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Lage im Kosovo vor der Wahl

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Berichte Kosovo
Fünf Jahre nach Kriegsende und drei Jahre nach der ersten freien Parlamentswahl wird im Kosovo am 23. Oktober das Parlament neu gewählt. Dieses Mal erfolgt die Wahl bereits für vier Jahre. Zentrale Aufgabe des neuen Parlaments und der neuen Regierung wird es sein, Mitte kommenden Jahres gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft und Serbien die Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovo zu beginnen. Mitentscheidend für die Frage werden die Voraussetzungen sein, die die Regierung für die Rückkehr vertriebener Serben geschaffen hat. Sie ist nach massiven Ausschreitungen albanischer Extremisten gegen die verbliebenen Serben im März dieses Jahres weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Teilnahme der Kosovo-Serben an der Parlamentswahl ist daher in Serbien umstritten. Der Präsident ist dafür, die Regierung ist dagegen. Umstritten nicht nur unter Serben ist auch die Leitung der UNO-Verwaltung UNMIK. Denn nicht nur die politische Lage ist instabil, schlecht ist auch die soziale und wirtschaftliche Lage der gesamten Bevölkerung des Kosovo. Unser Korrespondent Christian Wehrschütz hat jüngst den Kosovo besucht und seine Eindrücke in folgendem Bericht zusammengefasst:

Prishtina, die Haupstadt des Kosovo, ist eine interessante aber keine lebenswerte Stadt. Das Zentrum prägen ein Hochhaus und das Grand Hotel. Im Hochhaus residiert die UNO-Verwaltung UNMIK. Sie ist mit 1.000 internationalen Mitarbeitern und 3.000 ausländischen Polizisten präsent, und der größte Arbeitgeber des Kosovo. Ihre Bilanz ist nach fünf Jahren ebenso zweifelhaft ist wie das Niveau des Grand Hotels, dessen Preise zu hoch und dessen Zimmer zu zugig sind. Das ist im Winter ein Erlebnis, wenn aus Strommangel auch im Hotel hin und wieder die Heizung ausfällt. Geprägt wird Prishtina auch durch Staus, denn einen öffentlichen Verkehr gibt es nicht, und durch den Handel. Mehr als 80 Prozent aller Waren werden importiert, zum Teil illegal. So bieten Straßenhändler geschmuggelte Zigaretten feil, die durchschnittlich 80 Cent kosten. Dieser Preis ist für viele Albaner trotzdem zu hoch, die ohne das Geld ihrer Gastrabeiter kaum überleben könnten. Als weitere Faktoren der Unzufriedenheit bezeichnet in Pristhina der österreichische Diplomat, Alexander Bayerl:

„die Verzweiflung der jungen Bevölkerung, Hunderttausende, die arbeitslos sind, die junge Bevölkerung, die unter 20 Jahren keine Perspektive hat, ein Drittel der Bevölkerung unter 30 Jahren, das ist der eine Faktor. Der andere Faktor ist sicher auf politischer Ebene: die Unzufriedenheit, dass es nach fünf Jahren nicht mehr jene Form von Perspektive gibt, die man 1999 mit der NATO-Intervention gesehen hat, d.h., es ist mittlerweile eine Form von Frustration mit dem internationalen Verwaltungssystem aufgetreten.“

Denn albanische Hoffnungen auf rasche Unabhängigkeit und auf eine rasche Besserung der wirtschaftlichen Lage hat die internationale Gemeinschaft enttäuscht. Diese Enttäuschung nutzen im März albanische Extremisten. Serbische Kirchen und Häuser wurden zerstört, Tausende Serben flohen, denn UNO-Polizei und 20.000 Soldaten der Friedenstruppe KFOR waren kaum in der Lage, die Serben zu schützen. Sie leben abgesehen vom kompakten Siedlungsgebiet im Norden in Enklaven im Kosovo, ohne Bewegungsfreiheit und Sicherheit. Doch die Märzunruhen, richteten sich auch gegen die UNMIK UNO-Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt, Polizisten mit Steinen beworfen. Diese Vorfälle machten deutlich, dass der internationale Status des Kosovo rascher als geplant, geklärt werden muss, um die Stabilität der Provinz und des Balkan zu erhöhen. Den Zeitplan nach Parlamentswahl beschreibt die Österreicherin Clarisse Pasztory, die im EU-Büro in Prishtina arbeitet so:

„Dann eine möglichst rasche Regierungsbildung zu gewährleisten, und sodann bis zum nächsten Sommer die Standards zu gewährleisten, die sich insbesondere mit den Themen Rechtssicherheit, Minderheitenrechte, Demokratisierung, Rückkehr der vertriebenen Minderheiten beschäftigen. Und sollten wir nächsten Sommer zu einer positiven Bewertung der Umsetzung dieser Standards kommen, so werden danach die Statusverhandlungen aufgenommen werden.“

Welcher Kompromiss zwischen albanischem Unabhängigkeitsstreben und serbischem Vorschlag einer weitgehenden Autonomie gefunden werden kann ist unklar. Klar ist, dass UNO, EU und kosovarische Regierung endlich eine Entwicklungsstrategie vorlegen müssen. Denn ohne Wirtschaftsaufschwung haben weder Albaner noch Serben eine Perspektive, ganz gleich wie der Status des Kosovo auch immer geregelt werden mag.

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