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Die Lage im Kosovo aus der Sicht eines Serben

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Berichte Kosovo
Im Kosovo ist seit einigen Wochen die Stationierung der EU-Justiz und Polizeimission im Gange. Etwa 400 Personen sind bereits im Kosovo, pro Woche sollen es an die hundert mehr werden. Geplant war ursprünglich, dass die EULEX und ein Internationaler Ziviler Repräsentant die bisherige UNO-Verwaltung UNMIK völlig ersetzen sollte. Sie sollte ihre Zuständigkeiten an die EU-Mission und an die Institutionen des Kosovo abgeben, der seit Sonntag auch über eine neue Verfassung verfügt. Doch dieser Plan scheiterte am Widerstand Russlands im UNO-Sicherheitsrat; die UNO-Mission wird nun auf Anordnung von Generalsekretär Ban Ki Mun zwar abgespeckt, bleibt aber vor allem in den Serben-Gebieten und an den Grenzen durch Polizei und Zoll weiter vertreten. Weiter erschwert wird die Arrondierung der Unabhängigkeit des Kosovo durch das strikte Nein der Serben und Belgrads. Wie es nun aus der Sicht der Kosovo-Serben im Kosovo weitergehen könnte, hat vor Ort unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz recherchiert, hier sein Bericht:

Am 17. März kam es im Norden des Kosovo, in der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Kosovoska Mitrovica, zu Zusammenstößen zwischen serbischen Demonstranten und der UNO-Polizei. Ein ukrainischer UNO-Polizist starb, und erst die Friedenstruppe KFOR konnte die Lage bereinigen. Bereits nach der Erklärung der Unabhängigkeit des Kosovo am 17. Februar, hatten Serben im Norden zwei Grenzübergänge zu Serbien in Brand gesteckt. Die UNO zog darauf ihre Zöllner ab, bis heute kehrten sie nicht zurück, und de facto hält den rechtlosen Norden nur die KFOR unter Kontrolle. Größtes Feindbild im Norden ist die EU-Mission EULEX, die als direkter Träger der Unabhängigkeit empfunden wird; und in Kosovska Mitrovica hält der gemäßigte Serben-Politiker Oliver Ivanovic eine EULEX-Stationierung für undenkbar:

„Die EULEX ist derzeit die unerwünschteste Institution im Norden. Mir scheint, dass selbst die Kosovo-Albaner leichter hierher kommen könnten als die EULEX-Mission. Ich erwarte nicht, dass in den kommenden ein bis drei Jahren EULEX hier im Norden implementiert wird; möglich ist das vereinzelt und auf niedrigem Niveau, doch die UNMIK wird hier noch einige Jahre nötig sein.“

Hinzu kommt, dass Belgrad in den Serben-Gebieten konsequent parallele politische Institutionen aufbaut. Sichtbarstes Zeichen dafür waren die Lokalwahlen im Kosovo, die Belgrad am 11 Mai, zeitgleich mit der Parlamentswahl in Serbien durchführte. Darüber hinaus boykottiert die Masse der Serben die albanisch dominierten Institutionen. Was das bedeutet, erläutert Oliver Ivanovic so:

"Das Fehlen der serbischen Vertreter in den Kosovo-Institutionen wird langfristig beiden schaden. Von Aussöhnung kann zwischen Albanern und Serben in den nächsten Jahren gar keine Rede sein; denn eine Aussöhnung ist nur möglich, wenn es ständige Kontakte gibt; eine Aussöhnung auf der Straße kann nicht erfolgen, wenn sie nicht zuvor in den Institutionen stattgefunden hat. Hinzu kommen noch die Wahlen, die Serbien im Mai zum ersten Mal seit 16 Jahren auch auf lokaler Ebene durchgeführt hat. Das ist eine große Tragödie, weil sie bei den Serben das Gefühl schafft, an keiner Wahl je mehr teilzunehmen, die UNO, OSZE oder die Übergangsinstitutionen organisieren. “

Auf Geheiß Belgrads boykottieren die Serben auch die Umsetzung des sogenannten Ahtisaari-Plans. Er war gleichsam das Drehbuch für die Unabhängigkeit, die durch umfassende Schutzbestimmungen für die orthodoxe Kirche und die serbischen Gemeinden erträglicher werden sollte. Die dazu nötigen Gesetze hat das Parlament des Kosovo bereits verabschiedet, doch sie können ohne Serben nicht mit Leben erfüllt werden. Dazu sagt Oliver Ivanovic:

„Sollte die Regierung in Belgrad ihre Haltung gegenüber den technischen Teilen des Ahtisaari-Plans nicht ändern, wie zum Beispiel der Regelung der Dezentralisierung, dann ist dieser Plan tot, und in den nächsten sechs bis zwölf Monaten wird es keine Fortschritte geben. Die Albaner werden zwar unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft Versuche unternehmen, doch die Serben werden an nichts teilnehmen, was Ahtisaari-Plan heißt, wenn kein grünes Licht aus Belgrad kommt.“

Doch noch gibt es in Belgrad keine neue Regierung; und ein proeuropäisches Kabinett könnte mit den Kosovo-Serben Probleme haben, deren Vertreter nationalistischen Parteien angehören. Sollte es der EU nicht gelingen, die Lage im Kosovo binnen Jahresfrist in den Griff zu bekommen, schließt Iavanovic nicht aus, dass es wieder zu Unruhen und doch noch zur Teilung des Kosovo kommt.

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