20250502 ORF III Interview mit Milorad Dodik Wehrsch Mod:
Im Herbst vor 30 Jahren endete der Krieg in Bosnien und Herzegowina, der etwa 100.000 Todesopfer forderte. Den formellen Schlusspunkt setzte der Friedensvertrag von Dayton 1995, der insbesondere die serbische Volksgruppe in einen Staat zwang, den sie nicht wollten. Der Präsident des serbischen Teilstaates, Milorad Dodik, tut seit Jahren alles, um die Stärkung des Gesamtstaates zu verhindern. Mit ihm in Banja Luka gesprochen hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Banja Luka
Inserts: Milorad Dodik, Präsident des serbischen Teilstaates
Gesamtlänge:5'50
Milorad Dodik, der starke Mann der bosnischen Serben, missachtet seit Jahren die Institutionen des Gesamtstaates, ohne bisher spürbare Folgen erlebt zu haben. Von einem Gericht in Sarajewo wegen Verletzung der Verfassung verurteilt und zur Fahndung ausgeschrieben, scheiterte bisher der Versuch einer Verhaftung, fällt doch die Polizei weitgehend in die Zuständigkeit der zwei Teilstaaten, der Bosnisch-Kroatische Föderation und der Serben-Republik.
4'56'4 - Staat funktioniert nicht Abspaltung - 6'13'9
"Bosnien und Herzegowina funktioniert nicht und es gibt keine Chance, dass dieser Staat funktionieren wird, trotz aller vergeblichen Anstrengungen, die unternommen werden. Unsere westlichen Freunde gehen nach einem alten System vor, die Krise fortzusetzen, in dem sie mit einigen jenen abrechnen, die in dem Augenblick machtträger sind. Sie denken, dass die Krise beseitigt wäre, wenn man mich absetzt, das dachte man auch früher etwa bei Slobodan Milosevic. Das Beste und vernünftigste wäre es für Bosnien, dass der Staat entlang der Grenzen der Teilstaaten getrennt wird, und das man dann versucht, gute Beziehungen aufzubauen."
Dass Dodik sehr viel dazu beiträgt, dass der Gesamtstaat nicht funktioniert, wird von ihm nicht erwähnt. Stattdessen proklamiert er die Rückkehr zur Verfassung des Friedensvertrages von Dayton, der nur ein loses Staatswesen vorsieht:
13'45'2 - 14'08'3 Was heißt zurück zu Dayton? - 14'37'4 - 15'01'7
"Die Verfassung sieht vor, dass das Staatspräsidium drei Hilfsorgane hat, die Minister heißen, doch nirgends steht geschrieben, dass es einen Ministerrat gibt als Regierung. Doch jetzt gibt es 10 Minister, während nur drei Minister aber keine Ministerien vorgesehen waren. …
In der Verfassung sind auch keine Staatsanwaltschaft und keine Gerichte vorgesehen; doch das hat nun Bosnien und Herzegowina. Das gilt auch für die Sonderpolizei SIPA; all das ist nicht im Dayton-Vertrag vorgesehen, das sind alles Lügen. Und diese Organe werden uns nun aufgezwungen, damit wir weiter unsere Autonomie verlieren."
Wollen Sie tatsächlich die Unabhängigkeit der Serben-Republik, wie ihnen das auch der Westen vorwirft?
8'23'9 - 8'49'4
"Es geht hier nicht um die Frage, ob wir Autonomie oder Unabhängigkeit wollen, denn wir kämpfen hier gegen wirkliche Ungerechtigkeit, wo hierher ein Mensch von außen kommt, uns Gesetze aufzwingt und verlangt, dass wir uns dementsprechend verhalten. Dagegen sind wir, während unsere Gegner sagen, dass sei Separatismus. Das ist es nicht, denn Separatismus heißt gewaltsame Abspaltung. Das wollen wir nicht, wir sind nur vernünftige Leute und sagen, so geht es nicht weiter."
Trotzdem – ist ihr Ziel die völkerrechtliche Unabhängigkeit der Republika Srpska? Wäre dieses Ziel überhaupt erreichbar, wenn ja, wie?
15'36'2 - Keine Hypothese und Traum -
"Ich bin alt genug, um keine Hypothesen mehr aufzustellen, die mir dann als erklärtes Ziel ausgelegt werden. Daher sage ich: ich bin für die Verfassung von Bosnien und Herzegowina, die ich verteidige und so verteidige ich auch Bosnien und Herzegowina, wie es die Verfassung vorsieht. Doch das ist schwer zu erreichen, daher sind verschiedene Entwicklungen möglich, bis hin zur Beseitigung des serbischen Teilstaates. Wir werden sehen. Ich denke, dass alle Internationalen hier verstehen, wie stark wir bereit sind, unsere Autonomie zu verteidigen. Ob daraus eines Tages ein Staat wird, - entschuldigen Sie - aber ich habe das Recht auf Träume. Verwirklichen sich Träume, selten, aber es kommt vor."
Österreichs neue Außenministerin war vor kurzem in Sarajewo aber nicht auch in Banja Luka. Haben sich die Beziehungen zu Österreich aus ihrer Sicht verschlechtert?
33'43'5 - Sanktionen - 34'131 - Persona non grata
"Ein Teil der politischen Elite, die sich um eine Ministerin versammelt hat, von der ich nicht weiß, wie sie heißt, sitzen dieser gegenwärtigen Atmosphäre ohne Überprüfung auf. Das sind keine gefestigten Politiker. Dazu zählt auch eine frühere Botschafterin, die jetzt eine enge Mitarbeiterin dieser Ministerin ist. Diese Botschafterin hat sie erzogen mit lügenhaften Geschichten über die bösen Serben."
Wie auf der Seite der österreichischen Botschaft in Sarajewo zu lesen ist, verwehrt Ihnen die Republik de facto die Einreise und die Durchreise. Jenseits der Frage, ob dieser Beschluss überhaupt praktisch umsetzbar ist – sind Sie nun Persona non Grata?
34'131 - Persona non grata - 34'49’7
"Ich bin nicht sicher, dass ich „persona non grata“ bin, ich denke, dass ich nicht zu einer derartigen Person erklärt wurde. Doch gewisse Absichten in diese Richtung gibt es, aber ob das auch schon formal ist, weiß ich nicht. Ich werde auch nicht versuchen, dass zu überprüfen, Das ist ihre Haltung und die ihres Staates, doch das wir meine guten Beziehungen zu Österreich als Staat nicht ändern, nur weil es dort einige zweifelhaften Politiker und Außenminister gibt, die sich parteiisch verhalten; das sind jene, die nach Sarajewo fahren und von dort den Serben Botschaften schicken. das ist eine klare Kontinuität einer schlechten Politik gegenüber den Serben."
Bislang funktionierte in Bosnien und Herzegowina die Homogenisierung der Wählerschaft durch nationalistische Parolen unter dem Banner nationalistischer Parteien. Ob das so bleibt, ist offen. Fest steht, dass der Westen nicht nur Milorad Dodik viel zu lange gewähren ließ und bisher kein brauchbares Mittel gefunden hat, um die politische Agonie in Bosnien und Herzegowina zu überwinden.