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Interview mit Blerim Shala über die Lage im Kosovo vor der Wahl in Serbien

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Berichte Kosovo
Kommenden Sonntag wird in Serbien das Parlament neu gewählt. Genau beo beobachtet werden diesen Wahlen natürlich auch von den Albanern im Kosovo. Erstens ist Serbien der Hauptgegner der nach Unabhängigkeit strebenden, albanisch dominierten Provinz; zweitens beeinflusst die Regierung in Belgrad auch massiv die Kosovo-Serben, mit denen die albanische Mehrheit einen Ausgleich finden muss, um die ersehnte Unabhängigkeit zu erreichen. Ob es dazu kommt, wird Ende Jänner weitgehend klar sein, weil knapp nach den Wahlen in Serbien die UNO-Vermittler Marti Ahtisari und Albert Rohan ihren Vorschlag für die Lösung des Kosovo-Status präsentieren werden. Über die albanischen Erwartungen zur Status-Frage und zur Entwicklung in Belgrad hat unser Balkan-Korrespondent mit dem Journalisten und Mitglied der kosovarischen Verhandlungsdelegation Blerim Shala gesprochen. Hier sein Bericht:

Der Kosovo-Albaner Blerim Shala ist zwar erst Mitte-Vierzig, trotzdem kann er auf eine zehnjährige Erfahrung bei Kosovo-Verhandlungen zurückblicken. So war Shala bereits Mitglied der kosovarischen Delegation bei den Verhandlungen in Rambouillet und Paris, deren Scheitern 1999 zum NATO-Krieg um das Kosovo führten. Auch bei den weitgehend erfolglosen Gesprächen im Vorjahr in Wien zwischen Belgrad und Prishtina spielte Shala als Koordinator des albanischen Verhandlungsteams eine wichtige Rolle. Shala drängt jedenfalls darauf, dass noch im Frühling wenigstens die Kontaktgruppe eine klare Status-Entscheidung trifft. Diese Gruppe besteht aus den USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Italien. Blerim Shala:

„Mit Sicherheit kann ich wirklich offen sagen, genug ist genug. Das wissen auch die wichtigsten Akteure im Westen, und sie wiederholen beinahe täglich dass die Bürger des Kosovo verdienen zu wissen, wie ihre Zukunft aussieht. Außerdem hatten wir genügend Treffen in Wien. Jeder weiß im Detail, was die Positionen von Serbien und des Kosovo sind. Klarheit verdient auch die gesamte Region, und wir können einfach keine weiteren Verzögerungen tolerieren. Die Geduld ist am Ende, und wir müssen wissen, was unsere Zukunft ist.“

Shala hofft, dass schließlich auch Russland einer Art Unabhängigkeit unter Aufsicht von EU und NATO zustimmen wird, obwohl Russland eher als Serben-freundlich gilt:

„Wenn jemand über den Status des Kosovo den Kalten Krieg wiederbeleben will oder eine Atmosphäre schaffen will, die bis 1989/90 geherrscht hat, dann geht er fehl; denn dieser Teil Europas ist auf dem Weg Richtung EU und NATO. Man kann doch keine Art Gleichgewicht zwischen Ost und West, zwischen Russland auf der einen und den USA und Europa auf der anderen Seite schaffen. Wir sind Teil Europas, und Amerikaner und Europäer sind daran interessiert eine Lösung für den Kosovo zu finden.“

„Die Kosovo-Serben werden durch die Dezentralisierung, durch den Schutz von Kirchen und Klöstern sowie durch den Minderheitenschutz zusätzliche Rechte erhalten; außerdem wird es die so genannte Doppelte-Badinter-Mehrheit geben, die auch in Mazedonien angewandt wird; das heißt, dass den wichtigsten Gesetzen auch die Mehrheit der serbischen Abgeordneten zustimmen muss, die im Parlament sitzen. Damit werden die Serben die stärkst mögliche gesetzliche und politische Position im Kosovo haben.“

Eine Änderung der Haltung Serbiens gegenüber dem Kosovo nach den Parlamentswahlen erwartet Blerim Shala nicht; doch abgesehen vom formellen Nein zur Unabhängigkeit seien die politischen Gegensätze offensichtlich massiv; in Serbien müsse daher weiter mit politischer Instabilität gerechnet werden, betont Blerim Shala:

„Ich denke, dass die Unterschiede zwischen der Partei von Ministerpräsident Vojislav Kostunica und der Partei von Präsident Boris Tadic weit größer sind, als uns bewusst ist. Denn wir sprechen über zwei Richtungen. Während die eine Partei klar für die euro-atlantische Integration ist, ist Kostunicas Partei nicht klar in dieser Frage. Das erinnert an die Zeit des Kalten Krieges als Tito versuchte, gute Beziehungen mit den Russen und dem Westen zu haben. Doch diese Zeit ist vorbei und man muss sich entscheiden, ob man Teil des Westens sein oder zu etwas gehören will, das von Balkan und von Europa weit weg ist.“

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