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Kroatien vor Präsidentenwahl

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MiJ 30122004 Kroatien vor Präsidentenwahl Wehrschütz Mod

In Kroatien wird am 2. Jänner der Präsident neu gewählt. Klarer Favorit ist Amtsinhaber Stipe Mesic. Einziger ernstzunehmender Herausforderer ist Jadranka Kosor. Sie gehört der regierenden Partei HDZ an und ist stellvertretende Ministerpräsidentin im Kabinett von Ivo Sanader. Insgesamt werben 13 Kandidaten um die 3,8 Millionen Stimmberechtigten. Aus Zagreb berichtet unser Korrespondent Christian Wehrschütz

Musik und organisierter Applaus bei vielen Wahlkampfveranstaltungen in Kroatien sollten eine Stimmung vortäuschen, die im Wahlkampf um das Amt des Präsidenten in der Bevölkerung nicht vorhanden war. Denn in Wirklichkeit verlief der Wahlkampf ohne Höhepunkte und ohne Themen, die die Wähler tatsächlich berührten. Dazu beigetragen hat bereits das Datum der Wahl, die am zweiten Jänner stattfindet. Winter, Weihnachtsfeiertage und Jahreswechsel sind auch bei den Kroaten nicht die geeignete Zeit, um eine aufgeheizte Wahlkampfstimmung zu erzeugen. Darunter zu leiden hatte vor allem die stellvertretende Ministerpräsidentin Jadranka Kosor. Sie wurde von der Regierungspartei HDZ ins Rennen geschickt. Die attraktive 51-jährige Kosor mühte sich redlich, nicht nur bei ihren Auftritten, sondern auch bei der Suche nach geeigneten Themen. Von Amtsinhaber Stipe Mesic und sogar von der eigenen Partei versuchte sich Kosor durch ihre Ablehnung eines wirtschaftlich wichtigen Öl-Pipeline-Projekts abzugrenzen. Die Ölleitung soll die russische Pipeline Druzba mit der Adria verbinden, ein Projekt, das vor allem von Umweltschutzgruppen und von der katholischen Kirche abgelehnt wird. Um katholische Wähler ging es auch, als sich Kosor für ein Referendum zum Verbot der Abtreibung aussprach, um sich von Mesic abzugrenzen. Doch all das waren Randthemen, die nur kurzfristig für Schlagzeilen sorgten, ohne tiefgreifende Wirkung zu entfalten. Denn bei diesen Themen hat der Präsident kaum Kompetenz, obwohl er in Kroatien mehr zu reden hat als etwa in Österreich. So liegt denn Kosor je nach Umfragen zwischen 20 und 30 Prozent hinter Stipe Mesic. Er hat sogar die Chance, bereits im ersten Durchgang die absolute Mehrheit und damit die Wahl zu gewinnen. Mesic liegt je nach Umfrage zwischen 45 und 50 Prozent. Der am 24. Dezember 70 Jahre alt gewordene Mesic setzte nicht auf Großveranstaltungen, sondern auf den direkten Kontakt zum Wähler, um Popularität und Volksnähe ausspielen zu können. Spannend könnte es nur werden, wenn es doch zu einem zweiten Wahlgang zwischen Mesic und Kosor kommt. Dazu sagt der Meinungsforscher Dragan Bagic:

„Mesic kann auf fast alle Wähler zählen, die für ihn im ersten Wahlgang gestimmt haben. Das gilt auch für Jadranka Kosor, doch sie kann auch die Wähler der übrigen Kandidaten mobilisieren. In welchem Ausmaß ihr das gelingt, wird über ihr Abschneiden entscheiden. Wenn sie diese Wähler nicht mobilisieren kann, ist der Sieg von Präsident Mesic praktisch sicher. Mesic kann jedenfalls nicht auf viele Wähler hoffen, die im ersten Wahlgang für andere Kandidaten gestimmt haben.“

Grund dafür ist, dass die meisten der 11 Zählkandidaten dem rechten politischen Spektrum angehören. Dazu zählen auch fünf unabhängige Bewerber, wie etwa ein ehemaliger Fußballtrainer und ein Auslandskroate, der in den USA reich geworden ist. Sie alle haben die erforderlichen 10.000 Unterschriften für die Kandidatur eingereicht, spielen im Kampf um das Präsidentenamt jedoch keine Rolle. Politisch von zweitrangiger Bedeutung ist die Wahl trotzdem nicht. Denn der kroatische Präsident hat bei der Ernennung und Entlassung des Geheimdienstchefs und von hohen Offizieren der Streitkräfte ein gewichtiges Wort mitzureden. Außerdem bildet gerade Amtsinhaber Stipe Mesic auch ein deutliches Gegengewicht zur HDZ, die unter Ministerpräsident Ivo Sanader die kroatische Innenpolitik dominiert. Sanader ist ein Jahr im Amt und für ihn ist die Wahl der erste große Stimmungstest. Besonders wichtig ist für ihn daher, dass es zur Stichwahl kommt, und dass seine Kandidatin dabei nicht schlechter abschneidet als Sanader selbst bei der Parlamentswahl vor einem Jahr. Die Wahllokale schließen in Kroatien am zweiten Jänner um 19 Uhr. Erste Ergebnisse werden für die Nacht erwartet.

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