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Zwei Rückkehrer in den Kosovo

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Vor einer Woche kehrte die Familie Zogaj aus Oberösterreich in den Kosovo zurück. Diese Rückkehr ist im Kosovo ist kein Einzelfall, denn sehr viele Familien müssen nach Erklärung der Unabhängigkeit aus Deutschland, der Schweiz oder anderen Ländern wieder in ihre Heimat zurückkehren. Manche Familien kehrten auch unmittelbar nach dem Krieg zurück, weil sie sich ein besseres Leben im Kosovo erhofften, neue Arbeit und neue Chancen. Unser Balkan-Korrespondent, Christian Wehrschűtz hat mit zwei Rückkehrern, im Alter von 21 und 20 Jahren gesprochen. Die beiden arbeiten in Pristina, in einem Callcenter , das von einer deutschen Firma betrieben wird und Kunden für deutsche Unternehmen wirbt. Mit ihnen hat er über ihr Leben gesprochen, und den folgenden Bericht über zwei junge Kosovaren gestaltet:

„Mein Name ist Laura Hartmann. Der Grund meines Anrufs ist folgender. Sie erhalten in den nächsten Tagen ein Schreiben...“

Die Stimme, die deutsche Kunden für deutsche Firmen wirbt, sitzt in einem Callcenter im Kosovo. „Claudia Hartmann“ ist ein Pseudonym, das die 21 jährige Albanerin Adelina Krasniqi verwendet, um Kunden nicht zu verschrecken. Im Callcenter arbeiten 250 Rückkehrer aus Deutschland. Für sechseinhalb Stunden Arbeit pro Tag werden 350 Euro Netto pro Monat bezahlt. Große Sprünge seien mit diesem Gehalt natürlich nicht möglich, sagt Adelina Krasniqi:

„Naja, das Leben ist hier sehr teuer, sehr, sehr teuer würde ich mal sagen. Klamotten, naja und so, türkische Klamotten ziehe ich selber aber nicht an. Wenn man zum Beispiel Klamotten kaufen möchte, dann natürlich jeden Monat muss man ein Bisschen kaufen, zum Beispiel einen Monat eine Hose, dann den nächsten ein T-Shirt, aber nicht zum Beispiel für 100 oder 200 Euro was kaufen, shoppen gehen, das geht nicht, das kannst Du nicht.“

Ihren Freund Shpend Giyshinca hat Adelina im Callcenter kennen gelernt. Beide leben noch bei ihren Eltern und werden von ihnen finanziell unterstützt. Shpend lebt in der Stadt Vustri im Norden des Kosovo; sein Vater arbeitet als Polizist in Pristina, seine Mutter ist Kindergärtnerin. Adelina wohnt in einem Dorf in der Nähe von Pristina. An ein Zusammenziehen ist nicht zu denken, weil selbst eine Ein-Zimmerwohnung am Stadtrand für beide zu teuer wäre, erläutert der 22-jährige Shpend Giyshinca:

„Eine mittelmäßig Miete ist hier schon bei 300-350 Euro und dann hätten wir zum Beispiel noch 350 zum Essen und zum Trinken, also für Klamotten kommt gar nicht in Frage. Das ist wirklich extrem schwer, das Leben zu führen, mit so einem Gehalt, das ist wirklich wenig.“

Adelina und Shpend verbindet ein gemeinsames Schicksal. Beide stammen aus Familien, die in Deutschland gelebt haben. Adelinas Eltern kamen 1992 nach Leverkusen als das Mädchen drei Jahre alt war; Shpend kam 1994 mit seinen Eltern nach Trier; er war damals bereits sieben Jahre alt. Beide Kinder lernten rasch Deutsch und besuchten deutsche Schulen. Nach dem Kosovo-Krieg kehrten beide Familien im Jahre 2000 in den Kosovo zurück. Die Gründe beschreiben Adelina und Shpend so:

Adelina:

„Unsere Oma, Opa, die waren alle allein hier, und mein Vater ist familienbesessen. Als er gekommen ist, war er Fliesenleger und nach dem Krieg wurde sehr viel renoviert, Häuser und so. Da hat er gesagt: „Ja, es gibt ganz gute Arbeit, deswegen komme ich hierher. Und er wollte in die Heimat zurückkommen. Definitiv.“

Shpend:

„Und als der Krieg dann vorbei war, dann sind wir auch sofort zurückgekommen. Wir waren unter den ersten die zurückgekommen sind, das heißt wir waren freiwillig zurückgekommen, weil wir wollten unbedingt wieder zurück, die Großeltern waren hier alleine.“

Der Verlust der Freunde aus Deutschland fiel beiden zunächst gleichermaßen schwer. Doch das war nicht der einzige Umstand, der die neue Umgebung zunächst gewöhnungsbedürftig machte, wie sich Adelina Krasniqi erinnert:

„Sofort in Pristina als wir kamen, war eine Mülltonne und da gab es nichts drinnen, die war komplett leer und rund herum war es wie eine Torte, richtig Abfall, das habe ich nicht so gelernt, das war was Interessantes, so zu sagen.“

Shpend Giyshinca wiederum musste lernen, dass deutsche Pünktlichkeit im Kosovo nicht existiert:

„Ich wollte Fußball wieder anfangen hier und mit dem Training anfangen. Ich sollte so gegen 16 Uhr da sein, und ich war schon halbe Stunde vorher da und ich wollte natürlich pünktlich sein und musste natürlich noch fast eine Stunde warten, bis die anderen Trainer und alle zusammen gekommen sind. Aber die anderen, die Freunde waren so gewohnt. Die sagten zu mir: Warum gehst du so früh? Wenn jemand zu dir sagt „16 Uhr“, dann geh´ halbe Stunde später, es heißt dass sie vor einer Stunde gar nicht kommen.“

Zehn Jahre sind nun vergangen, und seit mehr als zwei Jahren ist der Kosovo nun ein unabhängiger Staat. Shpend ist nun stolz, einen eigenen kosovarischen Pass zu besitzen; eine Rückkehr nach Deutschland ist für ihn kein Thema mehr:

„Es würde es mir auch jetzt nicht vorstellen, wenn ich ehrlich bin, in Deutschland oder in einem anderem Land zu leben, weil ich habe hier meine Freunde und ich fühle mich hier wohl, obwohl es hier gar nicht so gut ausschaut, aber ich fühle mich hier sehr gut. Ich würde mal vielleicht im Urlaub nach Deutschland wieder fahren und anschauen, wie es da aussieht und was da Interessantes gibt aber für eine weitere Zeit , für immer zu leben, würde ich es mir nicht vorstellen.“

Diese Einstellung überrascht durchaus. Denn neben ihrer Arbeit im Callcenter studieren Shpend und Adelina und zwar sogar an einer Privatuniversität, wo etwa Adelinas Wirtschaftsstudium pro Semester 1.200 Euro kostet. Trotzdem sind die Aussichten auf einen Arbeitsplatz nicht gerade rosig; und mit den Politikern des Kosovo ist Shpend auch nicht besonders zufrieden. Shpend und Adelina sind überzeugt, dass sich der Kosovo modernisieren muss, um Mitglied der Europäischen Union werden zu können. Einem Ausländer würden sie ihr Land so beschreiben:

Adelina:

„Also erstmals würde ich sagen Europa, dann würde ich sagen Balkan, vielleicht haben sie gehört von 1999., es war Krieg, Jugoslawien hat sich aufgeteilt, und ein kleiner Staat, Entschuldigung, ein kleines Land ist dann mein Land. ´

Shpend:

„Das gleiche, mit dem Krieg ein Bisschen auskommen, man kann auch nichts Positives sagen, das ist das Problem, weil man muss schon was machen, damit dich die Länder auch kennen. Und es gibt auch nichts was man dazu sagen kann.

Adelina:

Hier gibt es keinen Albert Einstein oder so. Menschen im Kosovo, die weltbekannt sind, die kenne ich nicht, die gibt´s auch denk´ ich mal nicht, nein.“

Die zwei jungen Kosovo-Albaner wollen ihr Studium im Ausland abschließen. Stipendien im Ausland sind nicht leicht zu bekommen; und von der Via-Freiheit ist ihr Land noch weit entfernt, und das schmerzt die beiden sehr:

Shpend:

„ Natürlich, das ist auch ein großes Problem, da fühlt man sich nicht so gut, weil, wenn zum Beispiel die Länder die in der Nähe von uns sind, die Liberalisierung auch bekommen und wir es nicht, ist psychologisch sehr schwer, da fühlt man sich auch einsam. Als Student willst du auch mal ins Ausland fahren und sich anschauen, was da für andere Kulturen gibt.

Adelina:

Wir sind ja jung, und möchten sehr viele neue Kulturen lernen. Ich war ja in Deutschland, noch ein Bisschen in der Schweiz, aber wie schon gesagt, man möchte vielleicht um die Welt fahren und ich würde gerne in Europa sowieso irgendwohin, aber auch in andere Kontinente fahren. Aber wenn das nicht geht, dann geht´s leider nicht. Natürlich ist es wir sind davon betroffen, wir als Jugend, wir möchten vielleicht irgendwohin anders fahren, aber naja.“

Hinzu kommt, dass der Fußballfan Shpend Giyshinca seit seinem Aufenthalt in Deutschland einen ganz besonderen Wunsch hegt. Sein Lieblingsklub ist auch im Kosovo der deutsche Rekordmeister geblieben:

„FC-Bayern, natürlich FC-Bayern, es ist ein Traum, mal dorthin zu fahren und ein Spiel anzuschauen und mal in der Sebnerstrasse vorbei zu gehen, um mal anzuschauen was die Spieler so erleben, das war immer und es wird immer mein Traum bleiben. Ich hoffe ich werde nicht vorher sterben, bevor ich hinfahre und das mir auch anschauen kann.“

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