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Der Kosovo und die Wahlen aus der Sicht der Kosovo-Serben

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Berichte Kosovo
Im Kosovo finden am Samstag Parlaments- und Lokalwahlen statt. Sie sind von großer Bedeutung, weil derzeit Serben und Albaner unter internationaler Vermittlung über den endgültigen Status der Provinz verhandeln. Die Gespräche dauern noch bis 10. Dezember, doch die Fronten sind völlig verhärtet; die Albaner beharren auf der Unabhängigkeit, die Serben lehnen sie strikt ab. Diese Konfrontation wirkt sich auf die Wahlen aus. Auf Geheiß der Regierung in Belgrad boykottieren die Kosovo-Serben beide Wahlen. Doch dieser Boykott ist vor allem bei den Serben nicht unumstritten, die nicht im ethnisch kompakten Norden an der Grenze zu Serbien, sondern in Enklaven im Süden des Kosovo leben. Das ist immerhin mehr als die Hälfte der etwa 100.000 Serben, die nach dem Krieg der NATO vor acht Jahren noch im Kosovo verblieben sind. Mit zwei gemäßigten Vertretern der Serben hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz im Kosovo gesprochen, hier sein Bericht:

Die serbische Enklave Gracanica liegt wenige Kilometer außerhalb der Provinzhauptstadt Prishtina. Die von Belgrad finanzierte Ambulanz leitet hier die Ärztin Rada Trajkovic. Die Ambulanz verfügt über ein eigenes Aggregat, um die Folgen der täglichen Stromausfälle zu mindern, mit denen die Bevölkerung des Kosovo noch immer zu kämpfen hat. Normaler verläuft dagegen das Leben mit der albanischen Mehrheit, vor allem wenn keine Medien anwesend sind. Rada Trajkovic:

„ Auf der Straße von Gracanica sieht man heute, dass die Albaner völlig normal die Enklave passieren. Haben sie eine Autopanne, so helfen die Serben und senden auf diese Weise eine Botschaft des normalen Umgangs miteinander. Andererseits haben wir hier serbische Tankstellen, die selbst nicht die Möglichkeit haben, sich Treibstoff zu beschaffen. Das bringen die Albaner aus Prishtina; verkauft wird es von Serben, die sich so ein bescheidenes Auskommen sichern können.“

Die enormen wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind neben der Angst vor Übergriffen albanischer Extremisten ein Grund dafür, warum bisher nur wenige tausend Vertriebene in den Kosovo zurückgekehrt ist. Doch selbst diese Rückkehrer seien mit Vorsicht betrachten, erläutert Oliver Ivanovic:

„ Oft kehrt nur ein Mitglied einer Familie zurück, und selbst das verbringt das Wochenende in Serbien oder geht nach Serbien. Selbst in einem neu erbauten Dorf lebt es sich nicht leicht, sogar wenn die Sicherheit gewährleistet und das Haus gut gebaut ist, wenn es keine Arbeit gibt. Dann können sich die Leute nicht lange halten.“

Der Politiker Oliver Ivanovic lebt im Norden, in der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Kosovska Mitrovica. Hier sind der Einfluss Belgrads und das Nein zur Zusammenarbeit mit den Albanern am stärksten. Doch ohne Teilnahme an den Institutionen des Kosovo haben die Serben kaum eine Möglichkeit, ihre Lebensumstände zu verbessern. Daher sind Ivanovic und Rada Trajkovic gegen den Wahlboykott; er nütze nur den Albanern, die auch in den Gemeinden antreten, in denen die Serben die Mehrheit stellen:

„Das ist ein Beschluss, der die Serben nach der Wahl in eine große Krise führen wird. Wir werden in den Enklaven zwei strategisch wichtige Gemeinden verlieren. So werden wir aus diesen Wahlen, vor allem aus den Lokalwahlen völlig geschwächt hervorgehen. Diese Politik verstehe ich wirklich nicht.“

… betont Trajkovic; trotzdem beugte sie sich der Anordnung aus Belgrad ebenso wie Oliver Ivanovic:

„Wir können nicht die Tatsache ignorieren, dass das gesamte Belgrad, vom Ministerpräsidenten, und dem Präsidenten angefangen über das Parlament bis hin zur Kirche für den Boykott der Wahlen waren. Der politische Zeitpunkt ist einfach sehr sensibel, denn die Wahlen werden im Zusammenhang mit dem Status gesehen, und dass muss man vermeiden.“

Doch nicht alle Serben sind bereit, Belgrad zu folgen. Einige Miniparteien treten trotzdem an:

„Die Wahlbeteiligung wird sehr gering sein; die Gewählten werden nur sehr wenige Stimmen erhalten und keine Unterstützung bei der lokalen Bevölkerung haben. Hinzu kommt, dass diesen gewählten Serben Belgrad verschlossen bleiben wird. Daher habe auch ich nicht kandidiert. Denn wären wir völlig auf Prishtina und die internationale Gemeinschaft ausgerichtet und können für die Serben des Kosovo nur wenig bewirken.“

… erläutert Oliver Ivanovic; der Belgrader Kosovo-Politik stellt er kein gutes Zeugnis aus:

„Sehr selten befasst sich Belgrad mit den Problemen der Menschen, die hier unter sehr schwierigen Bedingungen leben. Dabei wird wegen der Statusfrage die Tatsache vernachlässigt, dass die Menschen viel wichtiger sind. Denn ohne Serben im Kosovo ist der Status geklärt und zwar de facto und de jure.“

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