grundbuch nachschauen zu können, wem was gehört, kann man auch keinen Golfplatz bauen.“

Grundbuch und Justizwesen zählen daher zu den großen Reformen, die Kroatien auf dem Weg Richtung EU bewältigen muss. Vor einem Jahr wurden diese Reformen ernsthaft begonnen, und

Erfolge sind bereits sichtbar. Sie beschreibt Justizministerin Vesna Skare-Ozbolt so:

„Beim Grundbuch in Zagreb sind bereits 80 Prozent digitalisiert worden, und alles ist über das Internet abrufbar. Wir haben einen Arbeitsplan erstellt, der vorsieht, dass bis Jahresende alle 87 Grundbuchämter über das Internet abrufbar sein sollen. Das ist revolutionärer Schritt, weil wir Transparenz und Geschwindigkeit eingeführt und die Manipulationen verringert haben, über die Bürger und Wirtschaftstreibende geklagt haben.“

Zu den großen Herausforderungen für die Regierung zählt auch die Landwirtschaft. So entspricht nur die Hälfte der produzierten Milch europäischen Standards. Die bewirtschafteten Flächen sind zu klein, die Produktivität zu gering und die Subventionen zu hoch. Was das für die Agrarpolitik bedeutet, erläutert der stellvertretender Landwirtschaftsminister Miroslav Bozic:

„Die Subventionen für die Milchproduktion in Kroatien sind derzeit 2,5 Mal so hoch wie in der EU. Das heißt, dass der EU-Beitritt nicht nur eine Verringerung der Subventionen, sondern auch eine Steigerung der Qualität erfordert, und zwar gleichzeitig während die Subventionen verringert werden müssen. Das stellt wahrlich für viele Produzenten in Kroatien einen großen Umbruch dar.“

Diesen Umbruch werden auch viele Staatsbetriebe zu bewältigen haben. Die Reform der defizitären Eisenbahn ist mit Unterstützung der Weltbank angelaufen, die auch an anderen Reformvorhaben mitwirkt. Dazu sagt der Direktor der Weltbank in Zagreb, der Inder Anand K. Seth:

„Bei den Staatsbetrieben spielen Schiffswerften, die Stahl- und Aluminiumindustrie sowie die landwirtschaftlichen Kombinate eine große Rolle. Nimmt man alle zusammen, werden fast 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch diese Verluste machenden Unternehmen absorbiert. Doch das interessante ist, dass die Auftragsbücher der Schiffswerften voll sind; so entfallen 14 Prozent der erzeugten Exportgüter auf diese Werften, doch die Wertschöpfung ist sehr gering, weil diese Werften ineffizient organisiert sind. Die Reform dieser Industrie wird beginnen, wenn die Diskussionen mit der EU über staatliche Subventionen im Zuge des Beitrittsprozesse beginnen werden.“

Zu verbessert hat Kroatien aber auch seine Exportleistungen, wie Anand K. Seth betont:

„Die kroatischen Exporte decken nur 49 Prozent der kroatischen Importe, das ist kein gesundes Verhältnis, denn etwa in Bulgarien und Rumänien liegt dieses Verhältnis bei 60 Prozent. Hier muss Kroatien etwas tun, und vergangenes Jahr wuchsen die Exporte zum ersten Mal stärker als die Importe. Es gibt einige dynamische Sektoren, wie Hochtechnologie, Computer, optische und medizinische Geräte, die von einem kleinen Niveau aus sehr rasch wachsen.“

Zu diesen positiven Beispielen zählt die freie Wirtschaftszone in Varazdin. Sie ist 600.000 Quadratmeter groß und bietet ausländischen Investoren beträchtliche Vorteile, die ihr Initiator Slobodan Mikac so zusammenfasst:

„Zum einen sind das zolltechnische Vorteile, weil sie direkt vor Ort verzollen können. Zum zweiten sind das natürlich die steuerlichen Vorteile, da sie in der freien Zone von der Körperschaftssteuer bis zu fünf Jahre und bis zur Höhe der Investition ganz befreit sind; sie haben auch den Vorteil, dass sie mehrwertssteuerfrei in der Zone arbeiten können“

Bis Jahresende werden 1.300 Personen in dieser Zone arbeiten, bis zum Vollausbau Ende 2007 sollen es bis zu 3.500 sein. Waren im Wert von mehr als 500 Millionen Euro dürften schließlich exportiert werden, schätzt Slobodan Mikac, der sich intensiv bemüht, mit Österreich, Slowenien und Ungarn bei der Ausbildung von Fachkräften zusammen zu arbeiten. Doch derartig positive Beispiel gibt es zu wenig; daher sei die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit die größte Herausforderung für Kroatien, betont Anand K. Seth von der Weltbank in Zagreb:

„Die Rate der Unternehmensgründungen ist die niedrigste unter allen Ländern, die jüngst der EU beigetreten sind oder ihr beitreten wollen. Sie beträgt 1,5 Prozent pro Jahr, in der Slowakei sind es 6 Prozent. Binnen eines Jahres verlor Kroatien bei der Wettbewerbsfähigkeit zehn Plätze in der weltweiten Rangliste und liegt derzeit auf Platz 79. Das hängt mit dem Verlust an Produktivität in der Wirtschaft zusammen; sie wächst in Kroatien zwischen sechs und sieben Prozent, in Serbien waren es 15 Prozent, in Rumänien 30 Prozent. Ein Faktor sind auch die Arbeitskosten, die höher sind als in Rumänien, Bulgarien, der Slowakei oder Ungarn. Wenn es daher ein Gebiet gibt, dem die Regierung ihre Aufmerksamkeit widmen muss, dann ist das die Wettbewerbsfähigkeit.“

Teil 2 Interview mit Peter Hasslacher Handelsdelegierter in Kroatien

Trotz vieler Probleme ist das Engagement österreichischer Firmen in Kroatien eine Erfolgsgeschichte. Etwa 450 Firmen aus Österreich sind am kroatischen Markt und Österreich ist mit mehr als 3,1 Milliarden US-Dollar größter Investor in Kroatien. Im Interview mit Christian Wehrschütz sagt der österreichische Handelsdelegierte in Zagreb, Peter Hasslacher, zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen:

"2004 war ein äußerst erfolgreiches Jahr. Die Zuwächse in beide Richtungen haben über 30 Prozente betragen. Wir haben insgesamt 1,8 Milliarden Euro Handelsvolumen zwischen Österreich und Kroatien erreicht, und für österreichische Geschäftsleute ist besonders interessant, dass der Überschuss den wir erzielt haben einer der höchsten weltweit war mit 630 Millionen Euro. Dieses Jahr hat etwas schwächer begonnen. Das hat einerseits mit der

Konjunkturentwicklung in Kroatien zu tun, hat zum anderem auch damit zu tun, dass das Zahlungsverhalten der kroatischen Firmen sich etwas verschlechtert hat, d. h, die Zuwächse liegen nun mehr im einstelligen Bereich. Ich gehe aber davon aus, dass wir im weiterem Verlauf des Jahres höhere Zuwächse erzielen werden, weil auch die Inlandskonjunktur in Kroatien wieder anzieht"

Wo sind denn die österreichischen Firmen am stärksten vertreten?

"Wenn ich nur die letzten Monate anschaue, welche Firmen eröffnet haben, dann kann ich ihnen nennen: Semmelrock, Spar, S-Versicherungen, Transeuropa, Wienerberger als Beispiele von österreichischen Firmen, die in Kroatien entweder neu gestartet sind oder neue Werke errichtet haben. Insgesamt haben wir hier von den Banken über die Versicherungen über Firmen, die Baumaterial herstellen, bis hin zu Dienstleistern aber auch von Produzenten von Hightech-

Produkten - eine äußerst breite Palette, nicht zuletzt sind wir der größte ausländische Investor in Kroatien, d.h., entsprechend breit sind wir aufgestellt."

Österreich ist auch sehr daran interessiert, Lebensmittelexporte weiter auszubauen. Wie sieht denn derzeit der Anteil von Lebensmittelprodukten am Exportvolumen Österreichs aus, und warum ist das eigentlich ein interessanter Markt in Kroatien?

"Circa 10 Prozent der österreichischen Exporte fallen in den Bereich Lebens- und Nahrungsmittel. Ein durchschnittlicher Kroate verzehrt mehr österreichische Lebensmittel als ein durchschnittlicher Deutscher, d.h., wir sind sehr stark am Markt positioniert. Aber es kommen ständig neue Firmen, die Interesse haben, auf den Markt einzutreten, und zuletzt dürfen wir nicht

vergessen, dass natürlich der Tourismus ein ungeheuer interessantes Potential gerade für diese Industriesparte Österreichs darstellt."

Es gibt eine Umfrage, die die Wirtschaftskammer gemacht hat, die Außenhandelsstelle unter österreichischen Firmen, wie interessant der kroatische Markt ist, was seine Vorteile und Nachteile sind. Was sind denn die Hauptpunkte, die die österreichischen Firmen als negative Kriterien des kroatischen Marktes sehen?

"Die Rahmenbedingungen werden als größtes Problem erwähnt. Da fällt vor allem die Bürokratie darunter, da fällt darunter die Gesetzgebung, die nicht immer mit EU-Vorschriften abgestimmt ist, aber auch nicht immer mit Vorschriften, die in Kroatien bestehen abgestimmt ist, und die Korruption. Und als weiteren Punkt, das gilt vor allem für Investoren, die auf die grüne Wiese investieren wird erwähnt, dass die Grundbücher nach wie vor nicht ausreichend in Ordnung

sind."

Inwieweit ist eigentlich die Zahlungsmoral kroatischer Firmen ein Problem, dass man beispielsweise durch Akkreditiv oder dadurch lösen muss, dass man Vorauszahlung verlangt?

"Das ist auf alle Fälle eine Empfehlung, die ich immer gebe. Ich habe leider festgestellt, dass im letzten Jahr das Zahlungsverhalten der kroatischen Firmen schlechter wurde. Das liegt einerseits daran, dass die Konjunktur im letzten Jahr leicht abgeschwächt ist, und damit haben natürlich Firmen auch eine andere Einnahmesituation. Zum anderem liegt es daran, dass staatliche

Institutionen teilweise mit Antritt der Regierung einen Kassensturz gemacht haben. Eineinhalb Jahre sind ins Land gezogen, doch innerhalb von einer Zeit von circa einem halbem Jahr haben Zahlungsverzögerung bzw. Nichtzahlungen stattgefunden, und das hat sich massiv auf den Privatsektor ausgewirkt."

Was sehen österreichische Firmen als Vorteile in Kroatien, Kroatien, das ja als verlängerter österreichischer Heimmarkt gilt?

"Einer der wesentlichen Vorteile ist die geographische Nähe. Daraus resultiert natürlich auch dieses Bild vom erweitertem Heimmarkt Kroatiens für österreichische Firmen, und der weitere wesentliche Punkt ist die Entwicklungsdynamik. Kroatien hat in den letzten Jahren eine relative hohe Wachstumsrate erzielt, auf alle Fälle eine erheblich höhere als der österreichische Markt, und das hat natürlich viele Firmen dazu bewogen, auf diesen Markt zu gehen. Als weitere Argumente wurden genannt: die Humanressourcen d. h., man hat gute Erfahrungen mit kroatischen Mitarbeitern gesammelt, und nicht zuletzt wurde als Argument, was auch mich überrascht hat, die ökologische Reinheit erwähnt."

Gehen wir gerade zur ökologischen Reinheit, die bei der Umfrage ja wirklich überraschend ist. Das ist doch offensichtlich ein großer Wachstumsbereich weil Kläranlagen oder Mülldeponien noch keine österreichischen Standards haben?

"Die Mülldeponien haben nicht ein Mal kroatische Standards. Es gibt in Kroatien keine einzige Mülldeponie, die die gesetzlichen Vorschriften Kroatiens erfüllen würde. Damit hat sich der Müll auch zu einem Export-Hit des Landes entwickelt. Man exportiert heute Sondermüll, gefährliche Abfälle, nach Österreich und muss dafür sehr viel zahlen. Das weiß man hier natürlich, dass

das hier eine Schwäche ist, und entsprechend groß sind die Geschäftschancen für österreichische Firmen im Abfallbereich, im Wasserbereich aber auch im Bereich der Alternativenergien; und das haben wir zum Anlass genommen, dass wir als Außenhandelstelle Zagreb im September dieses Jahres eine große Veranstaltung zu diesem Thema in Kroatien durchführen werden."

Herzlichen Dank

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