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Bulgarien vor dem Referendum über die Atomkraft

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Berichte Bulgarien


In Bulgarien findet Ende Jänner die erste Volksabstimmung in der Geschichte des Landes statt. Zu entscheiden haben die Bulgaren dabei über den weiteren Ausbau der Atomkraft. Nach Umfragen ist eine klare Mehrheit für den Ausbau, doch ist es sehr fraglich, ob genügend Bulgaren an der Abstimmung teilnehmen, damit die Volksabstimmung auch gültig ist. Unter den Parteien ist nicht nur der weitere Ausbau der Kernkraft umstritten, sondern auch die Frage, wo und in welcher Form ein weiteres Kraftwerk gebaut werden soll. Aus Bulgarien berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Kleinstadt Belene liegt im Norden Bulgariens direkt an der Donau. Seit 25 Jahren leben die Bewohner von der Hoffnung, dass das geplante Atomkraftwerk hier fertig gestellt wird. Fast jeder Dritte der 10.000 Bürger soll arbeitslos sein; trotz römischer Ausgrabungen und Naturreservat und dem Bemühen, durch etwas Weihnachtsbeleuchtung Adventstimmung zu erzeugen, kommen kaum Touristen; zu unterentwickelt ist die Infrastruktur, und so fehlt etwa eine Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe, die auf der Donau das Städtchen passieren. Daher zählen in Belene keine Sicherheitsbedenken, wie eine Straßenbefragung zeigt:

„Ich bin dafür; dann werden Arbeitsplätze geschaffen, denn derzeit verlassen die jungen Leute bereits Belene. Denn derzeit gibt es überhaupt keine neuen Arbeitsplätze. Daher brauchen wir das AKW oder sie müssen sich etwas anderes ausdenken.“

„Ja, damit wir nicht ohne Arbeit bleiben; die Türkei wird ein Kraftwerk bauen, in der Umgebung auch, warum dann nicht wir auch.“

Alle Hoffnung ruht in Belen nun auf dem Referendum, das Ende Jänner in Bulgarien zum Ausbau der Atomenergie stattfindet. Damit es zur Volksabstimmung kommt, mussten mindestens 500.000 Unterschriften gesammelt werden. Daran beteiligte sich auch die BSP, die oppositionelle sozialistische Partei. Sie ist als einzige Partei auch für den Standort Belene. Die Sozialisten lehnen einen Ausbau des bestehenden AKW in Kosloduj auch deshalb ab, weil für Belene bereits alle Genehmigungsverfahren abgeschlossen seien. Dazu sagt das in Deutschland aufgewachsene Mitglied des Parteivorstandes, Deniza Slateva:

„Wir haben neun Jahre gebraucht bis alle Genehmigungen vorgelegen sind, bis auch der Standort zertifiziert ist, auch was Erdbeben betrifft; der Standort ist zertifiziert, es ist auch sehr viel vorgelistet an Bau und Konstruktion. Der bulgarische Staat hat bisher drei Milliarden Leva dafür ausgegeben, und wenn das Projekt nicht umgesetzt wird, dass ist das hinausgeworfenes Geld. Bei Kosloduj muss man von Nunn anfangen, und deshalb sagen die Experten, dass es in absehbarer Zeit keinen funktionierenden Reaktor geben kann.“

Gegen Belene und für Kosloduj ist die konservative Regierung, die von der Partei GERB geführt wird. Diese Haltung begründet das Mitglied des parlamentarischen Ausschusses für Energie-Politik, der Gerb-Abgeordnete Dian Tscherwenkondew, so:

„Die Kosten für das Projekt Belene im Ausmaß von 10 bis 11 Millionen Euro kann Bulgarien selbst nicht finanzieren. Sollten wir eine derartige Investition tätigen, sagen die Prognosen, dass die Strompreise nicht sinken, sondern sogar steigen werden. Analysen von Konsulenten besagen, dass die Stromkosten eines AKW in Belene drei bis vier Mal so teuer wären als für Strom aus Kosloduj.“

Damit das Referendum gültig ist müssen ebenso viele Bulgaren teilnehmen wie bei der vergangenen Parlamentswahl. Im Jahre 2009 gingen etwa 4,3 Millionen zur Wahl; fraglich ist, ob diese Zahl beim Referendum erreicht wird. Wird der Wert verfehlt, gehen aber mehr als 20 Prozent zur Abstimmung dann hat das Parlament das letzte Wort bei der Wahl des Standorts und daher hat die Kleinstadt Belene kaum Chancen, das ersehnte AKW auch zu bekommen.

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