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Wie weiter im Kosovo?

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Berichte Kosovo
Nach der Parlamentswahl im Kosovo steht derzeit nur drei Dinge fest: der Sieger ist die Protestbewegung „Selbstbestimmung“ die vor allem unter der Jugend starken Zulauf hat. 17 Jahre nach Kriegsende und 9 Jahre nach der Unabhängigkeit sind immer mehr Kosovo-Albaner mit den politischen Eliten unzufrieden, die sich das Land auf korrupte Weise aufgeteilt haben – ein Balkan-Klassiker sozusagen. Die bisherige Regierungspartei LDK fiel auf den dritten Platz hinter „Selbstbestimmung“ zurück und wird wohl in die Opposition gehen müssen. Doch auch die Koalition PAN, das Bündnis der Partei PDK unter Kadri Veseli und des ehemaligen Freischärler-Führers Ramush Haradinja, schnitt schlechter ab als vorhergesagt. PAN erreichte 35 Prozent, das könnte im Parlament mit seinen 120 Abgeordneten zwischen 40 und 42 Mandate bedeuten. Liegt PAN bei mehr als 40 Sitzen ist eine Koalition mit den nationalen Minderheiten möglich, die über 20 gesicherte Sitze im Parlament verfügen; davon entfallen 10 auf die serbische Volksgruppe, wobei noch unklar ist, ob die Serben noch das eine oder andere Mandat hinzugewonnen haben. Reicht das nicht zur absoluten Mehrheit, wird PAN wohl versuchen, aus der LDK-Vorwahlkoalition Kleinparteien zu gewinnen; ein entsprechendes Angebot wurde noch in der Wahlnacht unterbreitet.

Innenpolitisch wie auch im Verhältnis zu den Kosovo-Serben und zu Belgrad muss eine derartige Regierung, sollte sie zustande kommen, politisch weder Stillstand noch Eiszeit bedeuten. Die bisherige Regierung hatte eine breite Mehrheit, erzielte aber kaum Resultate; dagegen steht ein möglicher Regierungschef Ramush Hardinaj unter dem Druck von starker Opposition und Öffentlichkeit, wirklich einige Reformen umzusetzen, und mit dem Kampf gegen Korruption und Bürokratie ernst zu machen. Die Kosovo-Serben wiederum können in einer derartigen Regierung viel erreichen. Sie müsste wohl sehr rasch den Verband der serbischen Gemeinden billigen, den die Serben auch bei den Verhandlungen in Brüssel zwischen Pristina und Belgrad seit Jahren fordern. Nicht nur am Balkan waren ehemalige Ultranationalisten oft zu historischen Kompromissen fähig, weil ihnen niemand „nationalen Verrat“ vorwerfen kann. Entscheidend wird dabei sein, ob und wie Aleander Vucic und Ramush Haradinaj miteinander können, der wegen seiner Rolle im Kosovo-Krieg für Serbien bisher ein „rotes Tuch“ war.

Ein Erfolg wird aber ohne massiven Einsatz aus den USA und Deutschland kaum möglich sein, weil die EU diese Rolle mangels Beitrittsperspektive im Kosovo und am Balkan nicht spielen kann. Ändern sollten die EU und ihre Mitglieder auch ihre Haltung zur Visaliberalisierung; die letzte Bedingung – die Ratifizierung des Grenzabkommens mit Montenegro durch den Kosovo – ist außer Reichweite, weil es dazu im Parlament in Pristina die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nicht geben wird. Im Kosovo dürften real 1,5 Millionen Menschen leben. Während die Ukrainer trotz Krieges und 40 Millionen Einwohnern seit Sonntag visafrei in die EU reisen können, besteht für den Kosovo als letztem Land in Südosteuropa weiter Visapflicht. Sie war wohl ein Wahlhelfer für die Partei „Selbstbestimmung“. Die Wahlen im Kosovo sind ein weiteres Beispiel am Balkan, dass die EU trotz ihrer Krisen dieser Region wieder mehr Aufmerksamkeit widmen muss.
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