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Der Norden des Kosovo als Symbol der Teilung

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Berichte Kosovo
Im Kosovo wollen am Sonntag (Montag) die Führer der albanischen Mehrheitsbevölkerung die Unabhängigkeit ausrufen. Während für die Albaner damit ein jahrzehntelanger Traum in Erfüllung geht, sehen die Kosovo-Serben darin einen Alptraum. Sie und auch Serbien haben bereits angekündigt, die Unabhängigkeit keinesfalls zu akzeptieren. Diese Bereitschaft besteht umso weniger weil die Unabhängigkeit ohne Zustimmung des UNO-Sicherheitsrates erklärt werden muss, weil Russland ebenfalls strikt dagegen ist. Welche Folgen für die Unabhängigkeit für die Serben haben kann und wie vor allem der kompakt serbisch besiedelte Norden des Kosovo auf die Unabhängigkeit reagieren könnte, darüber hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz folgenden Bericht gestaltet:

Im Kosovo leben derzeit noch etwa 100.000 Serben. Die Mehrheit von ihnen lebt südlich des Flusses Ibar in Enklaven. Kompakt lebt die Minderheit jedoch im Nordzipfel der Provinz, nördliches des Ibar in der geteilten Stadt Kosovska Mitrovica und in weiteren drei serbischen Gemeinden. In diesem Teil des Kosovo gibt es nur 3.000 bis 5.000 Albaner und 1.000 Bosnjaken. Kosovska Mitrovica selbst war stets ein latenter Unruheherd; hier nahmen auch die Ausschreitungen albanischer Extremisten gegen die Serben im März 2004 ihren Ausgang. Seit damals sind alle Versuche gescheitert, Serben und Albaner zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. De facto gibt es in der geteilten Stadt kaum praktische Zwänge dazu, betont der Koordinator der vier serbischen Gemeinden, Momir Kasalovic:

„Die einzige Verbindung, die wir mit dem Süden haben ist die gemeinsame Wasserleitung, die auch nicht funktioniert, wie sie sollte. Das Wasserwerk ist im Südteil der Stadt, und wir im Norden haben so viel Wasser, wie die Albaner durchlassen.“

Während die Enklaven an die Stromversorgung durch die Albaner gebunden seien, gelte das nicht für den Norden, betont Kasalovic. Im Kosovo haben die Serben seit Jahren Parallelstrukturen aufgebaut. Im Norden wird vorwiegend der Dinar statt des Euro verwendet, wird nach wie vor mit serbischen statt mit kosovarischen Autokennzeichen gefahren. Auch das Geld kommt aus Belgrad. Dazu sagt Milovan Bojovic, der Bürgermeister der 20.000 Einwohner zählenden Gemeinde Leposavic:

„Früher haben wir auch Geld der UNO-Verwaltung verwendet; doch nach all den Ereignissen im Kosovo haben wir im Vorjahr alle Kontakte mit den provisorischen Institutionen des Kosovo abgebrochen. Es gibt keine Beziehungen mehr und auch ihr Geld verwenden wir nicht mehr; das gilt auch für die angebotenen Gehälter.“

De facto ist der Kosovo somit geteilt; Belgrad ist konsequent bestrebt, die Serben trotz der schlechten sozialen und wirtschaftlichen Lage im Kosovo zu halten und seinen Einfluss zu stärken:

„Wenn es zur einseitigen Erklärung der Unabhängigkeit kommt, wird das Serbien weder akzeptieren noch anerkennen und diesen Akt für illegal und nichtig erklären. Gleichzeitig wird Serbien weiter in den Gebieten tätig sein, in denen mehrheitlich Serben wohnen. Dort übt Serbien seine Zuständigkeit aus, und zwar auf den Gebieten, Gesundheit, Soziales und Bildung, kommunale Infrastruktur und auf vielen anderen Gebieten. Serbien wird das noch intensiver machen.“

… betont Slobodan Samardjic, Serbiens Minister für den Kosovo. Geschehen könnte, dass sich alle Serben aus den UNO-Institutionen zurückziehen. Die etwa 200 serbischen Polizisten der Kosovo-Polizei im Norden könnten einfach ihre Uniformen ausziehen; wie bereits die Wahlen, könnten die Serben auch konsequent die neue EU-Polizei- und Justizmission boykottieren:

„Die EU riskiert, Besatzer auf einem Teil des serbischen Territoriums zu sein, das nach der UNO-Resolution 1244 nach wie vor Teil Serbiens ist. Legitim ist nur das, was in der UNO beschlossen wird. Dagegen benimmt sich die EU wie eine Kolonialmacht, was zweifellos für keinen gut ist.“

…sagt Marko Jaksic, einer der Führer der Kosovo-Serben im Norden. Selbst wenn es daher ruhig bleibt, stellt sich die Frage, ob die Unabhängigkeit des Kosovo tatsächlich die letzte offene territoriale Frage im ehemaligen Jugoslawien klärt; oder ob nicht die de facto Teilung der Provinz zementiert wird und der Kosovo in vielen Bereichen gar nicht als einheitliches Staatswesen funktionieren kann.

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