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Kroatien, EU und Reformen

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Berichte Kroatien
In Brüssel haben gestern die Außenminister der EU die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Grund ist, dass der mutmaßliche Kriegsverbrecher General Ante Gotovina noch nicht verhaftet worden ist. Da umstritten ist, wo sich der General aufhält, verlangt die EU von Kroatien eine intensivere Suche nach Gotovina, ehe die Verhandlungen beginnen können. Doch abgesehen vom Fall Gotovina hat Kroatien noch viele Reformen zu erledigen, um EU-reif zu werden. Über diese Aufgaben hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz in Zagreb mit Experten gesprochen und folgenden Bericht gestaltet.

General Ante Gotovina ist sicher das größte außenpolitische Hindernis doch sicher nicht das größte Problem, das Kroatien auf dem Weg Richtung EU noch zu lösen hat So hat Kroatien ein für ausländische Investoren unattraktives Steuersystem. Im Gegensatz dazu haben die Slowakei oder Estland mit der sogenannten Flat Tax einen einzigen niederen Steuersatz eingeführt. Zu diesen kroatischen Versäumnissen sagt in Zagreb der Wirtschaftsexperte Mladen Vedris:

„Kroatien ist in der makroökonomischen Politik, in der Rechtssicherheit, bei der Effizienz der Verwaltung und bei Anreizen für Greenfield-Investitionen hinter vergleichbaren Staaten zurückgeblieben, die der EU beigetreten sind. Das gilt sogar für die Staaten, die derzeit Kandidatenstatus haben. Diese Probleme kann niemand für uns lösen. Doch das Bewusstsein, für den Kampf um Investoren, um Kapital, das Arbeitsplätze schafft und neue Technologien bringt, den Export ankurbelt und damit die Auslandsverschuldung verringert, dieses Bewusstsein muss in Kroatien entwickelt werden.“

Doch dieses Bewusstsein hat die Regierung in den bisher 13 Monaten ihrer Amtszeit nicht geschaffen. Ministerpräsident Ivo Sanader konzentrierte sich auf die EU und die Außenpolitik; er vernachlässigte innenpolitische Reformen, die der Politikwissenschafter der Universität Zagreb, Luka Brkic, so zusammenfasst:

„Am meisten bin ich darüber besorgt, dass die Reformen der Außenwirtschafts-, Finanz- und Geldpolitik sowie des Steuersystems nicht durchgeführt wurden. Nicht reformiert wurden auch das Bildungs- und Pensionssystem sowie das Gesundheitswesen. Alle diese großen Probleme hat die Regierung unter den Teppich gekehrt.“

Der Politikwissenschafter glaubt nicht, dass die Regierung allein, die Kraft aufbringen wird, um diese Reformen durchzusetzen. Daher hofft Brkic gerade auf die EU:

„Für uns ist die Mitgliedschaft in der EU lebenswichtig, damit Kroatien jene Reformen durchführen kann, die ohne diesen Druck von außen nicht möglich werden. Die politischen Kräfteverhältnisse in Kroatien sind einfach so, dass diese gordische Knoten nur mit einem Schwert durchschnitten werden können, das von außen kommt.“

Doch der Druck der EU konzentriert sich vor allem auf General Ante Gotovina. Daher wird Kroatien in den kommenden Monaten vor allem darum bemüht sein, das Haager Tribunal von seiner vollen Zusammenarbeit zu überzeugen, damit die Gespräche mit der EU beginnen können. Bis dahin sind umfassende Reformen kaum zu erwarten, obwohl die Regierung auch ohne Gotovina mehr als genug zu tun hat, um Kroatien EU-reif zu machen.

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