Inzko wird Amt in Bosnien aufgeben
Vor 25 Jahren beendete der Friedensvertrag von Dayton den Krieg in Bosnien und Herzegowina. Nicht zuletzt das jahrelange Zuschauen des Westens bescherte dem Land 100.000 Tote und zwei Millionen Flüchtlinge. Dayton beendete zwar den Krieg, doch schuf der Vertrag staatliche Strukturen für die drei Völker, die es Bosniaken, Serben und Kroaten jederzeit ermöglichen, einander zu blockieren. Ebenfalls im Dezember 1995 schuf die internationale Gemeinschaft das UNO-Amt des Hohen Repräsentanten für Bosnien mit Sitz in Sarajewo. Doch die sogenannten „Bonn-Powers“ wurden erst Ende 1997 geschaffen; das sind Sondervollmachten, die es dem Hohen Repräsentanten ermöglichten, Politiker abzusetzen und Gesetze zu erlassen. Sie waren eine Reaktion darauf, dass sich die politische Lage im Land weit schlechter entwickelte als vom Westen gewünscht und erhofft. Von 1995 bis 2009 gab es sechs Hohe Repräsentanten mit einer Amtszeit von einem bis zu vier Jahren; dazu zählte auch der Österreicher Wolfgang Petritsch, der zwischen August 1999 und Mai 2002 in Sarajewo tätig war.
Seit März 2009 übt nun Valentin Inzko diese Funktion aus. Der 1949 in Suetschach geborene Kärntner Slowene brachte für diese Aufgabe viel Balkan-Erfahrung mit sich. Von 1982 bis 1986 war er an der österreichischen Botschaft in Belgrad tätig, 1992 leitete er die OSZE-Mission im Sandjak in Serbien, eine Provinz die mehrheitlich von Bosniaken bewohnt ist, und von 1996 bis 1999 war Inzko erster österreichischer Botschafter in Bosnien und Herzegowina. Mit der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte in Bosnien war Inzko somit vertraut, doch sein Amt trat er zu einem Zeitpunkt an, in dem die Balkan-Müdigkeit des Westens bereits deutlich spürbar war. Das betraf auch das OHR und seinen Leiter. In den ersten zehn Jahren war der Hohe Repräsentant ein aktiver Gestalter des politischen Lebens in diesem Balkan-Land, der immer wieder Gesetze durchsetze, wenn Bosniaken, Serben und Kroaten einander blockierten. Diese „robuste Phase“ endete mit dem Deutschen Christian Schwarz-Schilling (2006-2007). „Regional ownership“ hieß das Zauberwort, das etwas frei mit regionaler Selbstverantwortung übersetzt werden kann. Gemeint war damit, dass die lokalen Politiker der drei Volksgruppen selbst Lösungen finden sollten, während sich der Hohe-Repräsentant bei der Ausübung seiner „Bonn-Powers“ zurückhalten sollte.
Obwohl das Konzept der „regionalen Eigentümerschaft“ an der politischen Realität im Land scheiterte, kam es immer weniger zur Anwendung der Sondervollmachten; zwischen 1997 und 2012 wurde sie 900 Mal genutzt, Valentin Inzko wandte sie nach eigenen Angaben nur 80 Mal an, obwohl er das Amt de facto ebenso lange ausübt, wie jene fünf Vorgänger, die bereits über diese Vollmachten verfügten. Für diese Zurückhaltung gibt es mehrere Gründe; einerseits fehlte immer stärker die Einigkeit im Friedensimplementierungsrat, der ihre Anwendung absegnen muss; zweitens wurde die Friedenstruppe EUFOR, die 2004 als erste militärische EU-Mission in Bosnien aktiv wurde, immer mehr abgemagert, und zählt derzeit nur mehr 600 Soldaten. Das OHR selbst wurde im Laufe der Zeit von mehr als 2000 Mitarbeitern auf nunmehr 80 reduziert. Wirklich wichtig ist nach wie vor der juristische Dienst des OHR, der unter Inzko 8.000 Anfragen von Bürgern beantwortete und auch Gutachten für Gerichte erstellte. Doch machtvolle Institutionen sehen anders aus, zumal die EU ihre Delegation deutlich aufstockte, die eigentlich nun weit mehr Anreize für Reformen in Bosnien bieten sollte als das OHR.
In der Realität ist das Amt des Hohen Repräsentanten derzeit nur mehr eine Rückversicherung für absolute Notfälle, sollten die latenten Spannungen zwischen den drei Volksgruppen je wieder eskalieren. Diese Gefahr droht derzeit nicht, sehr wohl aber eine fortgesetzte politische Agonie; Sie beschreibt Valentin Inzko im von mir am 19. Dezember in Sarajewo geführten Interview so: "Es kann nicht sein, dass wir eine staatliche Regulierungsagentur für Gas brauchen, und das dauert acht Jahre, und wir haben sie noch immer nicht; oder EUROPOL, seit fünf Jahren gibt es keine Filiale von EUROPOL hier. Ich habe da sehr gute Signale aus Berlin, dass es zu einer Stärkung des OHR kommen wird, personell und auch finanziell. Das wäre dann aber unsere letzte Chance; dann hätten wir ein dreichfaches B -Biden, Berlin, Brüssel; diese Chance muss genützt werden, es ist die letzte."
Inzkos Hauptfeind ist der Serben-Führer Milorad Dodik, der Inzko einmal als „Monster“ bezeichnete, und wiederholt mit der Loslösung seines Teilstaates drohte, bisher vergebens, weil auch die Rückendeckung aus Belgrad und Moskau fehlt. Auf Inzko soll nun ein deutscher Politiker folgen, der einmal Landwirtschaftsminister war und derzeit Abgeordneter im Bundestag ist. Ob es in einigen Monaten dazu kommt, wird auch von den deutsch-russischen Beziehungen abhängen. Bei seinem jüngsten Besuch in Sarajewo sprach sich Außenminister Sergej Lawrow klar gegen eine Verlängerung des Amtes aus. Inzko selbst hatte vor seiner Ernennung vor 11 Jahren zwei Anhörungen – eine in Washington, und die andere in Moskau.