Vor Sitzung des UNO-Sicherheitsrates über den Kosovo
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Berichte Kosovo
Formeller Anlass für die Sitzung des UNO-Sicherheitsrates ist der Bericht des norwegischen NATO-Botschafters Kaj Eide über die Lage im Kosovo. Eide hat dieses Dokument im Auftrag von Generalsekretär Kofi Annan verfasst und der UNO Anfang Oktober übergeben. Eide hatte zu bewerten, ob die Zeit für Statusverhandlungen reif sei. In seinem Bericht beschreibt der Diplomat die Situation im Kosovo sehr realistisch. So seien Justiz und Polizei im Kampf gegen Organisierte Kriminalität nur mäßig erfolgreich, und der Schutz der Serben und anderer nationaler Minderheiten lasse sehr zu wünschen übrig. Gleichzeitig kritisiert Eide die Kosovo-Serben, die auf Anordnung Belgrads noch immer alle Institutionen der Provinz boykottieren. Trotzdem empfiehlt Kaj Eide den Beginn der Statusgespräche, weil durch eine Verschiebung keine Verbesserung der demokratischen Standards im Kosovo zu erwarten sei. Diese Meinung teilen USA und EU und daher werden die Gespräche demnächst beginnen, wobei die UNO dazu noch einen Chefverhandler nominieren muss. Diese Ernennung wird bis Anfang November erfolgen. Das Amt dürfte der ehemalige finnische Ministerpräsident Marti Ahtisari ausüben, der mit Slobodan Milosevic 1999 über das Ende des Kosovo-Krieges verhandelt hat. Auch Ahtisaris voraussichtlicher Stellvertreter verfügt über langjährige Balkan-Erfahrung. Es ist dies der Österreicher Albert Rohan, der ehemalige Generalsekretär des Außenministeriums in Wien. Ebenfalls in das Team eingebunden werden EU, USA und Russland. Geplant ist, die Gespräche zunächst mit einer Pendel-Diplomatie zwischen Belgrad und Pristhina zu eröffnen. Dabei werden Ahtisari und Rohan zunächst auf die bekannten unvereinbaren Standpunkte, Unabhängigkeit versus Autonomie treffen. Doch es ist sehr fraglich, ob Belgrad diese Position wird durchhalten können. Denn vieles deutet darauf hin, dass der Kosovo eine bedingte Unabhängigkeit gepaart mit der Auflage erhalten könnte, den Minderheiten umfassende Rechte einzuräumen. Darauf sind die Serben nicht vorbereitet, weil die Regierung in Belgrad bisher kein realistisches Bild über ihre Möglichkeiten und die Lage gezeichnet hat. Daher sagt der ehemalige serbische Außenminister Goran Svilanovic:
„Das ist eine Situation, wo die politische Elite der Bevölkerung die Realität näher bringen müsste; vielleicht wird die politische Elite Beschlüsse fassen müssen, deretwegen sie die Wahlen verlieren könnte, obwohl sich diese Beschlüsse als dauerhaft erweisen könnten. Doch irgendwann muss eine politische Elite diese Beschlüsse fassen und den politischen Preis dafür bezahlen; doch sie muss auch darauf vertrauen, dass sie das beste unter den gegebenen Umständen gemacht hat, unabhängig davon, dass ihr die politische Unterstützung der Bevölkerung fehlt. Ein derartiges Thema könnte der Kosovo sein.“
Doch der Kosovo könnte auch ein Thema sein, dass die serbische Regierung zu Fall bringt. Denn im Parlament ist die Mehrheit minimal, und die derzeit bestehende Einigkeit könnte zerbrechen, wenn es um konkrete Lösungen geht. Gleichzeitig bleibt im Kosovo viel zu tun, um die Aussöhnung zwischen Serben und Albanern voranzutreiben. Das zeigt eine umfassende Untersuchung, die Colin Irwin von der Universität Belfast jüngst im Kosovo und in Serbien durchgeführt hat. Dazu sagt Colin Irwin:
„Kosovo-Albaner haben Angst davor, albanisch im Norden von Mitrovica zu sprechen, wo die serbische Bevölkerung dominant ist. Gleichzeitig fürchten sie die Serben davor, in Prishtina, in der Hauptstadt des Kosovo, serbisch zu sprechen. Doch wenn man beide fragt, ob sich der jeweils andere fürchtet, bekommt man die Antwort, der Sprachgebrauch sollte eigentlich kein Problem sein. Das heißt, beide Gruppen kommunizieren einfach nicht miteinander; doch sie müssen miteinander sprechen um zu verstehen, dass sie dieselben Probleme haben.“
Das bedeutet, dass die internationale Gemeinschaft auch nach dem Ende der Status-Gespräche noch einige Jahre im Kosovo bleiben wird müssen. Doch wird statt der UNO wohl die EU die zentrale Rolle übernehmen und dabei eng mit den USA zusammenarbeiten müssen. Dieses Szenario hat bereits Kaj Eide in seinem Bericht skizziert, der damit auch einen Fahrplan darstellt, der bereits über die Zeit der Statusgesprächen hinausreicht.