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Vor Machtwechsel in Kroatien

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In Kroatien wird es nach der gestrigen Parlamentswahl aller Voraussicht nach zu einem Machtwechsel kommen. Die konservative HDZ ist eindeutiger Sieger der Wahl und ihr Vorsitzender Ivo Sanader dürfte daher von Staatspräsident Stipe Mesic mit der Regierungsbildung beauftragt werden. Verlierer ist die Sozialdemokratische Partei von Ministerpräsident Ivica Racan. Sie hat mit ihren Koalitionspartnern keine Mehrheit mehr im Parlament. Ein offizielles Endergebnis der Parlamentswahl liegt jedoch noch nicht vor, weil vor allem die Stimmen der Auslandskroaten noch nicht in Mandate übertragen sind. Doch auch die Diaspora tendiert traditionell eher zum Wahlsieger HDZ. Aus Zagreb berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In Kroatien hat der Wähler voraussichtlich doch ein deutlicheres Mandat für einen Machtwechsel erteilt all das die Meinungsforscher vorhergesagt haben. Am klarsten zeigt dies der Unterschied zwischen der Sozialdemokratischen Partei des noch amtier-enden Ministerpräsidenten Ivica Racan und der konservativen HDZ von Ivo Sanader. Die Sozialdemokratie verlor fast ein Viertel ihrer Mandate und hat nur mehr 34 Sitze im Parlament, das ohne Vertreter der nationalen Minderheiten und der Auslands-kroaten 140 Sitze umfasst. Die HDZ dagegen legte 17 Mandate zu und stellt nun 62 Abgeordnete im Parlament. Rechnet man zu HDZ und SDP jeweils noch die kleineren Parteien hinzu, so verfügt der Mitterechtsblock derzeit über etwa 73 und der Mitte-linksblock über 54 Sitze, wiederum ohne Auslandskroaten und Minderheiten. Selbst mit den acht Abgeordneten der Minderheiten verfehlt die amtierende Regierung die Mehrheit. Dagegen könnte der Rechtsblock um die HDZ mit den Abgeordneten der Diaspora möglicherweise die absolute Mehrheit erreichen. In das Spiel um die Macht einzubeziehen sind aber noch die Bauernpartei mit neun und die Pensionistenpartei mit drei Abgeordneten. Vor allem die Bauernpartei wird jenseits aller weltanschau-lichen Fragen ihre Stimmen dem Meistbietenden verkaufen. Das könnte möglicher-weise auch auf die nationalistische HSP zutreffen, die an sich dem Block um die HDZ angehört. Bis zu einem allfälligen Machtwechsel wird bei den nun folgenden Koali-tionsgesprächen hoch gepokert werden. Denn auch der sozialdemokratische Minister-präsident Ivica Racan ist flexibel genug, ideologische oder moralische Vorbehalte zu vergessen wenn es um den Machterhalt geht. Der Sieger dieses Machtspiels steht so-mit noch nicht fest, obwohl Ivo Sanader die stärkeren und besseren Karten hat. Er dürfte vom Staatspräsidenten voraussichtlich als Vorsitzender der klar stärksten Partei zunächst den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Daher ist der Machtwechsel derzeit die wahrscheinlichere Option. Ob damit aber auch ein Politikwechsel ver-bunden sein wird, ist mehr als zweifelhaft. Denn auch die konservative HDZ will den EU-Beitritt Kroatiens binnen vier Jahren erreichen. Diese Vorgabe schränkt den Handlungsspielraum jeder Regierung massiv ein, ganz gleich wer das Kabinett auch bilden mag. Zur weiteren Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal besteht daher ebenso wenig eine Alternative wie zur Beschleunigung der Reformen. Justiz und Grundbuchwesen müssen dringend reformiert und die Bürokratie abgebaut werden. Vermindern muss die neue Regierung auch die enormen regionalen Unterschiede und die Auslandsverschuldung, während die Konkurrenzfähigkeit der kroatischen Waren erhöht werden muss. Die neue Regierung steht somit vor enormen Aufgaben, die keine ideologischen Scheuklappen erlauben aber sehr viel Effizienz und Umsetzungs-kraft erfordern. Diesen nötigen Pragmatismus sollte die EU nicht nur fördern, sondern gegenüber Kroatien selbst aufbringen. Abgesehen von Slowenien ist Kroatien das einzig stabile Land und der einzige Kandidat für einen EU-Beitritt in absehbarer Zeit unter den ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken. Diese stabilisierende Rolle Kroatiens gilt es zu stärken und zu belohnen, damit das kroatische Beispiel auch den anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken klar zeigt, dass sich Geduld und konsequente Reformen auszahlen, so weit das Licht am Ende des Tunnels derzeit in diesem Teil des Balkans auch immer entfernt sein mag.

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