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Vor Lokalwahlen mit massivem Wahlbetrug und wenig Serben?

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Berichte Kosovo
Im Kosovo finden am Sonntag Lokalwahlen statt. Dass sie auch für Österreich und die EU relevant sind, liegt daran, dass sie einen wichtigen Test für die weitere EU-Annäherung des Kosovo und Serbiens darstellen. Beide Staaten haben im April ein Abkommen über die Normalisierung ihrer Beziehungen geschlossen; dazu gehört, dass die Wahlen zum ersten Mal seit dem Kosovo-Krieg der NATO im Jahre 1999 auch im serbisch dominierten Nordkosovo nach kosovarischen Gesetzen stattfinden. Zu diesem Zugeständnis hat sich Serbien durchgerungen, um im Jänner Beitrittsverhandlungen mit der EU beginnen zu können. Unter den Kosovo-Serben ist die Freude darüber allerdings begrenzt, berichtet aus dem Kosovo unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz

Die Regierung in Belgrad ist aus zwei Gründen an einer möglichst hohen Teilnahme der Kosovo-Serben an den Lokalwahlen interessiert. Erstens geht es um die Legitimierung der Brüsseler Vereinbarung über die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo; zweitens geht es darum, dass nach der Wahl ein serbischer Gemeindebund im Kosovo gebildet werden soll, den Belgrad durch seine Liste „Srpska“ dominieren möchte. Beim Besuch in der Gemeinde Gracanica wenige Autominuten von Pristina entfernt, rief der stellvertretende serbische Ministerpräsident Alexander Vucic seine Landsleute daher zur Stimmabgabe auf:

„Unsere Aufgabe ist es, in Frieden die Zukunft unserer Kinder zu gewährleisten. Bei den Wahlen wählen wir zwischen dem Fortbestand unseres Volkes hier und einer außerordentlich ungewissen Zukunft und dem Verschwinden unseres Volkes im Kosovo.“

In Gracanica und den anderen fünf Serben-Gemeinden südlich des Flusses Ibar, die unter einer albanischen Mehrheit leben, dürfte diese Botschaft auf fruchtbaren Boden fallen. In den kleinen Serben-Parteien, die mit den Albanern zusammenarbeiten, sehen viele Serben Hochverräter. Von Belgrad erhofft man sich aber Hilfe beim Kampf um ein besseres Leben unter kosovarischen Gesetzen. Daher definiert der Bürgermeister-Kandidat in Gracanica, Branimir Stojanovic, die Aufgabe der Liste „Srpska“ so:

„Wir müssen einen Rahmen schaffen, in dem ein normales Leben möglich ist, und zwar jenseits des schwierigen Themas der Unabhängigkeit des Kosovo. Meine politische Haltung und meine Gefühle als Serbe sind völlig klar definiert; doch ich bin mir bewusst, unter welchen Gesetzen ich lebe, aber wir müssen die Probleme des täglichen Lebens lösen, damit die Serben hier ihre nationale Identität bewahren können.“

Weit massiver sind dagegen die Vorbehalte im serbisch-dominierten Nordkosovo, und zwar selbst bei den Serben, die Belgrad unterstützen. Daher begründet der Bürgermeister-Kandidat der Liste „Srpska“ im Norden der geteilten Stadt Kosovoska Mitrovica, Krstimir Pantic, sein Antreten so:

„Wir haben uns zur Teilnahme entschlossen, weil wir im Norden die Macht nicht den Albanern überlassen wollen. Das heißt nicht, dass wir anders denken. Wir haben uns nur zu einem Kampf mit anderen Mitteln entschlossen, um Pristina Widerstand zu leisten, das seine Institutionen und Gesetze im Nordkosovo durchsetzen will.“

Nicht wenige Serben im Norden sehen in der Politik Serbiens eine de facto Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo. Daher ist im Norden die Boykottbewegung am stärksten. Begleitet wurde sie von Bombenanschlägen gegen Häuser von Serben, die zur Kandidatur bereit waren. Angesichts der Spaltung der Minderheit, ist es kein Wunder, dass insgesamt 31 serbische Listen antreten. Massive Zweifel gibt es am korrekten Ablauf der Wahl. Wahlberechtigt sind knapp 1,8 Millionen Bürger; doch der Kosovo hat nur etwas mehr als 1,7 Millionen Einwohner; davon sind 500.000 unter 18 Jahre alt und somit nicht wahlberechtigt. Ob das Großaufgebot auch an internationalen Beobachtern Wahlbetrug wird verhindern können, ist daher zweifelhaft.

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