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Kroatien und die EU - Interview mit Ministerpräsident Ivo Sanader

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Berichte Kroatien
Seit drei Jahren verhandelt Kroatien mit der EU über den Beitritt. Doch das Tempo dieser Gespräche ist nicht gerade berauschend. Von 35 Kapiteln wurden erst zwei leichte abgeschlossen, und zwar im Jahre 2006. Im Vorjahr konnte überhaupt kein einziges Kapitel ausverhandelt werden. Die Gründe dafür liegen auf beiden Seiten. So wirft Brüssel Kroatien vor, bei Schlüsselreformen wie Justiz und Verwaltung sowie im Kampf gegen die Korruption säumig zu sein. Im Gegenzug wirft Zagreb der EU und einzelnen Mitgliedsstaaten vor, die Eröffnung von Kapiteln zu ´verzögern. Dieser Vorwurf richtet sich vor allem an Slowenien. Die Beziehungen mit dem Nachbarn sind seit Jahren wegen des Grenzstreits belastet. Zusätzlich erschwert wurden sie mit Jahresbeginn, weil Kroatien in der Adria eine ökologische Fischereizone in Kraft gesetzt und damit seine Hoheitsrechte ausgeweitet hat. Davon betroffen sind auch die Interessen Italiens und seiner mächtigen Fischer. Olli Rehn, der EU-Kommissar für die Erweiterung, hat Kroatien erst jüngst wieder vor einer Verzögerung des Beitritts gewarnt, sollten diese bilateralen Fragen nicht gelöst werden. Über diese Probleme und den an sich für 2009 geplanten Abschluss der Verhandlungen hat in Zagreb unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Ministerpräsident Ivo Sanader das folgende Interview geführt:

W: Herr Ministerpräsident! Wie beurteilen Sie den derzeitigen Stand der EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien? Es sind im Vorjahr weit weniger Kapitel eröffnet worden als erwartet und es ist auch kein einziges Kapitel abgeschlossen worden. Woran liegt das?

S: Es liegt an beiden Seiten, dass will ich ganz klar sagen. Wir haben 16 Kapitel eröffnet, wir haben 2007 erwartet, dass viel mehr eröffnet werden, das hat uns auch der Erweiterungskommissar versprochen; es ist zum Schluss viel weniger geworden. Das führt uns auf eine Strategie jetzt, die ich gerade der Regierung vorgelegt habe, d.h., wir werden unsere Hausaufgaben erledigen, aber dann muss auch die zweite Seite, das sind die Kommission und die Mitgliedstaaten, die sollen auch Gas geben.

W: Slowenien hat die EU-Präsidentschaft; ein eisernes Gesetz der Präsidentschaft ist die Neutralität, d.h., man darf nicht in eigener Sache tätig werden. Wie erlebt denn Kroatien die EU-Präsidentschaft angesichts der Tatsache, dass Slowenien die Eröffnung von drei Kapiteln blockiert?

S: Seit 2006 blockiert Slowenien informell drei Kapitel; das ist nicht gut, und ich bin jemand, der sehr dafür eintritt, dass Kroatien und Slowenien zwei Freunde sind, die ja zwar ein paar offene Fragen haben, also die will ich nicht negieren, aber die sollte man vor allem nicht auf die europäische Agenda setzen, und das ist leider Gottes der Fall.

W: Freunde können ja unterschiedliche Formen von Freundschaft haben. Dimitri Rupel hat im Europäischen Parlament und an anderer Stelle erklärt, dass Slowenien und Kroatien de facto keine diplomatischen Beziehungen hätten …

S: Das ist ein Blödsinn, das ist ein Blödsinn, das ist ihm herausgerutscht.

W: Aber Slowenien sagt, es will die Erweiterung beschleunigen, auf der anderen Seite sind sie, was Kroatien betrifft offensichtlich jemand, der die Erweiterung eigentlich behindert?

S: Ja, dass kann man zur Zeit leider Gottes so sagen, obwohl ich hier trennen muss. Es gibt keine Äußerung des Ministerpräsidenten Jansa, die unsere Beziehungen verschlechtert hat, aber es gibt auch der anderen Seite einigen Äußerungen und Aussagen des Außenministers, die dann das gemacht haben.

W: Warum ist die Fischereizone so wichtig für Kroatien?

S: … so wichtig für Kroatien wie für jedes andere Land, das sie proklamiert hat, diese Zone auf der Basis der UNO-Konvention für Seerecht; und es haben sehr viele Länder, wenn nicht alle Mitgliedsstaaten der EU eine Art von dieser Zone ausgerufen und implementiert. Warum soll es nicht auch Kroatien tun. Es soll zumindestens in der EU keine doppelten Standards gelten. Wir haben für die Mitgliedsstaaten diese Zone seit Herbst 2003 ausgesetzt. Jetzt ist 2008, also fünf Jahre ausgesetzt, das ist genug. Mein Vorschlag ist ergangen an Rom an Laibach und an Brüssel, dass wir uns zusammensetzen und dieses Problem lösen. Es ist lösbar; nicht lösbar ist eine eventuelle Blockade seitens Sloweniens oder Italiens; das wäre natürlich keine gute Sache, denn man kann jemanden nicht blockieren, wenn er die UN-Konvention implementiert.

W: Wann wird Kroatien EU-Mitglied werden nach ihrer derzeitigen Prognose?

S: Ich prognostiziere sehr ungern; wir haben also sehr viele Hausaufgaben zu tun; ich hoffe, dass auch die zweite Seite, die Kommission und die Mitgliedsstaaten uns begleiten, dann ist das Datum des Beitritts sehr nahe; wenn das nicht so geht, dann wird es etwas länger dauern, was auch nicht Tragödie sein wird. Ich prognostiziere auch nicht gerne das erste Match in der Europameisterschaft zwischen Kroatien und Österreich. Ich kann nur etwas ansagen, und das tue ich gerne, dass ich wahrscheinlich mit dem österreichischen Bundeskanzler gemeinsam dieses Spiel im Prater sehen werde.

W: Am Tag Ihres Geburtstages …

S: … am Tage meines Geburtstages und ich hoffe, die kroatische Nationalmannschaft wird mir ein gutes Geschenk bereiten.

W: Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank für das Gespräch.

S: Ich danke Ihnen.

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