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Reportage aus Kosovo

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Berichte Kosovo
Vor etwa vier Monaten fanden im Kosovo Lokalwahlen statt. Diesen Wahlen wertete die internationale Staatengemeinschaft als ersten Schritt auf dem Weg zur Demokratisierung des Kosovo, nach Krieg und 10 Jahren Gewaltherrschaft durch Slobodan Milosevic. Wie aber funktionieren nun diese Gemeinden, ihre Gemeinderäte und die Verwaltung, wie leben die Menschen nun im Kosovo und worin liegen die größten Probleme. Unser Jugoslawien-Korrespondent Christian Wehrschütz hat die Stadt Gjakove im kosovarisch-albanischen Grenzgebiet besucht und folgenden Bericht gestaltet:

Text:

Der Bazar der 151.000 Einwohner zählenden Stadt Gjakove im Westen des Kosovo ist voller Leben. Gemüse- und Obstgeschäfte, einige kleine Imbiß-Lokale, und viele Geschäfte, die Hausrat verkaufen, sind hier zu finden. Amerikanische Zigaretten sind ebenso überall zu sehen wie CDs westlicher Popgrößen in Form billiger Raubkopien. Geschmuggelt wird das Meiste aus dem nur 10 Kilometer entfernten Albanien; auch der Drogen- und Mädchenhandel soll über diese Route laufen. Ein ausländischer Journalist auf dem Bazar von Gjakove an der Grenze zu Albanien weckt sofort die Neugier eines Händlers:

- Atmosphäre_

-

Über sein Leben sagt der Mann, der Valon Bazari heißt und 28 Jahre alt ist:

„Wegen dem Krieg bin ich weg von hier, weil ich im serbischen Militär in Kroatien war als der Krieg begann, dann bin ich desertiert zuerst in die Schweiz und dann nach Deutschland.“

Und bleibt er jetzt im Kosovo ?

„Ich bin immer hier jetzt, mit Frau und Kindern bin ich aus Deutschland ausgezogen, weil Heimat ist Heimat.“

Valon Bazari ist verheiratet und hat drei Kinder. 10 Jahre hat er in Deutschland gelebt, zwei seiner Kinder wurden dort gebo-ren. Der Mann verkauft Hosen und andere Kleidungsstücke in seinem Laden. Mit den Geschäften ist er zufrieden. Voran geht es mit dem Wiederaufbau dank der internationalen Hilfe, vor allem aber wegen des großen Einsatzes der Albaner selbst und der Unterstützung durch die Diaspora. Eine weitere Einnahme-quelle bildet der Schmuggel. Zur allgemeinen Wirtschaftslage der Stadt Gjakove, sagt Valon Bazari:

„Gjakove war eine große industrielle Stadt, Textil zum Beispiel, gab eine Fabrik dort haben 6000 Leute gearbeitet und jetzt niemand oder eine Elektrofabrik mit 2000 Leuten die Waschmaschinen gebaut haben, dort ist jetzt überhaupt niemand richtig, sie bekommen 100 Mark monatlich aber das ist überhaupt nichts. Besorgt ist unsere Stadt wegen den Gefängnissen indem mein Nachbar mit 4 Söhnen und selbst ist, fünf Leute in einem Haus und die Frau sind zuhause und keiner weiß wo die Männer sind. Ich glaube ich weiß das.“

Das Erbe des Kosovo-Krieges wiegt nach wie vor schwer. Allein aus dem Raum Gjakove werden 1.000 Albaner vermißt und weitere 300 sollen in serbischen Gefängnissen sitzen. Bazari glaubt fest an die Unabhängigkeit des Kosovo, eine Rückkehr unter die Oberhoheit Belgrads ist für ihn undenkbar. Warum er so denkt zeigt auch ein Blick auf die Häuser und Buden des Bazars. Viele stehen noch im Rohbau, die Holzverkleidungen sind neu und in Nebenstraßen sind noch viele Spuren des Krieges zu finden wie zerstörte Häuser oder die zerstörte Moschee. Denn Gjakove an der Grenze zu Albanien zählte zu den Rückzugsge-bieten der UCK, der kosovarischen Befreiungsbewegung. Daher wird auch 18 Monate nach Kriegsende einem Ausländer geraten, auf keinen Fall öffentlich Serbisch zu sprechen. Das ist auch gar nicht nötig, denn Deutsch ist auf dem Bazar dank heimkehr-ender Gastarbeiter weit verbreitet. Auch dieser Gold-schmied, der in der Schweiz in die Lehre gegangen ist, blickt optimi-stisch in die Zukunft:

„Es ist immer besser und das nach 2 Jahren, es geht immer gut hier.“

Der Mann rühmt sich seiner Kenntnisse des Schwyzerdütsch und erzählt:

„Ich spreche schon gut aber im Jahr 1987 bin ich das erstemal in der Schweiz gewesen und 1992 fertig gewesen, und habe seit damals mit niemand gesprochen und habe nicht viel vergessen oder? „

Den Kontakt zu Europa und zum Westen stellt vor allem das Satellitenfernsehen her. Satellitenschüsseln sind weit ver-breiten und so sind die meisten deutschen Fernsehsender auch hier an der Grenze zu Albanien präsent. Doch es gibt auch noch ein anderes Tor zu Welt. In einer Nebenstraße des Bazar, betreibt die „Internationale Organisation für Migration“ mit amerikanischer Unterstützung ein Internet-Zentrum. Auch wenn der Umgang mit dem Keyboard einigen Besuchern noch Schwierig-keiten bereitet, sind die 20 vorhandenen Computer meistens besetzt. Zu den Nutzern des Internet-Zentrums sagte dessen Leiter Fatos Stavileci:

„Täglich kommen etwa 300 Benutzer hierher, vor allem junge Leute, die alle Arten von Berufen haben. Eine der Hauptregeln des Zentrums lautet, daß eine Person den Computer etwa 30 Minuten pro Tag benutzen kann und zwar gratis.“

Sehen die Jugendlichen dieses Zentrum als Zugang zur modernen Welt? Fatos Stavileci:

„Ja, zum ersten Mal als das Internet-Zentrum in Gjakove begann, war das ein Zugang zur Welt. So hatten die Leute Zugang zu Personen rund um die Welt, können mit ihnen sprechen, Ideen austauschen, E-Mails senden und all das.“

Daß der Anschluß an Europa trotz aller Anstrengungen doch nicht so schnell gehen wird, zeigen die Mühen der Stadtver-waltung. Im Gemeinderat von Gjakove verfügt die LDK, die ge-mäßigte Partei des Schriftstellers Ibrahim Rugova seit der Wahl vor vier Monaten über die absolute Mehrheit. Dieses Wahlergebnis war für den Kosovo ebenso typisch, wie es die Probleme der Stadt selbst sind. Das Budget der Stadt, die etwa so viele Einwohner wie Salzburg hat, beträgt nur 11 Millionen Schilling. Die Hälfte des Geldes ist durch die Bezahlung der knapp 200 Beamten gebunden. Mit dem Rest sollen Schulen, Müll, Verkehr Wasserversorgung und das Gesundheitswesen finanziert werden. Die Zahlungsmoral der Bürger ist schlecht; nur jeder Zehnte begleicht seine Rechnungen für Strom, Wasser und Hei-zung. Am Aufbau der Verwaltung als sogenannter Administrator beteiligt, ist auch der Deutsche Klaus Marte, der bereits 18 Monate in Gjakove verbracht hat. Als ein Problem betrachtet Marte auch den großen Unterschied zwischen der Stadt Gjakove und den umliegenden Orten, die ebenfalls zur Gemeinde zählen.

Denn im Umland ist die Infrastruktur weit schlechter, und eine Fahrt über eine Landstraße in ein nahegelegenes Dorf zeigt, wie löchrig diese Verbindungen sind. Zum Stadt-Land-Gefälle im 151.000 Bewohner zählenden Gemeindegebiet sagt Marte:

„Von der Bevölkerungszahl her ist es ungefähr 50-50. Die Verhältnisse sind natürlich schon so das ich sagen muss es gibt hier eine klare Abgrenzung der städtischen Bewohnern zu den Gemeinden, das liegt natürlich daran das die ländlich Bevölkerung überwiegend in der Landwirtschaft tätig ist, das erkennt man an der Zahl der Kinder pro Familien die in Den Gemeinden doch bis 2,3-fachen liegen von der Stadt, Gjakove war bekannt für eine gute Erziehung und viele Hochschulabsolventen.

Gute Ausbildung, vor allem aber neue Arbeitsplätze werden für die Zukunft von Gjakove und des Kosovo entscheidend sein. Denn etwa 60 Prozent der knapp zwei Millionen Kosovaren sollen jün-ger als 30 Jahre sein. Und die Bazare des Kosovo, so malerisch sie auch anmuten mögen, bilden keine Grundlage, um dieser jungen Generation im Kosovo ein friedliche und gesicherte Zukunft bieten zu können.
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