Neue Spannung zum Kosovo
Die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien haben einen weiteren Tiefpunkt erreicht. Anlass dafür ist die Entscheidung der albanischen Führung in Pristina, dass serbische Autokennzeichen im Kosovo keine Gültigkeit mehr haben. Dieser Beschluss wurde gestern an zwei Grenzübergängen im serbisch dominierten Norden des Kosovo auch unter dem Einsatz von Sonderpolizei umgesetzt. Serbien wirft dem Kosovo vor, dadurch bilaterale Verträge zu verletzen und auch die Bestimmungen der Brüsseler Vereinbarung aus dem Jahre 2013 nicht umzusetzen; sie wurde unter Vermittlung der EU geschlossen. Serbien erkennt den Kosovo weiter nicht an; aus Belgrad berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:
Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti vertritt gegenüber Serbien eine Politik der Reziprozität; das bedeutet, dass der Kosovo sich genauso verhält wie Serbien. Da Belgrad die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz nicht anerkennt, müssen Kosovo-Albaner bei der Durchreise mit dem Auto ihre kosovarischen Nummernschilder abmontieren und durch provisorische Kennzeichen ersetzen. Dasselbe müssen nur Serben bei der Einreise in den Kosovo tun. Durchgesetzt wurde diese seit gestern geltende Regelung unter dem Einsatz von Sonderpolizei, wobei Serben an den zwei Grenzübergängen dagegen protestierten. 2013 unterzeichneten Belgrad und Pristina unter der Vermittlung der EU die Brüsseler Vereinbarung über eine Normalisierung der Beziehungen; doch bei den Verhandlungen darüber herrscht seit Jahren Stillstand; Belgrad wirft Pristina vor, ein Herzstück dieser Vereinbarung, die Bildung eines serbischen Gemeindebundes im Kosovo, nicht umzusetzen. Dazu sagte gestern Präsident Alexander Vucic in Belgrad:
8'24'5 - Brüssel Vereinbarung - 9'37'9
"Der serbische Gemeindebund betrifft die ersten sechs Punkte; doch auch nach vielen Jahren weigern sich die Albaner, diesen Gemeindebund zu bilden. Sie sagen, dass dieser Bund nur im Rahmen des Erkanntnisses ihres sogenannten Verfassungsgerichtshofs gebildet werden kann, der 22 der 23 vereinbarten Zuständigkeiten dieses Gemeindebundes für verfassungswidrig erklärt hat. Das ist die Haltung der Albaner, die sich aber in der Brüsseler Vereinbarung ausdrücklich verpflichtet haben, ihre Rechtsordnung anzupassen, damit dieser Bund gebildet werden kann. Doch wenn derselbe Verfassungsgerichtshof von den Albanern verlang, dem serbischen Kloster Decani sein Land zurückzugeben, dann sagen sie, was kümmert uns dieser Gerichtshof."
Die neue Kennzeichen-Regelung kann auch als politische Ohrfeige für die EU und ihren Kosovo-Sondergesandten Miroslav Lajcak verstanden werden. Lajcak kam gestern gerade aus dem Kosovo nach Belgrad und dürfte über diese Maßnahme nicht informiert gewesen sein. Wegen der Erweiterungsmüdigkeit einiger EU-Staaten besteht für den gesamten Westbalkan keine reale EU-Beitrittsperspektive. Die Frustration über die EU zählt somit zu den wenigen politischen Gemeinsamkeiten, die Serbien und der Kosovo teilen.