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EULEX im Kosovo ante portas

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Berichte Kosovo
Im Kosovo wird die EU-Mission EULEX am Dienstag offiziell ihre Tätigkeit aufnehmen. Die größte Mission in der Geschichte der EU umfasst 1900 Personen, Richter, Staatsanwälte und vor allem 1400 Polizisten. Auch 25 Österreicher sind im Einsatz. Ursprünglich hätte EULEX knapp nach der Unabhängigkeitserklärung im Februar überall im Kosovo stationiert werden sollen. Dieser Plan scheiterte aber am Widerstand Serbiens; während nun Belgrad die Mission akzeptiert hat, wächst auf albanischer Seite der Widerstand, berichtet aus der Kosovo-Hauptstadt Prishtina unser Korrespondent Christian Wehrschütz

Etwa 2000 Albaner demonstrierten gestern in Prishtina gegen die EU-Mission, gegen die UNO-Verwaltung und gegen Serbien. Auf den Transparenten stand etwa zu lesen: „Kosovo in der EU nicht unter der EU“. Organisiert hat die Kundgebung die Bewegung Vetvendosje, zu Deutsch Selbstbestimmungsrecht. Der Kosovo müsse souverän werden, fordert der Vorsitzende von Vetvendosje Albin Kurti:

„Unser Innenminister kontrolliert die Polizei nicht, die aus dem Kosovo-Budget bezahlt wird; auch der Privatisierungsfonds ist grundsätzlich weiter in der Hand von UNMIK. UNMIK ist nicht weg, EULEX kommt, doch in Grundfragen hat sich das Leben nach der Unabhängigkeit nicht geändert. Wir brauchen Souveränität und territoriale Integrität und wirtschaftliche Entwicklung, doch beides passiert nicht.“

Sein Nein zu EULEX formuliert Kurti so:

„Wir müssen der EU sagen; bringt keine Richter, keine Polizisten und keine Staatsanwälte mehr, aber investiert in Krankenhäuser und gute Schulen. Die Südosteuropa-Universität in Tetovo kostet zehn Millionen Euro im Jahr; die Kosten für EULEX werden mindestens 350 Millionen Euro betragen; somit kann man 35 Universitäten wie in Tetovo bauen mit dem Geld, das für EULEX vorgesehen ist.“

Der 33-jährige Albin Kurti kann nur auf einige Hundert Aktivisten zählen, doch seine Kritik teilen Viele; sie haben genug von ihrer korrupten und unfähigen Regierung, aber auch von deren kongenialem Partner, der UNMIK; von ihr übernimmt EULEX in abgespeckter Form die Zuständigkeiten bei Polizei und Justiz. Dazu sagt der Politikwissenschaftler Behljul Beqaj:

„Die EULEX ist eine schlechte Kopie der UNMIK, wobei sich inzwischen viel ereignet hat. Dazu zählt vor allem die Bildung serbischer Parallelstrukturen im Kosovo. Man kann sagen, dass es in diesem Quasi-Staat mehrere machtlose Regierende gibt. Dazu zählt die UNMIK, die Probleme mit ihrem Abzug macht; dazu zählt die EULEX, die schon Probleme vor ihrer Stationierung bereitete; und natürlich auch Serbien, das denkt, in den Kosovo zurückkehren zu können. Was es sonst noch gibt, bleibt der Regierung des Kosovo, die es eigentlich nicht gibt.“

Diese Machtlosigkeit ist besonders ausgeprägt im kompakt besiedelten serbischen Norden. Dort war auch das NEIN zu EULEX am größten; bei Ausschreitungen starb im März ein UNO-Polizist. Doch der Regierungs- und damit der Kurswechsel in Belgrad zwangen auch radikale Serbenführer wie Marko Jaksic zum Einlenken:

„Wir werden gegen EULEX keine Gewalt anwenden, denn Serbien hat der Stationierung zugestimmt. Wir verlangen aber eine Schadensbegrenzung; Serbien muss darauf beharrt, dass die UNMIK im Kosovo bleibt und zwar je länger desto besser, und überall dort, wo Serben leben. Wir vertrauen EULEX nicht, denn EULEX ist gekommen, damit die Albaner noch einen Staat errichten können.“

Doch es gibt auch Serben, die EULEX begrüßen. Dazu zählt Rada Trajkovic, die als Ärztin in der Enklave Gracanica arbeitet:

„Am meisten braucht gerade die serbische Gemeinschaft rechtsstaatliche Institutionen. Wir haben noch viele Probleme mit der Rückgabe von Eigentum, mit vermissten Personen, und es fehlen auch Institutionen die daran arbeiten, die Schuld für Verbrechen auf allen Seiten zu individualisieren. So lebt die Bevölkerung weiter in Angst.“

Doch Ängste beschränken sich nicht nur auf Serben und haben nicht nur nationale Gründe. Diese Stimmung beschreibt der albanische Politikwissenschaftler Behljul Beqaj

„Die Geduld der Bevölkerung nähert sich dem Ende, die kritische Masse der Unzufriedenen tritt in Erscheinung, der Winter kommt, Strom gibt es leider keinen, das Brot wurde teurer, die Wasserversorgung wird immer schlechter, und auch die Hoffnung auf Änderungen wird immer geringer.“

EULEX steht somit unter keinem guten Stern, obwohl die Mission auch 500 Kosovaren beschäftigen wird. Doch Bürokratien können die reale Wirtschaft nicht ersetzen; daher wird die EU im Kosovo weit mehr aufbauen müssen als nur den Rechtsstaat, und das zügig, um nicht selbst zum Ziel von Ausschreitungen zu werden.

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