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Interview mit Hashim Thaci über den Kosovo

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Berichte Kosovo
Die Parlamentswahlen im Kosovo haben Mitte November einen Machtwechsel gebracht. Statt der langjährigen Regierungspartei LDK des verstorbenen Präsidenten Ibrahim Rugova wird nun die bisherige Oppositionspartei PDK die Regierung bilden. Ihr Vorsitzender ist, Hashim Thaci, ein ehemaliger Führer der albanischen Freischärler-Bewegung UCK. Thaci führt zwar die stärkste Partei, doch zur Bildung einer Regierung braucht er Koalitionspartner; denn ohne neue Regierung und ohne funktionsfähiges Parlament ist der Kosovo selbst auch nicht in der Lage, die ersehnte Unabhängigkeit von Serbien endgültig ausrufen zu können. Dieses neue Kabinett soll schon in den nächsten Tagen stehen, kündigt er im Exklusivinterview mit unserem ORF-Korrespondenten Christian Wehrschütz in der Kosovo-Hauptstadt-Prishtina an.

Seit dem Ende des NATO-Krieges um den Kosovo im Jahre 1999 hat Hashim Thaci, mit dem UCK-Kampfnamen „Die Schlange“ darauf hingearbeitet, Ministerpräsident werden zu können. Doch die Dominanz der LDK unter Ibrahim Rugova verhinderte stets dieses Ziel. Doch nach dem Tod Rugovas und der Spaltung der LDK schlug für Thaci bei den Parlamentswahlen nun die große Stunde. Er kann der Albaner werden, der als Ministerpräsident die Unabhängigkeit des Kosovo vollzogen hat. Daher drückt Thaci auch bei der Regierungsbildung auf Tempo:

„Ich werde heute ein konkretes Koalitionsangebot vorlegen. Ich werde mit den Parteien eine Vereinbarung schließen, die bereit sind, an meine Visionen zu glauben. In diesem Sinne sind wir einer Vereinbarung sehr nah, und in den nächsten Tagen werden wir die Koalition bekannt geben, die von der PDK geführt wird. Dieser Regierung wird niemand angehören, der unter Korruptionsverdacht steht, der in die Organisierte Kriminalität oder in Affären verwickelt war. Es wird keine Kontinuität mit der jetzigen Regierung geben.“

Diese Versprechen des Hashim Thaci haben auch seine Vorgänger abgegeben; zu messen sein wird Thaci an seinen Taten. Mögliche Koalitionspartner will er noch nicht nennen; doch Thaci sendet ein klares Signal an die Minderheiten aus:

„Meine Regierung wird eine Regierung mit breitem Konsens sein und zwar auch multiethnisch. Ich werde heute auch die Kosovo-Serben treffen, die sich meinem Kabinett anschließen werden. Ich werde mit den Serben und den anderen Minderheiten reden, die im Kosovo leben wollen, damit sie sich integrieren, denn Kosovo ist auch ihr Land. Zu meinen Prioritäten wird es zählen, die Lage der Minderheiten zu verbessern und ihre Rechte zu garantieren sowie die Rückkehr der Flüchtlinge, die in Serbien und Montenegro leben.“

Auch hier werden Taten mehr zählen als Worte; denn nach der Verfassung müssen zwei Serben und ein Vertreter anderer Minderheiten der Regierung angehören. Doch Thacis Hauptproblem wird wohl sein, Serben für Ministerposten zu finden, die auch für ihre Volksgruppe sprechen können und von Belgrad akzeptiert werden. Die Serben haben die Wahlen blockiert und Belgrad setzt alle friedlichen Mittel ein, um die Unabhängigkeit zu verhindern. Daher setzt Thaci auch nicht auf einseitige Schritte, sondern auf eine enge Abstimmung mit dem Westen:

„Statt einseitigen Schritten bevorzuge ich einen koordinierten Einsatz bei der Erklärung der Unabhängigkeit mit den USA und der EU. Wir werden nichts unternehmen, ohne das nicht zuvor mit Washington, Brüssel und der NATO abzustimmen. Doch die bestmögliche Lösung ist der Ahtisaari-Plan. Ahtisaari und Albert Rohan haben eine ausgezeichnete Arbeit geleistet; ihr Dokument gewährleistet die sichere Zukunft des Kosovo, die modern sein wird.“

Der Ahtisaari-Plan sieht eine von USA und EU überwachte Unabhängigkeit des Kosovo vor. Brüssel will mit seiner Zustimmung auf jeden Fall so lange warten, bis in Serbien Anfang Februar der Präsident neu gewählt ist, um die Siegeschancen des gemäßigten Amtsinhabers Boris Tadic nicht zu gefährden. Die Frage, ob der Kosovo noch im Februar die Unabhängigkeit ausrufen wird, beantwortet Thaci allerdings nur ausweichend:

„Ich verstehe die Ungeduld der Kosovaren und ihre Frustration. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Kosovaren an meine Vision einer Partnerschaft mit den USA und der EU glauben. Dieser Prozess geht weiter in Frieden und Toleranz, die interethnisch sein muss; Ich bin mir sehr sicher, dass dieser Prozess erfolgreich sein wird, und zwar über ein koordiniertes Vorgehen, wobei dieser Prozess sehr friedlich sein soll. Wir haben ausgezeichnete Beziehungen mit Mazedonien, Montenegro und Albanien; ich werde darin investieren, dass wir in der näheren Zukunft auch gute Beziehungen zu Serbien haben, und zwar als zwei getrennte Staaten.“

Diese guten Beziehungen werden jedenfalls noch viel schwerer zu erreichen sein. Zur Aussöhnung mit Serbien und auf dem Weg Richtung EU und NATO hat der Kosovo somit noch einen weiten Weg vor sich.

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